Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Klägers werden der Beschluss der Zivilkammer 3 des Landgerichts Hamburg vom 22. September 2004 aufgehoben und die Kostenentscheidung in dem Schlussurteil des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg vom 3. Juni 2004 abgeändert.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 860,64 EUR.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die einen Gebäudedienst betrieb. Er nahm die beklagte Krankenkasse aus Insolvenzanfechtung (§ 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO) auf Rückzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen in Anspruch, welche die Schuldnerin in der kritischen Zeit durch Banküberweisung erbracht hatte. Die Beklagte trat den vorprozessualen Zahlungsaufforderungen vom 4. September 2003 und 2. Oktober 2003 mit Anwaltsschreiben vom 23. September 2003 und 17. Oktober 2003 entgegen. Nach Ablauf der bis zum 17. Oktober 2003 verlängerten Zahlungsfrist reichte der Kläger am 14. Januar 2004 die Klageschrift über 1.079,67 EUR zuzüglich Zinsen ein, die am 18. Februar 2004 zugestellt wurde.
Rz. 2
Die Beklagte hat die Hauptforderung nach Ankündigung eines auf Abweisung der Klage gerichteten Sachantrages mit am 14. April 2004 eingegangenem Schriftsatz seiner Verfahrensbevollmächtigten vom 31. März 2004 unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt. Das Amtsgericht hat insoweit Anerkenntnisurteil erlassen; durch Schlussurteil hat es über den Zinsanspruch entschieden und dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Kläger eine Überbürdung der Kosten auf die Beklagte.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Rz. 4
2. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen, unter denen im Falle des prozessualen Anerkenntnisses die Prozesskosten nach § 93 ZPO dem Kläger zur Last fallen, sind nicht gegeben.
Rz. 5
a) Das Landgericht meint: Die Beklagte habe dem Kläger keine Veranlassung zur Klage gegeben. Sie habe vor der Zahlung die Anspruchsvoraussetzungen des Anfechtungsanspruchs prüfen dürfen. Dazu gehöre die objektive Gläubigerbenachteiligung. Es spreche einiges dafür, dass die Zahlung eines Schuldners unter Ausnutzung einer bloß geduldeten Kontoüberziehung nicht aus dem haftenden Vermögen des Schuldners erfolge und in diesem Fall ein bloßer Gläubigerwechsel vorliege, der die Gläubiger nicht gemäß § 129 Abs. 1 InsO benachteilige. Die vorprozessual nicht beantwortete Frage der Beklagten, ob das Schuldnerkonto nach Abbuchung der angefochtenen Zahlung außerhalb einer eingeräumten „offenen" Kreditlinie geführt worden sei, habe deshalb ihre Berechtigung gehabt. Die Beklagte habe den Klageanspruch auch sofort nach Erteilung dieser Informationen anerkannt. Dass der Betrag dem Kläger erst am 3. Mai 2004 gutgeschrieben worden sei, schade nicht.
Rz. 6
b) Diese Erwägungen tragen die angefochtene Kostenentscheidung nicht.
Rz. 7
aa) Nach § 93 ZPO fallen dem Kläger die Prozesskosten zur Last, wenn der Beklagte den Anspruch sofort anerkennt und nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat. Veranlassung wird durch ein Verhalten gegeben, welches vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (BGH, Urt. v. 27. Juni 1979 – VIII ZR 233/78, WM 1979, 884, 885; vgl. Bork, in Stein/Jonas, ZPO 22. Aufl. § 93 Rn. 13; MünchKomm-ZPO/Belz, 2. Aufl. § 93 Rn. 7; Hk-ZPO/Gierl, § 93 Rn. 8). Daraus folgt, dass es für die Frage, ob der Beklagte Anlass zur Klage gegeben hat, auf sein Verhalten vor dem Prozess ankommt (BGH, Urt. v. 27. Juni 1979, aaO).
Rz. 8
bb) Im Streitfall hat die Beklagte durch die vorprozessualen Schreiben ihres damaligen anwaltlichen Vertreters keineswegs in Aussicht gestellt, den ihr zur Zahlung aufgegebenen Betrag alsbald auszugleichen, falls sich die Überweisungen der Schuldnerin innerhalb der Kreditlinie gehalten habe, die Ansprüche der Schuldnerin gegen das Kreditinstitut also pfändbar gewesen seien (vgl. BGHZ 147, 193, 196 ff; 157, 350, 355 f) und damit zur Insolvenzmasse der Schuldnerin gehörten (vgl. BGH, Urt. v. 7. Februar 2002 – IX ZR 115/99, WM 2002, 561, 562 f). In beiden anwaltlichen Schreiben ist vielmehr nur davon die Rede, dass es auf die besonderen Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nicht ankomme, wenn es schon an der allgemeinen Anfechtungsvoraussetzung der objektiven Gläubigerbenachteiligung fehle. In dem zweiten Schreiben wird sogar der Eintritt in die Prüfung, ob ein Anfechtungstatbestand nach § 130 oder § 131 InsO gegeben sei, abgelehnt. Hinsichtlich des Erfordernisses der objektiven Gläubigerbenachteiligung hielt sich die Beklagte ebenfalls alle Verteidigungsmöglichkeiten offen, indem sie in beiden Schreiben die erwünschte Auskunft, ob die fragliche Zahlung „aus dem freien und pfändbaren Vermögen” der Schuldnerin stamme, ausdrücklich als eine von mehreren Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO bezeichnet hat. Angesichts der von den Sozialversicherern in diesem Zusammenhang üblicherweise vorgebrachten weiteren Einwendungen (vgl. BGH, Urt. v. 10. Juli 2003 – IX ZR 89/02, WM 2003, 1776; v. 12. Februar 2004 – IX ZR 70/03, WM 2004, 899; v. 8. Dezember 2005 – IX ZR 182/01, WM 2006, 190; Beschl. v. 3. November 2005 – IX ZR 35/05, ZIP 2005, 2217) brauchte der Kläger zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht damit zu rechnen, dass die Beklagte auf die von ihr zunächst offen gelassenen „anderen Aspekte” des § 129 InsO nicht mehr zurückkommen würde. Seine Klage war daher nicht verfrüht.
Fundstellen
Haufe-Index 2833753 |
ZIP 2007, 95 |
DZWir 2007, 112 |
NZI 2007, 27 |
ZInsO 2006, 1164 |
InsbürO 2007, 78 |
ZVI 2007, 77 |