Verfahrensgang
LG Traunstein (Entscheidung vom 06.02.2023; Aktenzeichen 2 KLs 600 Js 10669/21) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 6. Februar 2023 im Strafausspruch aufgehoben.
2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.
3. Im Umfang der Aufhebung wird das Verfahren zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum Betrug in Tateinheit mit Beihilfe zur Geldfälschung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es die vom Angeklagten in Italien erlittene Auslieferungshaft im Maßstab 1:1 auf die Strafe angerechnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
1. Der Strafausspruch hält sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Begründung trägt nicht das Nichtvorliegen eines minder schweren Falles nach § 146 Abs. 3 StGB.
Rz. 3
a) Es ist bereits nicht zu erkennen, ob sich das Landgericht bewusst war, dass bei der Prüfung, ob ein minder schwerer Fall gegeben ist, für die Einordnung der Schuld eines Gehilfen das Gewicht seiner Beihilfehandlung maßgeblich ist, wenn auch die Schwere der Haupttat mit zu berücksichtigen ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 6. April 2022 - 1 StR 89/22 Rn. 4 und vom 7. September 2021 - 1 StR 302/21 Rn. 3 jeweils mwN).
Rz. 4
b) Das Landgericht hat zudem bei der Bestimmung des Strafrahmens die gebotene Prüfungsreihenfolge nicht eingehalten.
Rz. 5
aa) Nach ständiger Rechtsprechung ist in den Fällen, in denen das Gesetz bei einer Straftat einen minder schweren Fall vorsieht und im Einzelfall ein gesetzlicher Milderungsgrund im Sinne von § 49 StGB gegeben ist, bei der Strafrahmenwahl vorrangig zu prüfen, ob die Tat als minder schwerer Fall zu werten ist. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zunächst in den Blick zu nehmen, ob die allgemeinen Milderungsgründe allein schon zur Annahme eines minder schweren Falls führen, weil die vertypten Milderungsgründe dann für eine Strafrahmenmilderung noch nicht verbraucht sind und daher eine weitere Milderung des anwendbaren Strafrahmens nach § 49 StGB in Betracht kommt. Ist nach einer Abwägung der allgemeinen Strafzumessungsgesichtspunkte das Vorliegen eines minder schweren Falls abzulehnen, sind in einem zweiten Schritt bei der weitergehenden Prüfung, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt, gesetzlich vertypte Strafmilderungsgründe zusätzlich heranzuziehen. Erst wenn das Tatgericht danach weiterhin die Annahme eines minder schweren Falls nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den wegen des verwirklichten vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 6. April 2022 - 1 StR 89/22 Rn. 6, vom 8. Juli 2014 - 3 StR 287/14 Rn. 13 und vom 26. Oktober 2011 - 2 StR 218/11 Rn. 3).
Rz. 6
bb) Diesen Anforderungen wird die Strafzumessung des Landgerichts nicht gerecht. Denn es hat die verhängte Strafe dem nach §§ 27, 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 146 Abs. 1 StGB entnommen, ohne die - vorrangige - Prüfung vorzunehmen, ob ein minder schwerer Fall nach § 146 Abs. 3 StGB unter Verbrauch des vertypten Milderungsgrundes der Beihilfe nach §§ 27, 49 StGB gegeben sein könnte, so dass in diesem Fall nur der Strafrahmen von drei Monaten bis fünf Jahren Freiheitsstrafe eröffnet gewesen wäre.
Rz. 7
cc) In Anbetracht der erheblichen Abweichung der Strafrahmenobergrenze des Sonderstrafrahmens des § 146 Abs. 3 StGB von fünf Jahren statt von elf Jahren und drei Monaten bei einem nur nach §§ 27, 49 StGB gemilderten Regelstrafrahmen kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreiem Vorgehen bei der Strafrahmenwahl zu einer geringeren Strafe gekommen wäre.
Rz. 8
2. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil es sich lediglich um Wertungsfehler handelt (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Entscheidung über den Anrechnungsmaßstab für die erlittene Auslieferungshaft wird von der Aufhebung des Strafausspruchs ebenfalls nicht berührt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. April 2022 - 1 StR 89/22 Rn. 8 und vom 27. März 2019 ‒ 4 StR 541/18 Rn. 2 mwN).
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Fundstellen
Haufe-Index 15946551 |
NJW 2024, 458 |
NStZ 2023, 7 |
NStZ 2024, 37 |
NStZ-RR 2023, 5 |