Verfahrensgang
LG Schwerin (Urteil vom 05.03.2021; Aktenzeichen 34 KLs 08/20 123 Js 21935/20) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 5. März 2021 dahin geändert, dass der Angeklagte des besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung schuldig ist.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit besonders schwerem Raub und mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Schuldspruch wegen erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 1 StGB) hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen hatte der Angeklagte bei dem Zeugen L. Marihuana im Wert von 500 Euro bestellt und den Kaufpreis bereits gezahlt. Da er die Betäubungsmittel in der Folgezeit nicht erhalten hatte und von L. immer wieder hingehalten worden war, entschloss er sich, L. in der Tatnacht gemeinsam mit einem unbekannt gebliebenen Mittäter aufzusuchen, um ihn dazu zu veranlassen, ihm entweder das Marihuana oder 500 Euro zu geben. Um dem Anliegen Nachdruck zu verleihen, führten der Angeklagte eine ungeladene Schreckschusspistole und sein Begleiter einen Billard-Queue mit sich.
Rz. 4
Sie begaben sich zu einem Gartenhaus, in dem sich L. aufhielt. Als dieser auf Klopfen arglos die verschlossene Tür öffnete, zog der Angeklagte sofort seine Schreckschusspistole. L. hielt die auf seinen Kopf gerichtete Waffe für „echt”; er wusste nicht, dass sie ungeladen war. Auf Aufforderung des Angeklagten setzte L. sich. Der Begleiter des Angeklagten blieb mit dem Billard-Queue in der Hand im Bereich der Eingangstür stehen, so dass L. keine Möglichkeit hatte zu flüchten. Der Angeklagte forderte L. nun auf, ihm sein Geld oder „das Gras” zu geben. Da L. dem nicht nachkam, begann der Angeklagte, sich in dem Zimmer nach Marihuana und werthaltigen Gegenständen umzusehen. Als der Angeklagte sich bückte, um unter dem Tisch nachzusehen, schlug L. ihm gegen die Stirn. In dem darauffolgenden Handgemenge hieb der Angeklagte dem Zeugen mindestens zweimal kräftig mit dem Knauf der Schreckschusswaffe auf den Kopf. Auch sein Begleiter schlug L. mit dem Billard-Queue heftig auf den Kopf. Dieser ging aufgrund der Schläge zu Boden und gab seinen Widerstand auf. Nun nahm der Begleiter des Angeklagten 40 Euro Bargeld aus L. s auf dem Tisch liegender Geldbörse und dessen Handy an sich, das einen Wert von 200 Euro hatte. Das entsprach dem gemeinsamen Tatplan. Der Angeklagte beabsichtigte, das Handy als zusätzliches Druckmittel einzusetzen, um L. zu weiteren Zahlungen zu veranlassen. Anschließend verließen beide das Gartenhaus.
Rz. 5
b) Der Beschwerdeführer beanstandet zu Recht, dass diese Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten wegen erpresserischen Menschenraubs nicht tragen.
Rz. 6
Der Tatbestand des § 239a Abs. 1 StGB ist im – hier gegebenen – Zwei-Personen-Verhältnis einschränkend dahin auszulegen, dass der Täter durch das eingesetzte Nötigungsmittel die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewinnen und dadurch eine stabile Bemächtigungslage schaffen muss, um diese zu einer Erpressung auszunutzen, wobei der Bemächtigungslage mit Blick auf die erstrebte Erpressung eine eigenständige Bedeutung zukommen muss. Der erforderliche funktionale Zusammenhang liegt nicht vor, wenn sich der Täter des Opfers – wie hier – durch Nötigungsmittel bemächtigt, die zugleich unmittelbar der beabsichtigten Erpressung dienen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. September 2015 – 4 StR 184/15, NStZ-RR 2015, 336, 337 mwN).
Rz. 7
c) Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
Rz. 8
2. Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der Senat schließt aus, dass das Landgericht ohne den Rechtsfehler auf eine – noch geringere – Strafe erkannt hätte.
Rz. 9
Das Landgericht, das die Tat als minder schweren Fall sowohl des erpresserischen Menschenraubs (§ 239a Abs. 2 StGB) als auch des besonders schweren Raubes (§ 250 Abs. 3 StGB) angesehen hat, hat der Strafzumessung im Hinblick auf das angedrohte Höchstmaß den Strafrahmen des § 239a Abs. 2 StGB zugrunde gelegt. Die Strafe hat es indes dem unteren Bereich des Strafrahmens entnommen, der im Hinblick auf das angedrohte Mindestmaß demjenigen des § 250 Abs. 3 StGB entspricht. Strafschärfend hat es gewertet, dass der Angeklagte „mehrere Straftatbestände” verwirklichte, „soweit es die gefährliche Körperverletzung betrifft, zudem in zwei Alternativen”; dies ist unabhängig von der Schuldspruchänderung der Fall.
Rz. 10
3. Im Hinblick auf den geringen Erfolg der Revision ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Unterschriften
RiBGH Fritsche ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Sander, Sander, Schneider, Feilcke, Tiemann
Fundstellen
Dokument-Index HI14755103 |