Verfahrensgang
LG Essen (Urteil vom 18.10.2016) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Essen vom 18. Oktober 2016 wird
- der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen und des versuchten schweren Bandendiebstahls in fünf Fällen schuldig ist,
- die Einzelstrafe im Fall II.54 der Urteilsgründe auf drei Jahre Freiheitsstrafe festgesetzt,
- der Strafausspruch dahin ergänzt, dass die in Rumänien erlittene Freiheitsentziehung im Maßstab 1:1 angerechnet wird, und
- der Strafausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben in den Fällen II.1, 2, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16, 17, 18, 19, 20, 21, 23, 24, 25, 26, 27, 28, 29, 30, 31, 32, 33, 35, 36, 37, 38, 39, 40, 41, 42, 43, 44, 45, 46, 47, 48, 50, 51, 52 und 53 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Bandendiebstahls in 54 Fällen, wobei es in 32 Fällen beim Versuch blieb, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel erzielt den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Annahme real konkurrierender Taten hält nicht in allen zur Aburteilung gelangten Fällen rechtlicher Überprüfung stand.
Rz. 3
a) Sind an einer Deliktserie mehrere Personen als Mittäter, mittelbare Täter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt, ist die Frage, ob die einzelnen Taten tateinheitlich oder tatmehrheitlich zusammentreffen, bei jedem Beteiligten gesondert zu prüfen und zu entscheiden. Maßgeblich ist dabei der Umfang des erbrachten Tatbeitrags. Leistet ein Mittäter für alle oder einige Einzeltaten einen individuellen, nur je diese fördernden Tatbeitrag, so sind ihm diese Taten – soweit keine natürliche Handlungseinheit vorliegt – als tatmehrheitlich begangen zuzurechnen. Fehlt es an einer solchen individuellen Tatförderung, erbringt der Täter aber im Vorfeld oder während des Laufs der Deliktserie Tatbeiträge, durch die alle oder mehrere Einzeltaten seiner Tatgenossen gleichzeitig gefördert werden, sind ihm die gleichzeitig geförderten einzelnen Straftaten als tateinheitlich begangen zuzurechnen, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB verknüpft werden. Ohne Bedeutung ist dabei, ob die Mittäter die einzelnen Delikte tatmehrheitlich begangen haben (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14, NStZ 2014, 702).
Rz. 4
b) Der Angeklagte hat nach den Feststellungen nie selbst vor Ort an den von ihm organisierten Ladendiebstählen mitgewirkt; er hat jedoch stets in den Fällen, in denen mehrere Geschäfte an einem Tag aufgesucht wurden, zuvor die Tatorte, die zu stehlenden Waren sowie die konkret eingesetzten – mindestens zwei – Bandenmitglieder und ggf. weitere Mittäter bestimmt. Damit hat er als Kopf der Bande vor Beginn der jeweiligen „Tagestour” nur einen einheitlichen Tatbeitrag erbracht. In diesen Fällen der Begehung mehrerer Diebstähle an einem Tag ist daher (gleichartige) Tateinheit gemäß § 52 Abs. 1 StGB anzunehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2014 – 4 StR 191/14 aaO; vom 30. Juli 2013 – 4 StR 29/13, NStZ 2013, 641, und vom 24. September 2014 – 4 StR 231/14).
Rz. 5
Dementsprechend liegt – neben den Fällen, in denen an einem Tag nur ein Diebstahl begangen wurde (Fälle II.3 [Versuch], 22 [Versuch], 34 [Vollendung], 49 [Vollendung] und 54 [Vollendung] der Urteilsgründe) – in den folgenden Fällen jeweils eine Handlungseinheit vor:
Fälle II.1 und 2 der Urteilsgründe am 12. September 2014;
Fälle II.4 und 5 der Urteilsgründe am 16. September 2014;
Fälle II.6, 7, 8, 9 und 10 der Urteilsgründe am 17. September 2014;
Fälle II.11, 12 und 13 der Urteilsgründe am 20. September 2014;
Fälle II.14, 15, 16 und 17 der Urteilsgründe am 22. September 2014;
Fälle II.18, 19, 20 und 21 der Urteilsgründe am 29. September 2014;
Fälle II.23, 24, 25 und 26 der Urteilsgründe am 6. Oktober 2014;
Fälle II.27, 28, 29, 30 und 31 der Urteilsgründe am 8. Oktober 2014;
Fälle II.32 und 33 der Urteilsgründe am 15. Oktober 2014;
Fälle II.35, 36, 37, 38, 39 und 40 der Urteilsgründe am 4. November 2014;
Fälle II.41, 42, 43 und 44 der Urteilsgründe am 11. November 2014;
Fälle II.45 und 46 der Urteilsgründe am 12. November 2014;
Fälle II.47 und 48 der Urteilsgründe am 26. November 2014;
Fälle II.50 und 51 der Urteilsgründe am 8. Dezember 2014;
Fälle II.52 und 53 der Urteilsgründe am 9. Dezember 2014.
Rz. 6
Dabei blieb es am 20. September, am 12. November und am 9. Dezember 2014 insgesamt beim Versuch.
Rz. 7
c) Der Senat ändert den Schuldspruch unter Verzicht auf eine ausdrückliche Kennzeichnung der gleichartigen Tateinheit entsprechend ab (vgl. BGH, Urteil vom 27. Juni 1996 – 4 StR 166/96, NStZ 1996, 493; Beschluss vom 24. September 2014, aaO). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte sich nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 8
d) Infolge der Schuldspruchänderung entfallen die im Tenor unter Ziffer 1. Buchst. d bezeichneten Einzelstrafen sowie die Gesamtstrafe.
Rz. 9
e) Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird in diesen Fällen neue Einzelstrafen festzusetzen und eine neue Gesamtstrafe zu bilden haben. Bei der Zumessung der Einzelstrafen wird er auch das Verbot der Schlechterstellung gemäß § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu beachten haben; dies bedeutet hier, dass die neu festzusetzenden Einzelstrafen nicht höher als die Summe der Strafen sein dürfen, die im angefochtenen Urteil für sämtliche an einem Tag begangenen Einzeltaten verhängt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. August 2013 – 4 StR 288/13, StraFo 2014, 28, 29).
Rz. 10
2. Gemäß den zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 1. März 2017 hat der Senat die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II.54 der Urteilsgründe auf drei Jahre sowie den Anrechnungsmaßstab für die in Rumänien erlittene Freiheitsentziehung gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB auf 1:1 festgesetzt.
Unterschriften
Sost-Scheible, Cierniak, Franke, Bender, Feilcke
Fundstellen
Haufe-Index 10682317 |
StV 2019, 450 |