Entscheidungsstichwort (Thema)
Konzessionsabgaben. Entgelterhebung durch Energieversorgungsunternehmen. Abschluss eines Konzessionsvertrags. Verhandlungszeitraum. Entreicherung
Leitsatz (redaktionell)
Die Erhebung von Konzessionsabgaben-Kostenbestandteile enthaltenden Entgelten kommt bei Tarifkunden in einem vertragslosen Zustand grundsätzlich nur für eine gewisse Übergangszeit in Frage, während derer zwischen der Gemeinde und dem Energieversorgungsunternehmen Verhandlungen über den Abschluss eines Konzessionsvertrags stattfinden.
Normenkette
KAV § 2 Abs. 2; BGB § 818 Abs. 3; EnWG § 6 Abs. 1
Tenor
I. Der Tenor des Urteils des Kartellsenats des Oberlandesgerichts Rostock vom 6. September 2000 – 9 U 4/99 – wird in Nr. 1 wegen offenbarer Unrichtigkeit wie folgt berichtigt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere DM 397.805,98 nebst 4 % Zinsen auf DM 831.245,81 DM ab dem 04.05.1995 und auf DM 312.026,23 seit dem 06.02.1998 zu zahlen.
II. Die Revision der Beklagten gegen dieses – berichtigte – Urteil wird angenommen, soweit die Beklagte zur Zahlung von 261.433,80 DM (90 v.H. von 290.482,01 DM = Konzessionsabgabenanteil für Tarifkunden einschließlich Schwachlaststrom erstes Halbjahr 1997) nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 6. Februar 1998 verurteilt worden ist; im übrigen wird die Revision nicht angenommen.
Soweit die Revision nicht angenommen wird, hat weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch die Revision im Ergebnis Aussicht auf Erfolg.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlußentscheidung vorbehalten.
Gründe
I.
Da die Revision den Zinsausspruch des Berufungsgerichts nicht besonders angegriffen hat, ist sowohl die Höhe des Zinssatzes als auch der Zeitpunkt, ab dem die Hauptforderung zu verzinsen ist, der revisionsgerichtlichen Nachprüfung entzogen. Daher hat die Beklagte, nachdem der Senat insoweit die Revision nicht angenommen hat, auf die für die Jahre 1992 und 1993 entfallenden Beträge ab dem 4. Mai 1995 4 % Zinsen zu zahlen.
Das Berufungsgericht hat jedoch bei seiner Entscheidung über die Zinsen versehentlich für die Jahre 1992 und 1993 die vollen Höchstsätze nach § 2 Abs. 2 KAV (450.003,40 DM und 473.603,06 DM = 923.606,46 DM) in Ansatz gebracht, obwohl nach seinem Rechtsstandpunkt, wie er auch im Ausspruch über die Hauptforderung zum Ausdruck gekommen ist, der Klägerin nur 90 v.H. dieser Höchstsätze zustehen (also 405.003,06 DM und 426.242,75 DM = 831.245,81 DM). Die gebotene Berichtigung kann auch durch das mit der Sache befaßte Rechtsmittelgericht vorgenommen werden (BGHZ 133, 184, 191 m.w.N.).
II.
Die Vorinstanzen haben angenommen, daß sich die Beklagte bezüglich des für das erste Halbjahr 1997 zu veranschlagenden Wertersatzes für die konzessionsvertragslose Nutzung der Wege- und Straßengrundstücke der Stadt G. auf einen Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB nicht berufen kann.
Die Beklagte hatte jedoch – anders als nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des Berufungsgerichts bei den Sondervertragskunden – ihren Tarifkunden (ausschließlich Schwachlaststrom) bereits ab 1994 keine konzessionsabgabenbezogenen Entgeltanteile mehr abverlangt. Dies war – unstreitig – auch im ersten Halbjahr 1997 so.
Das Landgericht, dem das Berufungsgericht insoweit ersichtlich gefolgt ist, hat gemeint, im Unterschied zu den Jahren 1994 bis 1996 könne sich die Beklagte für 1997 nicht auf einen Bereicherungswegfall berufen, weil ihr spätestens seit dem Erlaß der Senatsentscheidung BGHZ 132, 198 bekannt gewesen sei, daß auch ohne Konzessionsvertrag ein Wegenutzungsentgelt zu entrichten sei, und es ihr möglich gewesen wäre, die Genehmigung eines neuen Tarifs unter Einbeziehung der Konzessionsabgabe zu beantragen. Diese Ausführungen stoßen im Hinblick auf die Senatsentscheidung auf erhebliche Bedenken.
Danach kommt die Erhebung von Konzessionsabgaben-Kostenbestandteile enthaltenden Entgelten bei Tarifkunden in einem vertragslosen Zustand grundsätzlich nur für eine gewisse Übergangszeit in Frage, solange zwischen der Gemeinde und dem Energieversorgungsunternehmen Verhandlungen über den Abschluß eines Konzessionsvertrags stattfinden. Diese Voraussetzungen waren (auch) 1997 nicht (mehr) gegeben, zumal die Übernahme der Stromversorgung durch die gemeindeeigenen Stadtwerke (zum 1. Juli 1997) unmittelbar bevorstand. Es ist deshalb schon zweifelhaft, ob die Beklagte – auch unter Berücksichtigung der durch das Senatsurteil bewirkten Klarstellung der Rechtslage – überhaupt eine Genehmigung für erhöhte, Konzessionsabgaben-Anteile enthaltende Tarife hätte erlangen können. Jedenfalls erscheint es ausgeschlossen, daß ihr dies – gegebenenfalls nach Beschreitung des Rechtswegs – noch vor dem 1. Juli 1997 gelungen wäre. Andererseits war es der Beklagten im Hinblick auf § 6 Abs. 1 EnWG verwehrt, wegen der drohenden Verurteilung zur Herausgabe des Erlangten oder zu Wertersatz die Versorgung der Letztabnehmer im Gebiet der Stadt G. einzustellen. Aufgrund dieser besonderen Situation kann der Beklagten, obwohl die Voraussetzungen für eine verschärfte Bereicherungshaftung (§ 818 Abs. 4 und § 819 Abs. 1 BGB) an sich erfüllt sind, der Entreicherungseinwand schwerlich versagt werden (Senatsurteil aaO S. 211 ff).
III.
Im Hinblick auf die Ausführungen zu II. gibt der Senat zu erwägen, ob die Klage im Umfang der Revisionsannahme zurückgenommen werden soll.
Unterschriften
Rinne, Streck, Schlick, Dörr, Galke
Fundstellen