Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 29.04.2015) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 29. April 2015 im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben (§ 349 Abs. 4 StPO).
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten B. sowie die Revisionen der Angeklagten M., J. und P. gegen das genannte Urteil werden nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Die Angeklagten M., J. und P. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel und die hierdurch dem Neben- und Adhäsionskläger entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
3. Die sofortige Beschwerde des Angeklagten M. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im Adhäsionsverfahren wird auf Kosten dieses Angeklagten, der auch die notwendigen Auslagen des Neben- und Adhäsionsklägers zu tragen hat, verworfen.
Tatbestand
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen verurteilt sowie die Unterbringung des Angeklagten B. in der Entziehungsanstalt angeordnet. Ferner hat es eine Adhäsionsentscheidung getroffen.
I.
Rz. 2
Die Revision des Angeklagten B. hat im Umfang der Beschlussformel Erfolg; im Übrigen sind die auf die Sachbeschwerde gestützten Rechtsmittel der Angeklagten gemäß § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.
Rz. 3
1. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten B. in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Abgesehen davon, dass bereits das Bestehen eines symptomatischen Zusammenhangs zweifelhaft ist, hat das Landgericht die hinreichend konkrete Aussicht eines Behandlungserfolgs (§ 64 Satz 2 StGB) nicht positiv festgestellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – 5 StR 464/14). Damit das Revisionsgericht prüfen kann, ob eine Erfolgsaussicht in dem vom Gesetzgeber geforderten Ausmaß besteht, bedarf es der hinreichenden Darlegung konkreter Umstände für einen die Behandlung im Maßregelvollzug überdauernden Therapieerfolg (BGH, Beschluss vom 4. November 2014 – 4 StR 467/14 mwN).
Rz. 4
Daran fehlt es. Soweit das Landgericht lediglich darauf abgestellt hat, dass nach Einschätzung des psychiatrischen Sachverständigen beim Angeklagten die Möglichkeit bestehe, durch entsprechende Programme eine Therapiemotivation zu entwickeln und auch der in der Vergangenheit erfolgte Therapieabbruch nicht zu einer negativen Prognose führe, genügt dies den genannten Anforderungen nicht. Es ist nicht erkennbar, dass das Landgericht eine eigene und ausreichende Würdigung hinsichtlich einer hinreichend konkreten Aussicht eines Behandlungserfolgs vorgenommen hat.
Rz. 5
2. Hinsichtlich der Revision des Angeklagten J. ist ergänzend anzumerken: Das Landgericht hätte bei der Strafrahmenwahl zunächst prüfen müssen, ob ein minder schwerer Fall des § 224 Abs. 1 StGB auch unter Heranziehung des für diesen Angeklagten angenommenen vertypten Milderungsgrundes des § 21 StGB neben den allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkten hätte angenommen werden können. Erst wenn es auch nach dieser Abwägung keinen minder schweren Fall für gerechtfertigt gehalten hätte, hätte es seiner Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen dürfen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. Oktober 2011 – 2 StR 218/11, NStZ 2012, 271, 272; vom 23. Mai 2012 – 5 StR 185/12 und vom 5. Juli 2012 – 5 StR 252/12; Urteil vom 28. Februar 2013 – 4 StR 430/12, NStZ-RR 2013, 168). Der Senat schließt jedoch angesichts der ohnehin sehr milden Strafe aus, dass das Urteil auf dem aufgezeigten Rechtsfehler beruht. Das Landgericht hat sich bei der Strafzumessung im unteren Bereich des von ihm zugrunde gelegten nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens gehalten, der eine geringere Mindeststrafe als derjenige des minder schweren Falles des § 224 Abs. 1 StGB vorsieht.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 6
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten M. gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung im Adhäsionsverfahren hat keinen Erfolg. Da der Adhäsionskläger mit seinen Anträgen nicht in vollem Umfang erfolgreich war, war nach § 472a Abs. 2 StPO hinsichtlich der Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens eine Ermessensentscheidung zu treffen. Dessen war sich das Landgericht, das seiner Entscheidung § 472a Abs. 1 StPO zugrunde gelegt hat, nicht bewusst.
Rz. 7
Der Senat belässt es unter Ausübung des ihm als Beschwerdegericht zustehenden Ermessens im Ergebnis bei der Kosten- und Auslagenentscheidung des Landgerichts und belastet den Beschwerdeführer M.– gesamtschuldnerisch mit den übrigen Angeklagten – mit den gesamten Kosten und Auslagen des Adhäsionsverfahrens. Angesichts der brutalen, von Menschenverachtung geprägten Tat der Angeklagten und der erheblichen Verletzungen des Adhäsionsklägers erscheint es unbillig, das diesem zuerkannte Schmerzensgeld durch die teilweise Auferlegung von Kosten zu mindern (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. § 472a Rn. 2).
Unterschriften
Schneider, Dölp, König, Berger, Bellay
Fundstellen