Verfahrensgang
LG Koblenz (Urteil vom 06.12.2017) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 6. Dezember 2017
- im Schuld- und Strafausspruch dahin geändert, dass der Angeklagte wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt wird;
- mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unterblieben ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt und Einziehungsentscheidungen getroffen. Von einer Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt hat es abgesehen. Das auf die Sachrüge gestützte Rechtsmittel des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Die Bewertung des konkurrenzrechtlichen Verhältnisses der beiden Betäubungsmitteltaten zueinander hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen betrieb der Angeklagte in der von ihm bewohnten Hälfte eines Doppelhauses seit Herbst 2015 eine Cannabisplantage. Bei der Durchsuchung am 26. Juni 2017 wurden in einem Zimmer im Obergeschoss und in zwei Zimmern des Dachgeschosses im Frühjahr desselben Jahres gesetzte und noch nicht abgeerntete Pflanzen in verschiedenen Wachstumsstadien mit einem Gesamtgewicht von 4,6 Kilogramm und einem Wirkstoffgehalt vom 189 Gramm THC gefunden. In einem der Dachgeschosszimmer lag zudem griffbereit in einem offenen Regal hinter einem Vorhang ein „Kampf-Survival-Messer” mit einer Klingenlänge von zehn Zentimetern, das zum Einsatz gegen Menschen bestimmt war (Tat II. Fall 1 der Urteilsgründe). Außerdem wurden im Kühlschrank der Küche im ersten Obergeschoss eingeschweißt zwei Kilogramm gemahlenes Cannabispflanzenmaterial mit einem Wirkstoffgehalt von 146 Gramm THC und 40 Gramm getrocknete Marihuanablüten mit 3,3 Gramm THC sichergestellt, die als Reste aus einer früheren Ernte übriggeblieben waren (Tat II. Fall 2 der Urteilsgründe). Die aufgefundenen Rauschmittel waren – abgesehen von geringen Eigenkonsummengen – jeweils zum Verkauf bestimmt.
Rz. 4
Das Landgericht, das einen Zusammenhang zwischen der vormaligen Ernte und dem Besitz des Messers nicht zu erkennen vermocht hat, hat lediglich die Tat II. Fall 1 der Urteilsgründe als bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, die Tat II. Fall 2 der Urteilsgründe dagegen als bloßes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gewertet. Dabei hat es – ohne dies näher zu begründen – zwei im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander stehende Taten angenommen.
Rz. 5
b) Zwar geht das Landgericht im Ansatz zutreffend von zwei Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus. Denn gesonderte Anbauvorgänge, die auf gewinnbringende Veräußerung der dadurch erzeugten Betäubungsmittel abzielen, sind grundsätzlich als für sich selbständige Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu bewerten (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5; Urteil vom 20. Dezember 2012 – 3 StR 407/12, NStZ 2013, 546, 548 jew. mwN). Dass der Angeklagte die Handelsmengen aus beiden Anbauvorgängen gleichzeitig in Besitz hatte, begründet insbesondere keine Bewertungseinheit. Eine solche Bewertungseinheit, bei der eine Mehrzahl auf den Vertrieb von Betäubungsmitteln gerichteter Tätigkeiten tatbestandlich zu einer Tat im Rechtssinne zusammengefasst werden (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, juris Rn. 18 f. mwN [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen]; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 40), liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn die verschiedenen Betätigungen, die jeweils von dem pauschalierenden, verschiedene Tätigkeiten umfassenden Begriff des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln umfasst werden, sich im Rahmen ein und desselben Güterumsatzes auf den Vertrieb einer einheitlichen Rauschgiftmenge beziehen (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 mwN). Da das bei jedem Erntevorgang gewonnene Marihuana jeweils eine eigene Handelsmenge darstellt, scheidet eine Bewertungseinheit schon deshalb aus, weil die den Vertrieb fördernden Tätigkeiten hinsichtlich der Einzelmengen jeweils nicht denselben Güterumsatz betreffen. Auch der bloße gleichzeitige Besitz zweier Handelsmengen vermag mehrere selbständige Fälle des Handeltreibens nicht zu einer Bewertungseinheit im Sinne einer tatbestandlichen Handlungseinheit zu verbinden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 7; Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 jew. mwN). Anders ist es nur dann, wenn die beiden Handelsmengen – sei es auch nur teilweise – zu einem einheitlichen Verkaufsvorrat zusammengeführt werden.
Rz. 6
Doch hat das Landgericht bei der Annahme von Tatmehrheit nicht bedacht, dass mehrere Taten des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln aus anderen Gründen zueinander in Tateinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 StGB stehen, wenn ihre tatbestandlichen Ausführungshandlungen sich – teilweise – überschneiden (BGH, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 3 StR 487/16, NStZ 2017, 711, 712 mwN; vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, juris Rn. 23 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen]; vom 28. Juni 2011 – 3 StR 485/10, juris Rn. 5). Da das Vorhalten einer Handelsmenge zum Vertrieb als Teilakt des Handeltreibens anzusehen ist, vermag der gleichzeitige Besitz zweier für den Verkauf bestimmter Vorräte jedenfalls dann Tateinheit in diesem Sinne zu begründen, wenn die Art und Weise der Besitzausübung über eine bloße Gleichzeitigkeit hinausgeht und die Wertung rechtfertigt, dass – etwa wegen eines räumlichen und zeitlichen Zusammenhangs (vgl. auch BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 8; Beschluss vom 10. Juli 2017 – GSSt 4/17, juris Rn. 29 [zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen]) – die tatsächliche Ausübung des Besitzes über die eine Menge zugleich die tatsächliche Verfügungsgewalt über die andere darstellt (BGH, Urteil vom 2. April 2015 – 3 StR 642/14, juris Rn. 7 mwN; LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., Vor §§ 52 ff. Rn. 43; Weber, BtMG, 5. Aufl., Vor §§ 29 ff. Rn. 628 ff.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13. Oktober 1998 – 4 StR 315/98, NStZ-RR 1999, 119, 120).
