Verfahrensgang
LG Dortmund (Entscheidung vom 22.09.2022; Aktenzeichen 34 KLs 14/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 22. September 2022 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung von Einzelstrafen aus einem anderen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es die Anordnung einer Sperrfrist für die Erteilung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben, weil die Strafrahmenwahl durchgreifend rechtsfehlerhaft ist.
Rz. 3
a) Das Landgericht hat für sämtliche Fälle die nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen des § 29a Abs. 1 bzw. § 30 Abs. 1 BtMG zugrunde gelegt. Dazu hat es ausgeführt, dass zwar unter Berücksichtigung des vertypten Strafmilderungsgrundes der Aufklärungshilfe jeweils ein minder schwerer Fall in Betracht komme, die gemilderten Regelstrafrahmen gegenüber denjenigen für minder schwere Fälle der § 29a Abs. 2 und § 30 Abs. 2 BtMG aber „offener und zur Findung einer tat- und schuldangemessenen Strafe besser geeignet“ seien.
Rz. 4
b) Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft (vgl. bereits BGH, Beschluss vom 9. November 2022 - 4 StR 272/22 Rn. 12; insoweit nicht abgedruckt in ZfSch 2023, 108). Denn es ist nicht erkennbar, in welcher Hinsicht die Strafrahmen nach § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB „offener“ sein sollten als diejenigen der § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG. Zwar ist der Tatrichter nicht gehalten, in Fällen, in denen mehrere Strafrahmen zur Verfügung stehen, den jeweils für den Angeklagten günstigeren zugrunde zu legen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2019 - 2 StR 512/19, NStZ-RR 2020, 204, 205; Beschluss vom 4. Juni 2015 - 5 StR 201/15, BGHR StGB § 50 Mehrfachmilderung 4). Es ist aber im Rahmen einer Gesamtabwägung zu prüfen und im Urteil darzulegen, welcher Strafrahmen im Einzelfall angemessen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Februar 2014 - 1 StR 10/14, NStZ 2014, 510, 511; Urteil vom 28. Mai 2013 - 3 StR 54/13, StV 2014, 15; Schäfer/Sander/Gemmeren, Praxis der Strafzumessung, 6. Aufl., Rn. 933, 1113 mwN). Daran fehlt es hier.
Rz. 5
c) Dieser Rechtsfehler nötigt zur Aufhebung aller sechs Einzelstrafen. Entgegen der vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 20. Dezember 2022 vertretenen Auffassung kann der Senat nicht ausschließen, dass jedenfalls die Bemessung der in den Fällen II. 3. und 5. der Urteilsgründe verhängten Einzelstrafen von drei Jahren und drei Monaten bzw. drei Jahren und sechs Monaten auf der fehlerhaften Strafrahmenwahl beruht (§ 337 Abs. 1 StPO). Denn es liegt nicht fern, dass die Strafkammer in diesen Fällen auf niedrigere Freiheitsstrafen erkannt hätte, wenn sie statt von dem nach § 31 Satz 1 BtMG i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmen der § 29a Abs. 1, § 30 Abs. 1 BtMG mit einer Obergrenze von elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe von den Strafrahmen der § 29a Abs. 2, § 30 Abs. 2 BtMG mit einer Höchststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe ausgegangen wäre.
Rz. 6
d) Um dem neuen Tatgericht eine einheitliche Strafzumessung zu ermöglichen, hebt der Senat auch die übrigen Einzelstrafen auf. Dies entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die zum Strafausspruch getroffenen Feststellungen sind von diesem Rechtsfehler nicht betroffen und können daher bestehen bleiben.
Rz. 7
2. Im Übrigen hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.
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Fundstellen
Haufe-Index 15671061 |
NStZ-RR 2023, 181 |
StV 2023, 456 |