Verfahrensgang
Tenor
Das Ablehnungsgesuch des Klägers gegen den Richter am Bundesgerichtshof R. wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Kläger wendet sich im Wege der Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Bundesgerichtshofs vom 21. August 2023 (NotZ(Brfg) 4/22). Der Senat hat mit Beschluss vom 13. November 2023, mit dem gleichzeitig die gegen das Urteil ebenfalls erhobene Anhörungsrüge zurückgewiesen worden ist, auf die fehlende Statthaftigkeit der Nichtigkeitsklage hingewiesen (NotZ 1/23, juris Rn. 8 f.; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 8. November 2023 - 2 BvR 1079/20, juris Rn. 63). Dagegen hat sich der Kläger in der ihm eingeräumten Frist zur Stellungnahme nicht gewendet.
Rz. 2
Bevor die vom Senat über die Nichtigkeitsklage bereits getroffene Entscheidung durch Zustellung an eine Partei erlassen werden konnte, hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 7. und 12. Februar 2024 (erstmals) vorgetragen, das gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BNotO im Hauptsacheverfahren erstattete Gutachten der Bundesnotarkammer sei unrichtig; der Beklagte habe das klageabweisende Urteil erschlichen. Die Nichtigkeitsklage sei deshalb zulässig und begründet. Dieses Vorbringen hat er in der Folge ergänzt und weiter ausgeführt, es bestehe der Tatverdacht der falschen uneidlichen Aussage gemäß § 153 StGB durch den Präsidenten der Bundesnotarkammer sowie der Beihilfe und Teilnahme an diesem Delikt durch weitere benannte Personen.
Rz. 3
Mit Schreiben vom 13. Februar 2024 hat der Vorsitzende darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Klägers keinen Bezug zu den bisher geltend gemachten Nichtigkeitsgründen haben dürfte und er daher beabsichtige, den bereits getroffenen Senatsbeschluss herauszugeben sowie die Schriftsätze vom 7. und 12. Februar als (neue) Restitutionsklage zu behandeln. Er hat ferner Abschriften der Schriftsätze auch an den Beklagten und die Bundesnotarkammer mit der Gelegenheit zur Stellungnahme zu deren Inhalt übersandt.
Rz. 4
Mit Schriftsatz vom 6. März 2024 hat der Kläger den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Dr. He abgelehnt, weil er in den vergangenen Jahren und so auch am 16. September 2023 ein Referat zur Entwicklung des notariellen Berufsrechts auf der Jahresarbeitstagung des Notariats, veranstaltet vom Deutschen Anwaltsinstitut e.V., einer gemeinnützigen Einrichtung von Bundesrechtsanwaltskammer, Bundesnotarkammer, Rechtsanwaltskammern und Notarkammern, unter Erhalt eines üblichen Entgelts gehalten habe. Mit Schriftsatz vom 11. März 2024 hat der Kläger sodann den Notarbeisitzer Dr. Ha abgelehnt.
Rz. 5
Nach Eingang der Stellungnahmen des Beklagten und der Bundesnotarkammer hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 13., 18. und 20. März 2024 weiter vorgetragen und den stellvertretenden Vorsitzenden, Richter am Bundesgerichtshof R, unter anderem um Auskunft gebeten, ob er ebenfalls gegen Entgelt auf der Jahresarbeitstagung des Notariats referiert habe. Der Vorsitzende und Notar Dr. Ha sowie auch Richter am Bundesgerichtshof R - letzterer zu der Auskunftsbitte des Notars - haben dienstliche Stellungnahmen abgegeben, die jeweils auch der Bundesnotarkammer übersandt worden sind.
Rz. 6
Mit Schriftsatz vom 25. März 2024 hat der Kläger auch Richter am Bundesgerichtshof R abgelehnt. Mit Schriftsätzen vom 5., 8., 21. und 29. April, 2. und 6. Mai 2024 hat er weiter vorgetragen.
II.
Rz. 7
1. Der Senat entscheidet in der gemäß § 111b Abs. 1 BNotO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 45 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den Mitwirkungsgrundsätzen des Senats für Notarsachen für das Jahr 2024 III Nr. 3 in Verbindung mit Nr. 1e sowie II Satz 1 und 2 zuständigen Besetzung über das Ablehnungsgesuch gegen Richter am Bundesgerichtshof R (vgl. auch Vollkommer in Zöller, ZPO, 35. Aufl., § 45 Rn. 3 mwN). Über dieses ist zuerst zu entscheiden (BGH, Beschluss vom 28. Februar 2022 - AnwZ(Brfg) 28/20, juris Rn. 19 mwN).
Rz. 8
2. Das Ablehnungsgesuch gegen Richter am Bundesgerichtshof R ist jedenfalls nicht begründet. Weder die Vortragstätigkeit für das Deutsche Anwaltsinstitut e.V. im Jahr 2022 noch die Übersendung der dienstlichen Äußerung auch an die Bundesnotarkammer rechtfertigt die Besorgnis seiner Befangenheit nach § 111b Abs. 1 BNotO, § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 ZPO.