Rz. 7
Nach den Feststellungen besaß der Angeklagte die beiden zum Handel bestimmten Mengen nicht lediglich gleichzeitig. Vielmehr verfügte er über beide Betäubungsmittelmengen gemeinsam. Beide entstammten dem fortlaufenden Betrieb einer Marihuanaplantage und befanden sich in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang, da sich jedenfalls ein Anbauraum, in dem die weitere Ernte heranwuchs, auf dem gleichen Geschoss des Doppelhauses wie die Küche befand, in der die Reste aus der vorangegangenen Ernte gelagert wurden. Mithin hat der Angeklagte sich wegen – in einem Fall bewaffneten – Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht.
Rz. 8
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der Angeklagte bei zutreffender konkurrenzrechtlicher Bewertung des Tatgeschehens nicht wirksamer hätte verteidigen können.
Rz. 9
2. Die Schuldspruchänderung hat zur Folge, dass die festgesetzten Einzelstrafen in Höhe von fünf Jahren und sechs Monaten sowie drei Jahren und sechs Monaten entfallen. Doch kann die Gesamtstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten als Einzelstrafe bestehen bleiben (§ 354 Abs. 1 StPO analog), weil der Unrechts- und Schuldgehalt der Tat durch die abweichende konkurrenzrechtliche Bewertung hier nicht berührt wird.
Rz. 10
3. Dagegen kann die Nichtanordnung der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt keinen Bestand haben. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Zuschrift insoweit Folgendes ausgeführt:
„Die gegebene Begründung (UA S. 26 – 28) ist hinsichtlich der Verneinung eines Hangs widersprüchlich [nachfolgend a)] und hinsichtlich der Ablehnung der Voraussetzungen des § 64 S. 2 StGB lückenhaft [nachfolgend b)].
Ein ‚Hang’ i. S. d. § 64 S. 1 StGB liegt nicht nur im Falle einer chronischen, auf körperlicher Sucht beruhenden Abhängigkeit vor; vielmehr genügt bereits eine eingewurzelte, auf psychischer Disposition beruhende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Rauschmittel im Übermaß zu sich zu nehmen, wobei noch keine physische Abhängigkeit bestehen muss (BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 5; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 – 3 StR 243/16).
Das Landgericht hat festgestellt, dass der Angeklagte – von einer zwischenzeitlichen Abstinenzphase abgesehen – seit seiner Jugend Cannabis zu sich nimmt, täglich je nach der Menge zusätzlich genossenen Alkohols zwischen 0,5 und 1,5 Gramm konsumiert (UA S. 4, 6) und diesen Eigenbedarf den Ernten seiner Cannabis-Indoorplantage entnimmt. Dennoch hat die Strafkammer einen Hang im vorbeschriebenen Sinne mangels Anzeichen für eine soziale Gefährdung und aufgrund der gezeigten Arbeits- und Leistungsfähigkeit – ‚insbesondere’ beim Betrieb der Plantage – verneint (UA S. 27). Andererseits hat das Landgericht jedoch im Anschluss an die Einschätzung der hinzugezogenen Sachverständigen zur Begründung des Fehlens einer Erfolgsaussicht i. S. d. § 64 S. 2 StGB ausgeführt, ‚dass es aufgrund der festzustellenden verharmlosenden inneren Einstellung des Angeklagten zu Cannabis und des (wohl) über Jahrzehnte hinweg erfolgten Missbrauchs zu einer Verinnerlichung der Neigung zum Konsum gekommen ist’ (UA S. 28). Das ist widersprüchlich. Denn der Sache nach ist die Strafkammer damit – im Gegensatz zu den Ausführungen von UA S. 27 – doch von einem Hang im Sinne einer eingewurzelten, durch Übung erworbenen intensiven Neigung zum Rauschmittelkonsum ausgegangen.
- Die Verneinung hinreichend konkreter Erfolgsaussicht i. S. d. § 64 S. 2 StGB ist nicht ausreichend dargelegt. Die vorzitierte Begründung [siehe vorstehend a)] belegt lediglich einen Hang i. S. d. § 64 S. 1 StGB, was gerade Voraussetzung für die Maßregelanordnung ist. Ausführungen dazu, ob der Angeklagte therapiebereit ist, fehlen. Auch die weitere Begründung, ‚dass der Angeklagte den Umgang mit Cannabis zu seiner Profession erhoben hat’ (UA S. 28), vermag ohne weitere Erläuterung mangelnde Erfolgsaussicht nicht zu begründen. Insbesondere lässt sich daraus allein nicht schließen, dass aufgrund einer verfestigten Einstellung des Angeklagten im Maßregelvollzug eine etwaig fehlende Therapiebereitschaft nicht geweckt werden kann (vgl. dazu BGH StraFo 2011, 323, 324).”
Rz. 11
Dem schließt sich der Senat an. Über eine mögliche Anordnung der Maßregel wird deshalb neu zu verhandeln und zu entscheiden sein.
Unterschriften
Becker, Gericke, Spaniol, Berg, Hoch
Fundstellen
Haufe-Index 12066932 |
StV 2019, 329 |
StraFo 2019, 122 |