Normenkette
StGB §§ 52-53, 142 Abs. 1, § 267; StVG § 21 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 12.11.2021; Aktenzeichen 505 KLs 8/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. November 2021 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in drei Fällen, der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, der Urkundenfälschung in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, des unerlaubten Entfernens vom Unfallort sowie der Körperverletzung schuldig ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen; jedoch hat er die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in drei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung, vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort, unerlaubten Entfernens vom Unfallort und wegen „vorsätzlicher“ Körperverletzung unter Einbeziehung einer früheren Verurteilung zu der Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine isolierte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Während die Verfahrensrügen aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durchgreifen, erzielt das Rechtsmittel mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg und ist im Übrigen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die konkurrenzrechtliche Bewertung der Fälle II.5. und II.6. der Urteilsgründe als selbständige Taten (§ 53 StGB) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen führte der Angeklagte im Bewusstsein, nicht im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis zu sein, seinen Pkw im öffentlichen Straßenraum. Vor Fahrtantritt hatte er an seinem Fahrzeug gestohlene Kennzeichen angebracht, um über die Identität des Fahrzeughalters zu täuschen. Auf der Fahrt verursachte der Angeklagte eine Kollision mit einem Lkw, wodurch dieser beschädigt wurde. Er stieg aus seinem Fahrzeug aus und fuhr anschließend, nachdem er den entstandenen Schaden erkannt hatte, davon, ohne Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen. Auf der fortgesetzten Fahrt verursachte er einen weiteren Verkehrsunfall.
Rz. 4
b) Das Landgericht hat die Fahrt des Angeklagten bis zu der ersten Kollision rechtlich als vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit dem Gebrauchmachen von einer unechten zusammengesetzten Urkunde (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG, § 267 Abs. 1 Var. 3, § 52 StGB) gewertet (Fall II.5. der Urteilsgründe) und in der Fortsetzung der Fahrt bis zu dem zweiten Unfall eine weitere Tat des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in Tateinheit mit Urkundenfälschung und mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gesehen (Fall II.6. der Urteilsgründe). Hierbei hat das Landgericht indes übersehen, dass auch der mehrfache selbständige Gebrauch einer unechten Urkunde mit dem Herstellen der unechten Urkunde eine tatbestandliche Handlungseinheit und damit eine mate-riell-rechtliche Tat bildet, wenn der mehrfache Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht. Dieser Gesamtvorsatz ist naheliegend gegeben, wenn der Täter ‒ wie hier ‒ die für ein anderes Fahrzeug ausgegebenen amtlichen Kennzeichen an einem Fahrzeug anbringt, um dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen (vgl. zum Ganzen BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2018 ‒ 4 StR 149/18, NZV 2019, 37 Rn. 4 mwN).
Rz. 5
Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch tatsächliche Feststellungen getroffen werden können, die in den Fällen II.5. und II.6. der Urteilsgründe eine Verurteilung wegen selbständiger Taten tragen könnten. Er ändert den Schuldspruch daher in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der insoweit geständige Angeklagte gegen den geänderten Schuldvorwurf nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 6
c) Die Änderung des Schuldspruchs lässt den Strafausspruch unberührt. Die geänderte konkurrenzrechtliche Bewertung der Straftaten berührt deren Unrechts- und Schuldgehalt nicht und ändert nichts an dem vom Landgericht festgestellten Erziehungsbedarf (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 2020 ‒ 3 StR 558/19, juris Rn. 15).
Rz. 7
2. Weitere Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten hat die auf die Sachrüge gebotene Nachprüfung des Urteils nicht ergeben.
Quentin |
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Bartel |
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Rommel |
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Maatsch |
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Messing |
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Fundstellen
Haufe-Index 15287467 |
DAR 2022, 663 |
VRS 2022, 223 |