Leitsatz (amtlich)
Zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für Vermögensangelegenheiten bei einem vermögenden Betroffenen.
Normenkette
BGB § 1903
Verfahrensgang
LG Stade (Beschluss vom 26.01.2015; Aktenzeichen 9 T 135/14) |
AG Stade (Beschluss vom 21.01.2014; Aktenzeichen 41 XVII 101/14) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 9. Zivilkammer des LG Stade vom 26.1.2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das LG zurückverwiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
Beschwerdewert: 5.000 EUR
Gründe
I.
Rz. 1
Der 49-jährige Betroffene leidet an einer phasenhaft verlaufenden schizoaffektiven Psychose, wegen derer er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigen kann.
Rz. 2
Das AG bestellte erstmals 2008 einen Berufsbetreuer für die Aufgabenkreise der Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung zum Zwecke der Heilbehandlung, Kurzzeitpflege und Rehabilitation, Vermögenssorge ohne das Recht zur Wohnungsauflösung und Vertretung gegenüber Pflegediensten, Pflegeeinrichtungen, Behörden sowie Leistungsträgern. Später verlängerte das AG die Betreuung bis zum 29.8.2016 und ordnete einen Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge bis zum 29.8.2013 an.
Rz. 3
Mit Beschluss vom 21.1.2014 hat das AG den Einwilligungsvorbehalt verlängert. Dagegen hat der Betroffene Beschwerde eingelegt, die das LG zurückgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
II.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Rz. 5
1. Das LG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Verlängerung des Einwilligungsvorbehalts sei zum Schutz des - im Wesentlichen aus Grundbesitz im Wert von rd. 716.000 EUR bestehenden - Vermögens des Beschwerdeführers notwendig. Das bisherige Verhalten zeige, dass er derzeit nicht in der Lage sei, sich um sein umfängliches Vermögen zu kümmern. Aus rückständigen Krankenkassenbeiträgen sowie rückständiger Miete und Nutzungsentschädigung seien Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 147.000 EUR aufgelaufen. Der Betroffene sei sich nicht darüber im Klaren, welche Maßnahmen notwendig seien, um sein derzeitiges Vermögen auch für die Zukunft zu erhalten. So wende er sich ohne erkennbaren Grund gegen den vom Betreuer eingeleiteten Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen, deren Ertrag gering sei und deren Verkaufserlös zur Tilgung seiner vorhandenen Schulden und Instandhaltung der vermieteten Immobilien sinnvoll verwendet werden könne. Es bestünde daher die Gefahr, dass der Betroffene sich ohne die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wirksam gegen Maßnahmen wende, die der Betreuer zur gebotenen Schuldentilgung vornehmen möchte.
Rz. 6
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Rz. 7
Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Für die Verlängerung der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend. Die Verlängerung setzt somit voraus, dass die konkrete Gefahr für das Vermögen des Betroffenen nach wie vor besteht (Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1903 Rz. 41). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. BGH v. 27.7.2011 - XII ZB 118/11, FamRZ 2011, 1577, Rz. 18 ff.).
Rz. 8
a) Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts muss erforderlich sein, um eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten abzuwenden (vgl. BT-Drucks. 11/4528, 137). Die drohende Selbstschädigung muss gewichtig sein und sich als wesentliche Beeinträchtigung des Wohls des Betreuten in seiner konkreten Lebenssituation darstellen (Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1903 Rz. 9).
Rz. 9
Die Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich auch daraus ergeben, dass er sein umfangreiches Vermögen, das aus Grundstücken oder einem Betrieb besteht, nicht überblicken und verwalten kann (BayObLG FamRZ 1995, 1518, 1519; Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1903 Rz. 9). Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen (Staudinger/Bienwald BGB [2013] § 1903 Rz. 52).
Rz. 10
Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1903 Rz. 16; Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht § 1903 BGB Rz. 21; vgl. auch BT-Drucks. 11/4528, 136). Untauglich ist der Einwilligungsvorbehalt hingegen als Disziplinierungsinstrument bei bloßen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betreuer und Betreutem (Schwab in MünchKomm/BGB, 6. Aufl., § 1903 Rz. 40 m.w.N.).
Rz. 11
b) Dass nach diesen Maßstäben die Voraussetzungen für eine Aufrechterhaltung des Einwilligungsvorbehalts vorliegen, hat das LG nicht ausreichend festgestellt.
Rz. 12
aa) Das LG hat hervorgehoben, dass der Betroffene nicht in der Lage sei, sich um sein umfängliches Vermögen zu kümmern. Er sei sich nicht darüber im Klaren, welche Maßnahmen notwendig seien, um sein derzeitiges Vermögen auch für die Zukunft zu erhalten.
Rz. 13
Dies rechtfertigt für sich genommen allerdings zunächst nur die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, nicht aber schon die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
Rz. 14
bb) Weiter hat das LG ausgeführt, es seien aus rückständigen Krankenkassenbeiträgen und Schulden aus einem Mietverhältnis Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 147.000 EUR aufgelaufen. Indessen wird nicht aufgezeigt, dass ohne Anordnung des Einwilligungsvorbehalts die Gefahr einer derartigen Schuldenbildung fortbesteht. Die laufenden Verbindlichkeiten zu begleichen, ist der Betreuer auch ohne Einwilligungsvorbehalt in der Lage. Inwieweit sich aus den - ohnehin nur angedeuteten - Schädigungen, die der Betroffene seinem Vermögen in der Vergangenheit zugefügt hat, Gefährdungen für die Zukunft ableiten ließen (vgl. Jurgeleit/Kieß Betreuungsrecht § 1903 BGB Rz. 17), ist demgegenüber nicht aufgezeigt.
Rz. 15
cc) Ebenso wenig trägt die Begründung des LG, der Betroffene wende sich ohne erkennbaren Grund gegen den vom Betreuer eingeleiteten Verkauf von landwirtschaftlichen Flächen, deren Ertrag gering sei und deren Verkaufserlös zur Tilgung seiner vorhandenen Schulden und Instandhaltung der vermieteten Immobilien sinnvoll verwendet werden könne. Daraus entstünde die Gefahr, dass der Betroffene sich ohne die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wirksam gegen Maßnahmen wende, die der Betreuer zur gebotenen Schuldentilgung vornehmen möchte.
Rz. 16
Diese Erwägungen lassen, wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, bereits nicht erkennen, inwieweit das LG berücksichtigt hat, dass der vom Betreuer vorgesehene Grundstücksverkauf bereits beurkundet und betreuungsgerichtlich genehmigt war. Es fehlte lediglich noch an der Rechtskraft des Genehmigungsbeschlusses, welche zehn Tage nach dem Erlass des hier angefochtenen Beschlusses dadurch eintrat, dass das LG die Beschwerde des Betroffenen gegen die betreuungsgerichtliche Genehmigung zurückwies. Konkrete Feststellungen dazu, dass weitere erhebliche Gefahren durch selbstgefährdende Handlungen des Betroffenen außerhalb der Meinungsverschiedenheit über die Verwertung der Grundstücke bestehen, sind nicht getroffen.
Rz. 17
c) Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da es noch weiterer Feststellungen über die Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts bedarf.
Fundstellen