Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 17.06.2019) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Juni 2019 werden verworfen, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Die Rüge eines Verstoßes gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters durch Behandlung eines Ablehnungsgesuchs des Angeklagten A. wegen Verschleppungsabsicht nach § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO ist jedenfalls unbegründet.
a) Ein Verstoß gegen die Zuständigkeitsregelungen der §§ 26a, 27 StPO führt nämlich nicht stets, sondern nur dann zu einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn die Vorschriften willkürlich angewendet werden, weil der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten wertend beurteilt, sich also gleichsam zum „Richter in eigener Sache” macht, oder die richterliche Entscheidung die Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie verkennt (vgl. BVerfG [Kammer], NJW 2005, 3410, 3412; BGH, Beschluss vom 10. August 2005 – 5 StR 180/05, BGHSt 50, 216, 219 f.; Urteil vom 23. Januar 2019 – 5 StR 143/18). Dagegen liegt bei einer „nur” schlicht fehlerhaften Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften kein Verfassungsverstoß vor (BVerfG, aaO).
b) Der Senat vermag keine willkürliche oder gleichgewichtig grob fehlerhafte Annahme der Voraussetzungen des § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO zu erkennen. Vor dem Hintergrund der von der Strafkammer eingeholten Stellungnahmen, wonach zwei Ärzte den Angeklagten trotz eines grippalen Infekts für verhandlungsfähig hielten, der weiteren Untersuchung in der Mittagspause, die einen klinisch unauffälligen Befund ergab (kein Fieber, kein Husten, von einem angeblichen Durchfall habe der Angeklagte nichts berichtet, die JVA habe den Eindruck gewonnen, der Angeklagte habe lediglich keine Lust auf die Verhandlung), des darauf fußenden Eindrucks der Richter, der Angeklagte A. simuliere in der Hauptverhandlung nur Symptome einer schwereren Erkrankung, des Umstands, dass er mehrere Zeugenvernehmungen durch laute Hustenanfälle gestört und wiederholt mit der Behauptung von Durchfall ihm gewährte Toilettenpausen beantragt sowie Unterbrechungsanträge gestellt hatte, konnte das Gericht vertretbar davon ausgehen, der Befangenheitsantrag solle lediglich der Verzögerung des Verfahrens dienen.
2. Soweit der Beschwerdeführer insoweit (nur) einen Verstoß gegen § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO rügt, ist sein Vortrag unvollständig, da er entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO verschweigt, dass er in diesem Zusammenhang einen weiteren Befangenheitsantrag angebracht hat, zu dem sich die Richter anschließend dienstlich erklärt haben. Der Inhalt dieser dienstlichen Erklärungen wäre aber für die inhaltliche Prüfung des ersten Befangenheitsantrags nach Beschwerdegrundsätzen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 2019 – 5 StR 143/18) von Bedeutung gewesen.
3. Die Verfahrensrüge des Angeklagten K., die Strafkammer habe einen Antrag auf Vernehmung des Zeugen D. zu Unrecht abgelehnt, ist zumindest unbegründet. Auf einem etwaigen Rechtsfehler würde das Urteil jedenfalls nicht beruhen, da das Landgericht die Identifizierung der verwendeten Waffe auf objektive Videolichtbilder gestützt hat, denen gegenüber der subjektive Eindruck eines Zeugen von Bauart und Aussehen einer Schusswaffe (Pistole oder Revolver, grau oder silbern) im Rahmen eines nur kurze Zeit dauernden dynamischen Überfalls an Bedeutung zurücktritt. Ein Informationsdefizit des Angeklagten oder seines Verteidigers durch eine etwa fehlerhafte Ablehnungsbegründung ist vorliegend nicht zu besorgen.
4. Die Aufklärungsrüge betreffend den Waffensachverständigen S. ist unzulässig. Entgegen § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO trägt die Revision nicht vor, welche Bilder konkret dem Sachverständigen zusätzlich hätten vorgelegt werden müssen, um die von der Revision vermisste Aufklärung zu erbringen. Zudem ergibt sich sowohl aus der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden wie aus dem Gutachtenauftrag, dass dem Sachverständigen – entgegen dem Vortrag der Revision – alle Tatvideos vorlagen, er aber eine andere Auswahl an Standbildern getroffen hat als die Strafkammer.
5. Soweit die Darstellung einer DNA-Mischspur an einem Handschuh nicht vollständig den Anforderungen der Rechtsprechung entspricht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Dezember 2019 – 4 StR 496/19, und vom 28. August 2019 – 5 StR 419/19, jeweils mwN), schließt der Senat angesichts der Beweislage im Übrigen aus, dass das Urteil auf dem Rechtsfehler beruht (§ 337 Abs. 1 StPO).
Unterschriften
Cirener, Mosbacher, Köhler, Resch, von Häfen
Fundstellen
Haufe-Index 13888890 |
NStZ-RR 2021, 129 |
NStZ-RR 2021, 166 |
NStZ-RR 2022, 166 |