Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenentscheidung bei verspäteter Klageerhebung. Entscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Wird die Hauptsacheklage nach Ablauf der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, jedoch vor einer Entscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO erhoben, kommt eine Entscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht.
Normenkette
ZPO § 494a
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu 1) gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des KG vom 10.11.2006 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert: 1.614,72 EUR
Gründe
I.
[1] Nach Abschluss eines selbständigen Beweisverfahrens, das die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) betrieb, ordnete das LG auf Antrag der Antragsgegnerin zu 1) am 5.1.2006 an, dass die Antragstellerin bis zum 30.4.2006 (eingehend bei Gericht) Klage in der Hauptsache zu erheben habe.
[2] Die Antragstellerin reichte am 28.4.2006 die Klage ein. Die Zustellung erfolgte erst, nachdem die Antragstellerin am 19.6.2006 den Gerichtskostenvorschuss eingezahlt hatte.
[3] Bereits mit Schriftsatz vom 30.5.2006 hatte die Antragsgegnerin zu 1) beantragt, der Antragstellerin die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen.
[4] Das LG hat den Antrag am 21.9.2006 wegen der inzwischen rechtshängig gewordenen Hauptsache zurückgewiesen.
[5] Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin zu 1) hatte keinen Erfolg. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.
II.
[6] Die gem. §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
[7] 1. Das Beschwerdegericht ist der Ansicht, das LG habe zu Recht eine Kostenentscheidung gem. § 494a Abs. 2 ZPO abgelehnt, weil zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag das Hauptsacheverfahren rechtshängig gewesen sei. Werde die Hauptsacheklage zwar nicht innerhalb der gem. § 494a Abs. 1 ZPO gesetzten Frist, jedoch vor der Entscheidung über den Antrag nach § 494a Abs. 2 ZPO erhoben, komme eine Entscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO nicht mehr in Betracht. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck des § 494a Abs. 2 ZPO, der dem Antragsgegner eine Handhabe geben solle, einen Vollstreckungstitel für die eigenen Kosten des selbständigen Beweisverfahrens zu erlangen. Eine Kostenentscheidung unabhängig von der materiellen Rechtslage sei nicht mehr gerechtfertigt, wenn der Antragsteller diese in der Hauptsacheklage klären lasse. Der Wortlaut des § 494a Abs. 2 ZPO stehe dieser Auslegung nicht entgegen. Denn die Bestimmung "Kommt der Antragsteller dieser Anordnung nicht nach ..." könne sich sprachlich sowohl allein auf die "Anordnung" als auch auf die Anordnung fristgemäßen Handelns beziehen.
[8] 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin zu 1) im Ergebnis ohne Erfolg.
[9] a) Die gem. § 494a Abs. 2 ZPO gesetzte Frist war allerdings versäumt. Die Klage ist nicht mit der bloßen Einreichung der Klageschrift bei Gericht, sondern gem. §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO mit ihrer Zustellung erhoben. Zwar ist auch hier die Regelung in § 167 ZPO anwendbar (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 494a Rz. 4); die Zustellung der Klage ist jedoch nicht "demnächst" erfolgt, da die Antragstellerin mehrere Wochen lang mit der Einzahlung des Gerichtskostenvorschusses zögerte.
[10] b) Das Beschwerdegericht führt jedoch zu Recht aus, dass für eine Kostenentscheidung nach § 494a Abs. 2 ZPO kein Raum mehr ist, wenn zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zwischen den Parteien die Hauptsacheklage rechtshängig ist. Es folgt insofern der überwiegend in der Rechtsprechung der OLG (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.5.2001 - 22 W 19/01, OLGReport Düsseldorf 2001, 396 = BauR 2001, 1292; vom 21.7.1997 - 21 W 25/97, NJW-RR 1998, 359; OLG Saarbrücken, Beschl. v. 27.10.1999 - 4 W 316/99-45, OLGReport Saarbrücken 2000, 76 = OLGR 2000, 76, jeweils m.w.N.; a.A. OLG Frankfurt, Beschl. v. 4.1.2001 - 24 W 55/00, MDR 2001, 716 = OLGReport Frankfurt 2001, 73 = NJW-RR 2001, 862) und der Literatur (Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 494a Rz. 4a; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 28. Aufl., § 494a Rz. 5; MünchKomm/ZPO-Schreiber, § 494a Rz. 4; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 22. Aufl., § 494a Rz. 29) vertretenen Ansicht.
[11] Der Senat hält diese Ansicht für zutreffend. § 494a ZPO sieht einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch vor, um eine Lücke zu schließen, die sich ergeben kann, weil eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren im Regelfall nicht vorgesehen ist (vgl. für das frühere Beweissicherungsverfahren BT-Drucks. 11/8283, 47 f.). Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens sind Kosten des Hauptsacheverfahrens, über die grundsätzlich in diesem entschieden wird (BGH, Beschl. v. 24.6.2004 - VII ZB 11/03, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1528 = BauR 2004, 1485 = ZfBR 2004, 785 = NZBau 2004, 507; v. 24.6.2004 - VII ZB 34/03, MDR 2004, 1372 = BGHReport 2004, 1529 = BauR 2004, 1487 = ZfBR 2004, 788 = NZBau 2005, 44; v. 22.7.2004 - VII ZB 9/03, MDR 2005, 87 = BGHReport 2004, 1521 = BauR 2004, 1809 = ZfBR 2005, 53 = NZBau 2004, 674). Kommt es nicht zu einer Hauptsacheentscheidung, weil der Antragsteller nach Durchführung der Beweisaufnahme von der Einleitung des Hauptprozesses absieht, soll der Antragsgegner kostenrechtlich durch § 494a ZPO so gestellt werden, als habe er obsiegt.
[12] Maßgebend für die isolierte Entscheidung über die Kosten ist daher nicht in erster Linie die für die Erhebung der Klage gesetzte Frist, sondern das Unterlassen der Klageerhebung. Eine an die bloße Fristversäumung geknüpfte Erstattungspflicht ohne Berücksichtigung der materiellen Rechtslage ist nicht mehr gerechtfertigt, wenn das Hauptsacheverfahren rechtshängig ist und dort über die Kosten unter Berücksichtigung des materiellen Rechts entschieden wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Zustellung einer nicht fristgerecht erhobenen Klage noch "demnächst" i.S.d. § 167 ZPO erfolgt. Vorrangig ist in jedem Fall die in Anwendung materiellen Rechts ergehende Kostenentscheidung. Ein anderes Verständnis von § 494a Abs. 2 ZPO führte dazu, dass der Richter, der über die Hauptsache zu entscheiden hat, auch entgegen der materiellen Rechtslage an eine im selbständigen Beweisverfahren ergangene Entscheidung gebunden wäre, die an die bloße Fristüberschreitung anknüpft.
Fundstellen
Haufe-Index 1777622 |
NJW 2007, 3357 |
BGHR 2007, 1048 |
BauR 2007, 1606 |
EBE/BGH 2007 |
IBR 2007, 532 |
JurBüro 2007, 604 |
ZAP 2007, 1020 |
MDR 2007, 1089 |
AGS 2007, 586 |
NZBau 2007, 642 |
RVGreport 2007, 440 |