Verfahrensgang
LG Duisburg (Urteil vom 11.10.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 11. Oktober 2017, soweit es ihn betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum Tatgeschehen aufrechterhalten.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen unter Einbeziehung einer Strafe aus einem früheren Urteil und Aufrechterhaltung der darin angeordneten isolierten Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt. Das auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
Rz. 2
1. Nach den Feststellungen bestellte der Angeklagte bei einem Betäubungsmittelhändler in den Niederlanden insgesamt 520 Gramm Marihuana, das in zwei Paketen – eines mit 450 Gramm und eines mit 70 Gramm – geliefert werden sollte. Absprachegemäß holte der Mitangeklagte das Rauschgift in den Niederlanden ab und verbrachte es nach Deutschland, wo der Angeklagte sogleich 450 Gramm Marihuana gewinnbringend verkaufte (Fall II. 1. d) aa) der Urteilsgründe). Was mit den restlichen 70 Gramm geschah, teilt das Urteil nicht mit.
Rz. 3
Noch am selben Tag nahm der Angeklagte erneut Kontakt zu dem Betäubungsmittelhändler auf und erbat nun eine Lieferung von 500 Gramm Marihuana, aufgeteilt in zwei Pakete zu 450 Gramm und 50 Gramm. Auch hiervon setzte er, sobald der Mitangeklagte das Rauschmittel wiederum über die Grenze gebracht hatte, mindestens 450 Gramm gewinnbringend ab (Fall II. 1. d) bb) der Urteilsgründe). Zum Verbleib der restlichen 50 Gramm verhält sich das Urteil nicht. Im Rahmen der rechtlichen Würdigung teilt das Landgericht lediglich mit, es hätten sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die beiden zu unterschiedlichen Zeiten gekauften Betäubungsmittelmengen – sei es auch nur teilweise – zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint worden seien. Ein vorübergehender gleichzeitiger Besitz der restlichen 70 Gramm aus der ersten Lieferung mit dem Betäubungsmittel aus der zweiten Lieferung sei dagegen nicht ausschließbar.
Rz. 4
Das Landgericht hat das Verhalten des Angeklagten in beiden Fällen zutreffend als Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Dabei hat es zwei im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehende Taten angenommen, da eine Bewertungseinheit nicht gegeben sei.
Rz. 5
2. Diese Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses der beiden Betäubungsmitteltaten zueinander hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 6
a) Im Ansatz zutreffend geht das Landgericht von zwei Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aus. Denn eine Bewertungseinheit ist nicht gegeben. Zwar werden sämtliche Betätigungen, die sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen, vom gesetzlichen Tatbestand in dem pauschalierenden, verschiedenartige Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens zu einer Bewertungseinheit und damit zu einer Tat des Handeltreibens verbunden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712). Dabei ist jedoch entscheidend, dass sich die Bemühungen des Täters auf dieselbe Rauschgiftmenge beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 1997 – 3 StR 586/96, NStZ 1997, 344). Dies ist hier nicht der Fall, weil die Betäubungsmittel weder aus einem einheitlichen Erwerbsvorgang stammen (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2008 – 2 StR 619/07, NStZ 2008, 470) noch zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat vereint wurden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2012 – 5 StR 445/11, NStZ-RR 2012, 121, 122; vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5). Auch der bloße gleichzeitige Besitz zweier aus verschiedenen Liefervorgängen stammender Handelsmengen vermag, wie das Landgericht richtig gesehen hat, zwei selbstständige Fälle des Handeltreibens nicht zu einer Bewertungseinheit im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 jew. mwN).
Rz. 7
b) Doch hat das Landgericht bei der Annahme von Tatmehrheit nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln – unabhängig vom Vorliegen einer Bewertungseinheit – zueinander dann in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, juris Rn. 23 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen]; vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 8; Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, juris Rn. 29 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen]) – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die Ausübung der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die andere darstellt (BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 7 mwN; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 43; Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 628 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 4 StR 315/98, NStZ-RR 1999, 119, 120).
Rz. 8
Das Landgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen. Es hat indes einen gleichzeitigen Besitz des Angeklagten an den nach Verkauf der 450 Gramm verbliebenen 70 Gramm Marihuana aus der ersten Lieferung und der mit der zweiten Lieferung erhaltenen Betäubungsmittelmenge nicht ausschließen können. Die Urteilsgründe verhalten sich nicht dazu, ob der Angeklagte die mit der zweiten Lieferung erhaltenen Rauschmittel gegebenenfalls ganz oder teilweise in einem engen und unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem Rest von 70 Gramm Marihuana aus der ersten Lieferung aufbewahrte, so dass er die beiden Rauschmittelmengen aus den getrennten Erwerbsgeschäften nicht lediglich unabhängig voneinander gleichzeitig besessen, sondern gemeinsam über beide Betäubungsmittelmengen die Verfügungsgewalt ausgeübt hätte. Der Senat kann deshalb nicht überprüfen, ob das Landgericht das Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Taten rechtsfehlerfrei als tatmehrheitlich bewertet oder der Angeklagte sich wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht hat.
Rz. 9
3. Die Sache bedarf hierzu neuer Verhandlung und Entscheidung. Die für sich rechtsfehlerfrei getroffenen bisherigen Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen können bestehen bleiben. Das neu zur Entscheidung berufene Gericht wird lediglich ergänzende Feststellungen, die für die Bewertung des Konkurrenzverhältnisses von Bedeutung sind, zu treffen haben, die allerdings zu den aufrechterhaltenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen dürfen.
Unterschriften
Becker, Gericke, Spaniol, Berg, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 12042891 |
NStZ 2019, 7 |
NStZ-RR 2018, 6 |
StV 2019, 329 |