Rz. 9
a) Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung eines Richters wegen der Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Richters zu rechtfertigen. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich, da die Vorschriften über die Befangenheit von Richtern bezwecken, bereits den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit und Objektivität zu vermeiden (st. Rspr., BGH, Beschlüsse vom 28. Februar 2022 - AnwZ(Brfg) 28/20, juris Rn. 27 mwN; vom 1. Juli 2022 - II ZR 97/21, NJW-RR 2022, 1222 Rn. 9 mwN). Maßgeblich ist, ob aus Sicht einer Partei bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln. Dabei kommen nur objektive Gründe in Betracht, die aus Sicht einer verständigen Prozesspartei berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Richters aufkommen lassen. Solche Zweifel können sich aus einer besonderen Beziehung des Richters zum Gegenstand des Rechtsstreits oder zu den Parteien ergeben. Maßgeblich sind die besonderen Umstände des Einzelfalls, die in ihrer Gesamtheit zu würdigen sind (BGH, Beschluss vom 1. Juli 2022 - II ZR 97/21, NJW-RR 2022, 1222 Rn. 9 mwN).
Rz. 10
b) Nach diesen Maßgaben gibt der Sachverhalt keinen Anlass zu Zweifeln an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters. Eine - weitere - dienstliche Äußerung war entbehrlich (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - AnwZ(Brfg) 61/15, AnwZ(B) 2/16, NJW-RR 2017, 189 Rn. 14 mwN).
Rz. 11
aa) Der Umstand, dass Richter am Bundesgerichtshof R am 10. September 2022 auf der 20. Jahresarbeitstagung des Notariats einen in üblicher Höhe honorierten Vortrag zum Thema "Entwicklung des notariellen Berufsrechts" gehalten hat, ist schon im Ansatz nicht geeignet, den bösen Schein einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu begründen. Bei dem auf der vom Deutschen Anwaltsinstitut e.V. veranstalteten Tagung gehaltenen Vortrag handelt es sich um einen Bericht über die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wobei solche in üblicher Höhe honorierten Vorträge auf allen Berufsträgern zugänglichen Tagungen dem Fortbildungsinteresse und wissenschaftlichen Austausch aller Berufsträger dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Juli 2022 - II ZR 97/21, NJW-RR 2022, 1222 Rn. 10 ff.). Ein Zusammenhang der Vortragstätigkeit für das Deutsche Anwaltsinstitut e.V., an dem die Bundesnotarkammer zusammen mit zahlreichen weiteren Körperschaften öffentlichen Rechts (lediglich) beteiligt ist, mit der Tätigkeit der Bundesnotarkammer ist zudem schon nicht ersichtlich.
Rz. 12
bb) Die Übersendung der dienstlichen Äußerung im Zwischenverfahren über die Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. He und des Notars Dr. Ha auch an die Bundesnotarkammer ist aus Sicht einer verständigen Partei ebenfalls nicht geeignet, den Anschein einer Voreingenommenheit zu begründen. Die Bundesnotarkammer ist gemäß § 77 Abs. 1 BNotO eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die im Verfahren NotZ(Brfg) 4/22 in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben gemäß § 78 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 BNotO ein Gutachten erstattet hat. Der Kläger hat gegen die Bundesnotarkammer schwere Vorwürfe erhoben, ihr eine vorsätzlich falsche Gutachtenerstattung und ihrem Präsidenten sowie weiteren Personen eine falsche uneidliche Aussage vorgeworfen. Es lag daher auf der Hand, dass die Bundesnotarkammer, schon aus Gründen des rechtlichen Gehörs, davon Kenntnis erhalten werde und eine Beiladung gemäß § 65 VwGO in Betracht kommen könne (vgl. Bier/Steinbeiß-Winkelmann in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 65 VwGO Rn. 13 ff.; Porz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl., § 65 VwGO Rn. 5 ff.; Czybulka/Kluckert in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl., § 65 Rn. 60, 78 ff.). Nachdem der Vorsitzende dementsprechend der Bundesnotarkammer vom Vortrag des Klägers Kenntnis und vorsorglich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte, lag es nahe, der Bundesnotarkammer, mit deren Tätigkeit sich der Kläger auch in seinen weiteren Schriftsätzen befasst, vom weiteren Fortgang des Verfahrens, mithin auch des Zwischenverfahrens vorsorglich Kenntnis zu geben. Bei vernünftiger Würdigung aller Umstände kann daraus aus der Sicht einer objektiven Partei schon nicht auf eine irgendwie geartete Voreingenommenheit oder fehlende Unparteilichkeit geschlossen werden. Selbst wenn diese Maßnahme - wie nicht - verfahrensfehlerhaft gewesen wäre, rechtfertigte sie im Übrigen nicht die Annahme einer Voreingenommenheit gegenüber dem Kläger und seinem Rechtsschutzbegehren (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2021 - AnwZ(Brfg) 3/21, juris Rn. 33).
Roloff Klein Böttcher
Müller-Eising Bord
Fundstellen
Dokument-Index HI16668686 |