Tenor
Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 22. Dezember 1998 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 25.484 DM
Gründe
I.
Gegen das ihr am 9. Juli 1998 zugestellte Urteil des Landgerichts legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. August 1998 (Montag) Berufung ein. Auf die ihr am 21. August 1998 zugegangene Mitteilung des Berufungsgerichts, daß die Berufungsschrift dort am 11. August 1998 eingegangen sei, beantragte sie am 4. September 1998, ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu gewähren.
Zur Begründung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs trug sie unter Vorlage eidesstattlicher Versicherungen ihres Prozeßbevollmächtigten B. und dessen persönlicher Sekretärin S. vor:
Sie habe Rechtsanwalt B. am letzten Tag der Berufungsfrist, dem 10. August 1998, gegen 16.30 Uhr telefonisch beauftragt, Berufung einzulegen. Dieser habe sogleich seiner zuverlässigen Sekretärin S., die über den Fristablauf an diesem Tage unterrichtet gewesen sei, den Auftrag erteilt, die Berufungsschrift zu fertigen, und ihr den ihm daraufhin vorgelegten Schriftsatz kurz darauf unterzeichnet zurückgegeben.
Frau S. habe gegen 17.15 Uhr „die gesamte Post erledigt” und der für die Kontrolle zuständigen Büroleiterin G. mitgeteilt, daß „die gesamten Fristen erledigt seien”. Zu diesem Zeitpunkt sei Frau S. irrtümlich davon ausgegangen, die – in Wirklichkeit mit mehreren anderen Schriftstücken zur Post gegebene – Berufungsschrift per Fax übermittelt zu haben.
Die Beklagte ist der Ansicht, mit der Rückgabe der unterzeichneten Berufungsschrift an Frau S. habe ihr Prozeßbevollmächtigter die Sache als erledigt betrachten dürfen. Für ihn habe kein Anlaß bestanden, daran zu zweifeln, daß Frau S. den Schriftsatz noch am selben Tage per Fax übermitteln werde. Selbst für den Fall, daß dies nicht geschehen sollte, habe er davon ausgehen können, rechtzeitig von der Büroleiterin auf die dann noch offene Frist im Fristenbuch hingewiesen zu werden. Frau G. streiche Fristen nämlich erst dann, wenn der Anwalt selbst oder dessen jeweilige Sekretärin ihr mitteile, daß die Fristsache erledigt sei. Außerdem seien die Kanzleikräfte ausdrücklich angewiesen, eine Frist erst streichen zu lassen, wenn der fristgebundene Schriftsatz „mit Sicherheit beim Gericht … eingegangen” sei.
Mit dem angefochtenen Beschluß wies das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag mit der Begründung zurück, die Beklagte müsse sich eine nicht ausreichende Ausgangskontrolle ihres Prozeßbevollmächtigten zurechnen lassen. Es fehle an der erforderlichen Anordnung, die für die Kontrolle des Fristenbuchs zuständige Büroleiterin G. dürfe die Frist nur löschen, wenn sie sich persönlich anhand des Fax-Sendeprotokolls von der ordnungsgemäßen Übermittlung überzeugt habe. Eine bloße Mitteilung einer Sekretärin könne auch dann, wenn diese sich als zuverlässig erwiesen habe, eine solche eigene Prüfung nicht ersetzen.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde, mit der die Beklagte geltend macht, es reiche aus, wenn die Sekretärin angewiesen sei, die ordnungsgemäße Übermittlung fristgebundener Schriftsätze durch Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ehe sie die Streichung der Frist veranlasse. Eine derartige allgemeine Weisung bestehe in der Kanzlei seines Prozeßbevollmächtigten. Eine zusätzliche Kontrolle des Sendeprotokolls durch die Fristenbuchführerin sei dann entbehrlich. Das nicht voraussehbare einmalige Versagen der Sekretärin S. sei der Beklagten nicht zuzurechnen.
II.
Das gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 519b Abs. 2, 547 ZPO zulässige Rechtsmittel ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat die beantragte Wiedereinsetzung im Ergebnis zu Recht wegen eines nicht ausgeräumten, der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Organisationsverschuldens ihres Prozeßbevollmächtigten verweigert.
a) Der Prozeßbevollmächtigte der Beklagten hat seiner Sekretärin keine ausdrückliche Weisung erteilt, in welcher Weise die Berufungsschrift an das Gericht übermittelt werden sollte. Dieser Schriftsatz enthält auch – etwa im Gegensatz zum Wiedereinsetzungsgesuch oder zur Beschwerdeschrift – keinen Vermerk „Vorab per Telefax”, aus dem zu ersehen wäre, daß die den Schriftsatz fertigende Sekretärin sich der Notwendigkeit dieser Art der Übermittlung bewußt gewesen wäre. Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob der Prozeßbevollmächtigte allein deshalb, weil seiner Sekretärin der drohende Fristablauf bekannt war, davon ausgehen durfte, daß sie ihn noch am selben Tage per Telefax oder auf andere Weise an das auswärtige Oberlandesgericht übermitteln werde. Denn selbst im Falle einer ausdrücklichen Einzelweisung wäre Wiedereinsetzung nicht zu gewähren, wenn die versehentliche Nichtausführung dieser Weisung bei einer ordnungsgemäßen Fristenkontrolle noch am Tage des Fristablaufs hätte bemerkt werden können (vgl. Senatsbeschluß vom 12. April 1995 - XII ZB 38/95 - FamRZ 1995, 1135, 1136).
