Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten O. wird das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 14. Oktober 1999
im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte sowie der Mitangeklagte K.
schuldig sind;
- im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen B I 1 und B II sowie über die Gesamtstrafe, soweit er den Angeklagten O. betrifft, aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten gegen das vorbezeichnete Urteil wird als unbegründet verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten sowie den Mitangeklagten K. wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Raub, schuldig gesprochen; es hat den Angeklagten O. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten sowie den Mitangeklagten K. zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten O., die die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zu einer Änderung des Schuldspruchs, die auf den Mitangeklagten K. zu erstrecken ist. Die Schuldspruchänderung bedingt eine teilweise Aufhebung des Strafausspruches gegen den Angeklagten. Im übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung insoweit keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat. Der Erörterung bedarf folgendes:
1. Im Fall B I 1 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen die Verurteilung des Angeklagten sowie des früheren Mitangeklagten K. wegen täterschaftlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Beide verkauften gemäß Weisung des Drogenhändlers W. wenigstens 15 g Heroinzubereitung an heroinabhängige Personen. Den dabei erzielten Verkaufserlös reichten sie vollständig an W. weiter, „ohne für ihre Tätigkeit irgendeine Gegenleistung zu erhalten” (UA S. 8).
Täterschaftliches Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG erfordert das eigennützige Bemühen, den Umsatz von Betäubungsmitteln zu ermöglichen oder zu fördern. Eigennützig ist eine solche Tätigkeit nur, wenn das Handeln des Täters vom Streben nach Gewinn geleitet wird oder er sich irgendeinen anderen persönlichen Vorteil verspricht, durch den er materiell oder immateriell besser gestellt wird. Ein immaterieller Vorteil kommt bei der gebotenen zurückhaltenden Auslegung nur in Betracht, wenn er einen objektiv meßbaren Inhalt hat und den Empfänger in irgendeiner Weise tatsächlich besser stellt (vgl. BGHSt 34, 124; BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34 und 41).
Einen solchen auch nur immateriellen Vorteil haben der Angeklagte und K. hier ersichtlich nicht gezogen. Das etwaige Unterbleiben der von W. angedrohten Repressalien erweist sich nicht als „Vorteil” im Sinne eines Eigennutzes; es entzieht sich einer objektiven Bewertung (siehe zur Frage der Sicherung der Gunst eines Dritten: BGHR BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1 Handeltreiben 34). Mithin haben der Angeklagte und der vormalige Mitangeklagte K. lediglich Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch W. geleistet (§ 27 StGB).
2. Im Fall B II der Urteilsgründe beanstandet die Revision mit Recht die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Raubes. Bei dem Kaufgeld, das der Angeklagte und seine Mittäter dem unbekannten Betäubungsmittelhändler nach Übergabe und Aushändigung der Heroinzubereitung durch diesen gewaltsam wieder abgenommen haben, handelte es sich nicht um eine fremde Sache im Sinne des § 249 Abs. 1 StGB. Aus dem Verbot des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln folgt hier die Nichtigkeit der Übereignung des als Kaufpreis gezahlten Geldes (§ 134 BGB; vgl. BGHSt 31, 145). Das Handeln der Täter erweist sich lediglich als Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
3. Der Senat kann den Schuldspruch entsprechend ändern. Diese Änderung ist auf den vormaligen Mitangeklagten K., der seine Revision zurückgenommen hat, zu erstrecken (§ 357 StPO). Der Angeklagte und K. hätten sich ersichtlich nicht anders als geschehen verteidigen können.
4. Der Senat vermag nicht auszuschließen, daß die Schuldspruchänderung in den Fällen B I 1 und B II Einfluß auf die Bemessung der gegen den Angeklagten in diesen Fällen verhängten Einzelstrafen sowie der Gesamtstrafe haben kann. Im Fall B II hat das Landgericht die höchste der Einzelstrafen in Ansatz gebracht (Einsatzstrafe, vgl. § 54 Abs. 1 StGB) und dabei den tateinheitlich begangenen Raub straferschwerend berücksichtigt; der Unwertgehalt der bei zutreffender rechtlicher Würdigung insoweit anzunehmenden Nötigung ist indessen deutlich geringer. Auch im Fall B I 1 kann die nach § 27 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgeschriebene Strafrahmenmilderung möglicherweise die Höhe der Einzelstrafe berühren.
Die insoweit getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, weil der Rechtsfehler sich hierauf nicht auswirkt; ergänzende Feststellungen, die den getroffenen nicht widersprechen, sind zulässig.
5. Auch die weiteren Einzelstrafen haben Bestand. Zur Überzeugung des Senats ist es ausgeschlossen, daß diese von der Schuldspruchänderung und der in zwei Einzelfällen erforderlichen Neubemessung der Strafe beeinflußt werden können.
Gleiches gilt hinsichtlich der Höhe der gegen den Mitangeklagten K. ausgesprochenen Jugendstrafe. Diese folgt als sogenannte Einheitsstrafe in ihrer Bemessung anderen Maßgaben (§ 17 Abs. 2, §§ 18, 31 Abs. 1 JGG). Es erscheint ausgeschlossen, daß die ohnehin milde Strafe gegen den vorgeahndeten Mitangeklagten aufgrund der auf ihn zu erstreckenden Schuldspruchänderung in den Fällen B I 1 und B II noch weiter herabgesetzt werden könnte.
Unterschriften
Maul, Granderath, Wahl, Boetticher, Schluckebier
Fundstellen
Haufe-Index 556602 |
StV 2000, 619 |