Verfahrensgang
LG Hanau (Urteil vom 07.01.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hanau vom 7. Januar 2004 im Ausspruch über die Einzelfreiheitsstrafe im Fall II, 4 und im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in vier Fällen, davon in zwei Fällen in nicht geringer Menge, zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlußformel ersichtlichen Umfang Erfolg, im übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Im Fall II, 4 (Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 29 a BtMG) hat das Landgericht seiner Strafzumessung infolge einer fehlerhaften Berechnung des Wirkstoffgehalts der 1000 Ecstasy-Tabletten, mit denen der Angeklagte Handel getrieben hat, einen zu großen Schuldumfang zugrunde gelegt. Dies berührt hier zwar nicht den Schuldspruch. Die für die Tat II, 4 verhängte Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten, die zugleich die Einsatzstrafe ist, und die Gesamtfreiheitsstrafe können aber nicht bestehen bleiben.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 1. Juni 2004 hierzu zutreffend ausgeführt:
„Das Tatgericht ist davon ausgegangen, dass die Betäubungsmittel, deren Wirkstoff nicht zu ermitteln war, einen Gehalt von 50 mg an MDMA-, MDE-oder MDA-Base pro Konsumeinheit aufwiesen (UA S. 15). Während die Zugrundelegung dieser Mengen pro Tablette für die Wirkstoffe MDMA und MDE keinen Bedenken begegnet (MDE- und MDMA-haltige Ecstasy-Tabletten wurden im Kalenderjahr 2001 mit Wirkstoffgehalten von 26-79 mg bzw. 0,2-343 mg pro Konsumeinheit gehandelt, s. Weber, BtMG, 2. Aufl., S. 1623), durfte die Kammer von einer solchen Wirkstoffkonzentration für den Fall, dass die vom Angeklagten übernommenen Tabletten MDA-Base enthielten, nicht ausgehen. MDA-Base enthaltende Ecstasy-Tabletten wurden im Kalenderjahr 2001 – dem Tatzeitraum – mit Wirkstoffgehalten von bis zu 46 mg je Tablette gehandelt. Der mittlere Gehalt an MDA-Base pro Tablette betrug 26 mg (Weber a. a. O.). Auch wenn man berücksichtigt, dass das von dem Angeschuldigten übernommene Ecstasy von guter Qualität war (UA S. 15), kann ein Wert von 50 mg je Tablette im Hinblick auf die an Hand von chemischen Untersuchungen sichergestellter Betäubungsmittel ermittelten Wirkstoffkonzentrationen nicht zu Grunde gelegt werden.
Auf den Schuldspruch hat dieser Fehler allerdings keinen Einfluß. Zwar muss zu Gunsten des Angeklagten davon ausgegangen werden, dass er mit MDA-haltigen Betäubungsmitteln Handel getrieben hat, da diese einen niedrigeren Wirkstoffgehalt als MDMA- bzw. MDE-haltige Ecstasy-Tabletten im Tatzeitraum aufwiesen. Gleichwohl begegnet seine Verurteilung wegen eines Verbrechens gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG keinen Bedenken. Die nicht geringe Menge im Sinne des § 29 a Abs. 1 StGB beginnt bei einem Wirkstoffvolumen von 30 g MDA-Base (BGH NStZ 2001, 381 f.). Bei einem durchschnittlichen Wirkstoffgehalt von 26 mg pro Tablette im Jahre 2001 ist es nicht verfehlt, eine gute Qualität mit einem Wert von jedenfalls 30 mg je Tablette anzusetzen, womit bei vom Angeklagten gehandelten 1000 Tabletten die Grenze zur nicht geringen Menge überschritten ist, ohne dabei allerdings den vom Landgericht angenommenen Wert von 50 g MDA-Base (UA S. 16) zu erreichen.
Der Bewertungsfehler des Landgerichts hat jedoch Auswirkungen auf den Rechtsfolgenausspruch. Die im Fall 4 der Urteilsgründe verhängte Einzelstrafe von einem Jahr und fünf Monaten ist aufzuheben. Obwohl nicht unmittelbar aus dem Urteil ersichtlich, ist nicht auszuschließen, dass die Kammer zu der Bemessung dieser Strafe deshalb gekommen ist, weil die von ihr berechnete Wirkstoffmenge den Grenzbereich zur nicht geringen Menge im Sinne des § 29 a BtMG deutlich – um 20 g – überschritt. Die insoweit notwendig werdende Aufhebung der Einzelstrafe schlägt auf den Gesamtstrafenausspruch durch. Auch dieser kann, da es sich bei der für Fall 4 verhängten Einzelstrafe um die Einsatzstrafe bei der Gesamtstrafenbildung handelte, keinen Bestand haben.”
Ergänzend weist der Senat darauf hin, daß der Tatrichter auch durch den Zweifelssatz nicht verpflichtet ist, von dem durch eine tragfähige Schätzung ermittelten Wirkstoffgehalt nochmals einen Sicherheitsabschlag (hier von 30 %) vorzunehmen, da dies im Einzelfall Zweifel an der Richtigkeit der Schätzung begründen kann. Hier ist der Angeklagte jedoch durch den Sicherheitsabschlag jedenfalls nicht beschwert.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Bode, RiBGH Rothfuß ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Rissing-van Saan, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2557716 |
StraFo 2004, 398 |