Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Entscheidung vom 11.11.2022; Aktenzeichen 1 KLs - 4410 Js 15767/19) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 11. November 2022 im Strafausspruch aufgehoben, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die auf die Sachrüge veranlasste Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand. Das Landgericht hat die Voraussetzungen des Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB nicht geprüft, obwohl nach den Urteilsgründen dazu Anlass bestand.
Rz. 3
a) Das Landgericht hat bei der Strafzumessung ausgeführt, dass sich der Angeklagte im Zeitpunkt der Durchsuchung seiner Wohnung nicht nur geständig zur Sache eingelassen, sondern über seine eigene Tatbeteiligung hinaus den gesamten Lebenssachverhalt aufgeklärt habe. Insbesondere habe er den nicht revidierenden - wegen Raubes verurteilten - Mitangeklagten als Mittäter benannt, welcher zu diesem Zeitpunkt den Ermittlern als möglicher Tatbeteiligter nicht bekannt gewesen sei.
Rz. 4
b) Da dieser Durchsuchungstermin vor der Anklageerhebung und damit vor dem Eröffnungsbeschluss lag, hätte das Landgericht bereits bei der Bestimmung des Strafrahmens erörtern müssen, ob die Aufklärungshilfe des Angeklagten eine im Ermessen des Tatgerichts stehende Strafrahmenverschiebung nach § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB i.V.m. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. k) StPO als vertypten Strafmilderungsgrund ermöglicht (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 9. Juni 2020 - 2 StR 81/20, juris Rn. 4 mwN).
Rz. 5
2. Der Erörterungsmangel führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der aufgezeigte Rechtsfehler auf die Strafzumessung ausgewirkt hat. Die Feststellungen sind hiervon nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 6
Die Sache bedarf insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung. Dies wird dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht zum einen Gelegenheit geben, genauer als bisher die Prüfreihenfolge in den Fällen zu beachten, in denen das Gesetz - wie hier - bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und ein oder mehrere gesetzliche Milderungsgründe nach § 49 Abs. 1 StGB gegeben sind (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 - 2 StR 17/19, juris Rn. 3; BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - 3 StR 516/16, juris Rn. 6, jeweils mwN). Zum anderen wird es zu beachten haben, dass der große zeitliche Abstand zwischen Tat und Aburteilung sowie eine lange Verfahrensdauer und ihre nachteiligen Auswirkungen für den Angeklagten regelmäßig gewichtige Strafmilderungsgründe nach § 46 Abs. 2 StGB darstellen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. März 2022 - 2 StR 541/21, juris Rn. 6 mwN). Insoweit erschließt sich nicht, weshalb dieser Strafmilderungsgrund ausweislich der Urteilsgründe lediglich bei den Mitangeklagten, nicht jedoch bei dem revidierenden Angeklagten berücksichtigt worden ist.
Franke |
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Fundstellen
Dokument-Index HI15712046 |