Verfahrensgang
LG München II (Entscheidung vom 15.02.2023; Aktenzeichen 4 J KLs 24 Js 39563/20) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 15. Februar 2023 wird als unbegründet verworfen. Jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des Herstellens kinderpornographischer Schriften in sechs Fällen, davon in vier Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie in den anderen zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Kindern ohne Körperkontakt und mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen ohne Körperkontakt, und der Drittbesitzverschaffung von kinderpornographischen Schriften in vier Fällen schuldig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die dem Nebenkläger hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt nur zu einer geringen Änderung des Schuldspruchs, bleibt im Wesentlichen aber erfolglos.
Rz. 2
1. Allein der Schuldspruch bedarf der aus der Beschlussformel ersichtlichen Vereinfachung (keine Angabe der zeitlichen Geltung der angewendeten Strafgesetze erforderlich; vgl. § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO) und übersichtlichen Gliederung sowie in den Fällen C. II. 2. und C. II. 6. der Urteilsgründe aus den zutreffenden Erwägungen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts der Korrektur (§ 349 Abs. 4 StPO): Die Tatbestandsvarianten des sexuellen Missbrauchs von Kindern bzw. von Schutzbefohlenen „ohne Körperkontakt“ sind nicht in den Schuldspruch aufzunehmen, wenn der Angeklagte tateinheitlich das Kind berührt hat (§ 176 Abs. 1, § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB aF); dann tritt die mildere Tatbegehung der § 176 Abs. 4 Nr. 2, § 174 Abs. 3 Nr. 2 StGB aF im Wege der Subsidiarität zurück (vgl. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB aF: „soweit die Tat nicht nach Absatz 1 […] mit Strafe bedroht ist.“ und die gegenüber § 174 Abs. 1 StGB aF mildere Strafandrohung des § 174 Abs. 3 StGB aF). Die Strafzumessung bleibt hiervon unberührt, weil das Landgericht rechtsfehlerfrei sämtliche Teilakte des sexuellen Missbrauchs berücksichtigt sowie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat vollständig erfasst hat.
Rz. 3
2. Zur ersten Verfahrensrüge, mit welcher der Angeklagte die Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit durch eine fehlerhafte Begründung des Beschlusses zum Ausschluss derselben (§ 338 Nr. 6 StPO, §§ 169, 174 Abs. 1 Satz 3 GVG) beanstandet, ist in Ergänzung der Antragsschrift des Generalbundesanwalts auszuführen:
Rz. 4
a) Mit der Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 17/12735, Seite 17, geht der Senat davon aus, dass § 171b Abs. 2 GVG den Öffentlichkeitsausschluss für die Vernehmung eines Zeugen in der Hauptverhandlung regeln soll, aber nicht eine vernehmungsersetzende Inaugenscheinnahme („Vorführung“) einer Bild-Ton-Aufzeichnung einer ermittlungsrichterlichen Vernehmung (§ 255a Abs. 2, § 168a Abs. 1 Satz 3 StPO) erfasst. Zwar zitiert das Landgericht unter „2.“ seines Beschlusses vom 8. Februar 2023 zur Begründung des Ausschlusses der Öffentlichkeit, den der Vertreter des Nebenklägers beantragt hatte (§ 171b Abs. 3 Satz 1 GVG), § 171b Abs. 2 GVG. Im nachfolgenden Satz verhält sich der Beschluss indes zu den Voraussetzungen des § 171b Abs. 1 Sätze 1 und 2 GVG und lässt eine Abwägung zwischen dem Interesse des (minderjährigen) Nebenklägers am Schutz seiner Intimsphäre und dem Öffentlichkeitsgrundsatz, mithin den zutreffenden Maßstab, erkennen. Die Abwägung als solche ist der revisionsgerichtlichen Überprüfung entzogen (§ 171b Abs. 5 GVG); die Revision kann daher nicht damit durchdringen, diese „Ausführungen“ erschienen ‚formelhaft‘ (Revisionsbegründung Seite 110). Nach alledem kann nicht einmal von einem schweren Begründungsmangel die Rede sein, sondern allenfalls von einer durch eine verständige Auslegung unschwer zu behebenden Unklarheit (vgl. im Übrigen BGH, Beschluss vom 22. Juli 2021 - 4 StR 200/20 Rn. 7 mwN).
Rz. 5
b) Damit kann offenbleiben, ob die Öffentlichkeit auch nach § 172 Nr. 1 GVG wegen Gefährdung der Sittlichkeit auszuschließen gewesen wäre. Insoweit ist indes bedenklich, ob diese Vorschrift vorrangig anzuwenden ist (vgl. zur Inaugenscheinnahme kinderpornographischer Inhalte und § 184b Abs. 1 StGB: BGH, Beschluss vom 12. September 2023 - 5 StR 356/23 mN) oder nicht vielmehr umgekehrt § 171b GVG (so Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl., § 172 GVG Rn. 5 mwN).
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Fundstellen
Dokument-Index HI16153105 |