Tenor
Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 26. November 2015 wird verworfen.
Der Verurteilte hat die Kosten seines Rechtsbehelfs zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Der Senat hat mit Beschluss vom 26. November 2015 auf die Revision des Verurteilten das Urteil des Landgerichts Koblenz, soweit es ihn betrifft, in zehn Fällen – in einem Fall unter Aufrechterhaltung der Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen mit Ausnahme derjenigen zum Vermögensnachteil – sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben, die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen und die weitergehende Revision verworfen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner Anhörungsrüge (§ 356a StPO). Er beanstandet, dass der Senat vor der Entscheidung keinen Hinweis auf seine dem Senatsbeschluss zugrunde gelegte Rechtsauffassung erteilt habe, wonach die für die Erfüllung des Untreuetatbestandes erforderliche Vermögensbetreuungspflicht aus der Stellung des Verurteilten als Mitglied des Aufsichtsrats folge. Mit dieser rechtlichen Subsumtion hätten er und seine Verteidiger sich nach dem Senatsbeschluss erstmals konfrontiert gesehen.
Rz. 2
Die zulässige Gehörsrüge ist unbegründet.
Rz. 3
Soweit der Senat die weitergehende Revision des Verurteilten auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts und ohne vorherigen Hinweis auf seine Rechtsauffassung verworfen hat, entspricht dieses Vorgehen nach § 349 Abs. 2 StPO der üblichen Beratungs- und Entscheidungspraxis der Strafsenate des Bundesgerichtshofs. Dem Anspruch des Verurteilten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist dadurch Rechnung getragen worden, dass der Senatsbeschluss auf den begründeten Antrag der Staatsanwaltschaft ergangen ist und der Verurteilte mit der Zustellung des Antrags Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten hat. Um bei diesem Verfahrensstand nach § 349 Abs. 2 StPO entscheiden zu können, muss sich das Revisionsgericht nur im Ergebnis, nicht aber auch in allen Teilen der Begründung dem Antrag der Staatsanwaltschaft anschließen. In diesen Fällen ist es auch verfassungsrechtlich nicht geboten, die Entscheidung des Revisionsgerichts zu begründen, wenngleich eine Begründung sinnvoll ist und – wie vorliegend vom Senat praktiziert – der ständigen Übung der Strafsenate des Bundesgerichtshofs entspricht (vgl. zu alledem BVerfG, Beschlüsse vom 21. Januar 2002 – 2 BvR 1225/01, NStZ 2002, 487, 488 f.; vom 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11, NJW 2014, 2563, 2564).
Rz. 4
Der Senat war auch weder einfachgesetzlich noch verfassungsrechtlich gehalten, den Verurteilten vor seiner Entscheidung auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen. Die auf die Besonderheiten der Tatsacheninstanz zugeschnittene Vorschrift des § 265 StPO gilt im Revisionsverfahren grundsätzlich nicht und steht lediglich einer den Schuldspruch abändernden Entscheidung des Revisionsgerichts entgegen, wenn der Angeklagte im Hinblick auf die von der Auffassung des Tatgerichts im Ergebnis abweichende rechtliche Beurteilung durch das Revisionsgericht noch keine Möglichkeit der Verteidigung hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Mai 2012 – 3 StR 95/12, juris Rn. 8; KK-Kuckein, StPO, 7. Aufl., § 265 Rn. 1; LR/Franke, 26. Aufl., § 354 Rn. 20 f.). So lag der Fall indes nicht; der Senat hat eine Änderung des Schuldspruchs nicht vorgenommen.
Rz. 5
Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht im Übrigen grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung. Der Verfahrensbeteiligte muss grundsätzlich, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist, alle vertretbaren Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (BVerfG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190; vom 19. Mai 1992 – 1 BvR 986/91, BVerfGE 86, 133, 144 f.). Nach diesen Maßstäben lag eine Überraschungsentscheidung nicht vor, da die mit der Anhörungsrüge angegriffene Rechtsauffassung des Senats bereits in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 6. Dezember 2001 – 1 StR 215/01, BGHSt 47, 187, 201 f.) – was auch die Anhörungsrüge der Sache nach einräumt – angelegt war. Auch wurde dem Verurteilten schon deshalb kein Sachvortrag abgeschnitten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1991 – 1 BvR 1383/90, BVerfGE 84, 188, 190), weil für die materiellrechtliche Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hin allein die Urteilsurkunde maßgeblich war.
Rz. 6
Schließlich hat der Senat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch zu berücksichtigendes Vorbringen übergangen.
Unterschriften
Becker, Schäfer, Mayer, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 9691590 |
wistra 2016, 452 |