b) Es kann dahinstehen, ob der Ansicht des Berufungsgerichts zu folgen ist, eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle setze stets voraus, daß die für die Führung des Fristenbuchs verantwortliche Angestellte die ordnungsgemäße Übermittlung eines fristgebundenen, per Telefax übermittelten Schriftsatzes stets selbst anhand des Sendeprotokolls überprüfen müsse, oder ob es ausreicht, wenn sie sich im Einzelfall von einer anderen zuverlässigen Kanzleikraft bestätigen läßt, daß diese den Schriftsatz übermittelt hat.
aa) Dem Vorbringen der Beklagten ist zu entnehmen, daß die Büroleiterin G. Fristen nicht nur dann löscht, wenn ihr die Akte mit einem darin befindlichen und die ordnungsgemäße Übermittlung belegenden Sendeprotokoll vorgelegt wird, sondern unbeanstandet stets auch dann, wenn ihr die Sekretärin des sachbearbeitenden Anwalts mitteilt, daß die Fristsache „mit Sicherheit erledigt” sei.
Die eidesstattliche Versicherung der Sekretärin S. legt zudem die Annahme nahe, daß die Büroleiterin G. auch mehrere auf den gleichen Tag notierte Fristen auf einmal zu streichen pflegt, wenn ihr die Sekretärin pauschal mitteilt, die „gesamten Fristen” (des betreffenden Tages) seien erledigt.
bb) Eine solche Übung ist mit den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ausgangskontrolle auch dann nicht zu vereinbaren, wenn eine allgemeine Anweisung besteht, der Büroleiterin G. gegenüber eine Fristsache im Falle der Übermittlung per Telefax nur dann als „mit Sicherheit erledigt” zu bezeichnen, wenn die jeweilige Sekretärin das Sendeprotokoll zuvor hinreichend überprüft hat.
Eine Frist darf nur gestrichen werden, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt ist, also sichergestellt ist, daß ein fristwahrender Schriftsatz rechtzeitig hinausgeht. Bei einer nicht am Sitz des Berufungsgerichts ansässigen Kanzlei genügt es daher nicht, wenn eine am letzten Tag der Frist gefertigte Berufungsschrift postfertig gemacht worden ist, weil weder die Aufgabe zur Post noch der Einwurf beim örtlichen Gericht geeignet wäre, die Frist zu wahren. Vom Ausnahmefall der Beförderung zum auswärtigen Gericht durch Boten abgesehen, ist in einem solchen Fall nur die Übermittlung durch Telefax zur Fristwahrung geeignet. Es ist daher bereits fraglich, ob es den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle genügt, wenn eine Frist zur Einlegung der Berufung bereits auf die bloße Mitteilung hin gelöscht wird, sie sei „mit Sicherheit erledigt”, ohne daß die Fristenbuchführerin sich durch entsprechende Rückfrage vergewissert, daß die in diesem Fall zur Fristwahrung erforderliche besondere Art der Übermittlung tatsächlich gewählt wurde.
Vor allem aber kann eine Ausgangskontrolle ihren Zweck nicht erfüllen, wenn die Fristenbuchführerin die für einen bestimmten Tag notierten (und in einer Kanzlei mit mehreren Anwälten einem von ihnen zuzuordnenden) Fristen insgesamt auf die pauschale Mitteilung der persönlichen Sekretärin dieses Anwalts löscht, die „gesamten Fristen” seien erledigt. Die abendliche Kontrolle des Fristenbuches soll nämlich insbesondere gewährleisten, daß eine versehentlich unerledigt gebliebene Fristsache noch rechtzeitig bemerkt wird. Die Mitteilung der Sekretärin, sämtliche anstehenden Fristsachen dieses Tages erledigt zu haben, ist aber gerade nicht geeignet, ein solches Versehen aufzudecken. Denn nur durch Einzelvergleich der erledigten Fristsachen mit den eingetragenen Fristen läßt sich überprüfen, ob wirklich keine Fristsache übersehen wurde.
Ein solcher Einzelabgleich zwischen den eingetragenen Fristen einerseits und den zu ihrer Wahrung getroffenen Maßnahmen andererseits ist zudem geeignet, den Gefahren zu begegnen, die sich bei nur pauschaler Angabe der Erledigung sämtlicher Fristen aus mangelhafter Erinnerung an die Art und Weise der jeweiligen Erledigung ergeben können. Es ist jedenfalls nicht auszuschließen, daß die Sekretärin S. das Fehlen eines Sendeprotokolls in der Akte bemerkt oder sich daran erinnert hätte, die Berufungschrift lediglich zur übrigen Post gelegt zu haben, wenn sie speziell im Hinblick auf die für die vorliegende Sache notierte Frist zur Einlegung der Berufung hätte bestätigen müssen, alles zur Wahrung dieser Frist Erforderliche getan, hier also die an das auswärtige Gericht zu übermittelnde Berufungsschrift durch Telefax übersandt zu haben.
Unterschriften
Blumenröhr, Krohn, Gerber, Sprick, Weber-Monecke
Fundstellen
Haufe-Index 539538 |
NJW-RR 1999, 1222 |
VersR 2000, 470 |