Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperverletzung mit Todesfolge
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 10. Februar 2000 im Strafausspruch aufgehoben.
In diesem Umfang wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Schwurgerichtskammer des Landgerichts Augsburg zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat nur zum Strafausspruch Erfolg.
1. Folgendes ist festgestellt:
Der Angeklagte hatte als Krankenpfleger im Bezirkskrankenhaus K., wo er seit langem „tadelsfrei” tätig war, in der Nacht vom 14./15. Februar 1999 Nachtdienst. Die Patientin H. hatte zu dieser Zeit eine manische Phase, die wegen einer zugleich vorliegenden Herzerkrankung nicht medikamentös behandelt werden konnte. Sie war daher, wie schon in den Tagen zuvor – sie hatte z.B. Kot verschmiert, geschrieen und geschimpft – äußerst „umtriebig”. Der Angeklagte fand sie letztlich in einer Urinlache sitzend vor. Er geriet in einen „hochgradigen Erregungszustand”, faßte Frau H. unter den Armen und wollte sie ins Bett bringen. Diese wehrte sich und versuchte den Angeklagten „zu liebkosen und zu küssen”, was diesem „zutiefst zuwider” war. „In seiner Rage” drückte er sie mit dem Bauch nach unten auf das Bett. Da sie sich weiter heftig wehrte und „strampelte”, wollte sie der Angeklagte „endlich ruhig stellen”. Daher kniete sich der 100 kg schwere Angeklagte so fest auf den Rücken von Frau H., daß ein Leberriß eintrat. Gleichzeitig packte er sie am Nacken und drückte ihr Gesicht so stark in das Kissen, daß sie alsbald infolge Sauerstoffnot verstarb.
2. Der auf diese Feststellungen gestützte Schuldspruch ist frei von Rechtsfehlern zum Nachteil des Angeklagten (§ 349 Abs. 2 StPO).
3. Der Strafausspruch kann dagegen keinen Bestand haben (§ 349 Abs. 4 StPO):
a) Sachverständig beraten hat die Strafkammer das Vorliegen der Voraussetzungen von § 21 StGB nicht ausschließen können. Bei der „völlig persönlichkeitsfremden” Tat habe ein hochgradiger Affekt im Sinne einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung vorgelegen. Der Angeklagte hatte zur Tatzeit eine Zyste, die auf die Luftröhre drückte und deshalb Schmerzen und Atemnot verursachte. Darüber hinaus befand er sich in erheblicher Sorge, da er Hautkrebs hatte und noch unklar war, ob sich Metastasen bilden würden. Damit verbunden war die Sorge um seinen psychotisch erkrankten, in ständiger Behandlung stehenden Sohn. In dieser Situation hätten das Auffinden der in einer Urinlache sitzenden Frau H. und deren „Annäherungsversuche” zu einem Ansteigen der Affektspannung geführt. Diese habe sich bei der Tatausführung entladen.
b) Im Rahmen der konkreten Strafzumessung innerhalb des (nur) im Hinblick auf das Vorliegen der Voraussetzungen von § 21 StGB und sonstige strafmildernde Umstände angenommenen Strafrahmens des § 227 Abs.2 StGB hat die Strafkammer „das Ausmaß der Gewaltanwendung” zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt.
Dies hält unter den gegebenen Umständen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Die Strafkammer hat festgestellt, daß die vom Angeklagten verursachten Verletzungen der Geschädigten – z.B. der durch das Aufknien verursachte Leberriß – mit dem psychischen Zustand des Angeklagten „korrespondieren”.
Tatmodalitäten dürfen einem Angeklagten nur strafschärfend zur Last gelegt werden, wenn sie vorwerfbar sind, nicht aber, wenn ihre Ursache in einer von ihm nicht zu vertretenden geistig-seelischen Beeinträchtigung liegt. Allerdings ist auch der i.S.d. § 21 StGB erheblich vermindert schuldfähige Täter für die von ihm begangene Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung verantwortlich, so daß für eine strafschärfende Verwertung der Handlungsintensität Raum bleibt, jedoch nur nach dem Maß der geminderten Schuld. Dessen muß sich der Tatrichter erkennbar bewußt sein (vgl. BGH NJW 1993, 3210, 3211 f; BGH NStZ 1992, 538; G. Schäfer, Praxis der Strafzumessung 2. Aufl. Rdn. 257 a ff., jew. m.w.N.). Daß dies hier der Fall gewesen wäre, ergeben die Urteilsgründe weder ausdrücklich noch in einer Gesamtschau. Dies wäre um so mehr erforderlich gewesen, als derartige Umstände vor allem bei insgesamt sinnlosen Taten nur geringes strafschärfendes Gewicht haben (vgl. BGH NStZ 1987, 321 f; G. Schäfer aaO Rdn. 257 c). Hinzu kommt, daß Strafzumessungserwägungen um so umfassender sein müssen, je knapper die verhängte Strafe eine grundsätzlich noch bewährungsfähige Strafe (§ 56 StGB) übersteigt (vgl. BGH StV 1992, 462, 463; G. Schäfer aaO Rdn. 618 a jew. m.w.N.).
4. Der aufgezeigte Mangel führt zwar zur Aufhebung des Strafausspruchs, berührt jedoch die der Strafzumessung zu Grunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nicht. Da sie auch sonst rechtsfehlerfrei getroffen sind, bleiben sie aufrecht erhalten (§ 349 Abs. 2 StPO), so daß die gesamten Urteilsfeststellungen Bestand haben. Ergänzende, zu den bisherigen Feststellungen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen bleiben jedoch zulässig.
5. Im Hinblick auf das durch den Fall erregte beträchtliche lokale Aufsehen erschien es dem Senat angemessen, die Sache gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 (zweite Alternative) StPO an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urteil vom 7. Dezember 1999 – 1 StR 538/99 m.w.N.).
Unterschriften
Schäfer, Nack, Wahl, Schluckebier, Kolz
Fundstellen