Verfahrensgang
LG Fulda (Entscheidung vom 03.11.2023; Aktenzeichen 2 KLs 422 Js 14901/22) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Fulda vom 3. November 2023
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte schuldig ist
aa) in den Fällen II. 8 bis 11 und II. 13 der Urteilsgründe des sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Herstellung von kinderpornographischen Inhalten,
bb) im Fall II. 16 der Urteilsgründe der Vergewaltigung in Tateinheit mit der Herstellung und der Drittbesitzverschaffung jugendpornographischer Inhalte und mit der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen,
cc) im Fall II. 17 der Urteilsgründe des Besitzes von kinderpornographischen Schriften;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den Fällen II. 8 bis 15 und II. 18 der Urteilsgründe sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere für Jugendschutzsachen zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freisprechung im Übrigen wegen „Vergewaltigung in Tateinheit mit Herstellung jugendpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Verbreitung jugendpornographischer Inhalte in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und des Persönlichkeitsrechts durch Bildaufnahmen sowie des sexuellen Missbrauchs von Kindern in 14 Fällen, jeweils begangen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, davon in sieben Fällen zudem begangen in Tateinheit mit der Herstellung von kinderpornographischen Inhalten sowie der Herstellung von kinderpornographischen Inhalten in zwei Fällen sowie des Besitzes von kinderpornographischen Inhalten“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die dagegen mit der Formal- und Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen erweist sich das Rechtsmittel als unbegründet.
Rz. 2
1. Die Verfahrensrügen bleiben aus den Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts ohne Erfolg.
Rz. 3
2. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Änderung des Schuldspruchs.
Rz. 4
a) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen hat sich der Angeklagte in den Fällen II. 8 bis 11 und II. 13 der Urteilsgründe (Tatzeiten 24. Juli 2021 bis 9. Juni 2022) wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Kindern ohne Körperkontakt mit dem Kind gemäß § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht. Der von der Jugendkammer herangezogene § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB ist vor der Begehung der Taten II. 8 bis 11 und 13 der Urteilsgründe durch Gesetz vom 16. Juni 2021 (BGBl. I 1810) mit Wirkung zum 1. Juli 2021 von § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB ersetzt worden.
Rz. 5
b) Im Fall II. 16 der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte durch das Übersenden der von ihm hergestellten jugendpornographischen Aufnahme an einen Bekannten nicht wegen Verbreitens jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern wegen Drittbesitzverschaffung jugendpornographischer Inhalte gemäß § 184c Abs. 1 Nr. 2 StGB strafbar gemacht (vgl. zu § 184b StGB BGH, Beschluss vom 19. März 2024 - 6 StR 584/23, Rn. 4 f.).
Rz. 6
c) Im Fall II. 17 der Urteilsgründe (Tatzeit 25. Februar 2017) kommt § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB in der bis zum 1. Juli 2017 gültigen Fassung - Herstellung kinderpornographischer Schriften - zur Anwendung.
Rz. 7
3. Die Einzelstrafen in den Fällen II. 8 bis 15 und II. 18 der Urteilsgründe sowie die Gesamtstrafe haben keinen Bestand.
Rz. 8
a) In den Fällen II. 12 und 18 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe dem zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung geltenden Strafrahmen des § 184b Abs. 1 bzw. Abs. 3 StGB in der Fassung vom 16. Juni 2021 entnommen, der in Absatz 1 Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren und in Absatz 3 Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren vorsah. Dabei konnte es nicht berücksichtigen, dass § 184b StGB durch das am 28. Juni 2024 in Kraft getretene Gesetz zur Anpassung der Mindeststrafen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 des Strafgesetzbuches - Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Inhalte vom 24. Juni 2024 (BGBl. I 2024 Nr. 213) als Vergehen mit erhöhter Mindeststrafe von sechs (Abs. 1) bzw. von drei Monaten (Abs. 3) neu gefasst worden ist; die Strafrahmenobergrenze hat der Gesetzgeber unverändert gelassen. Die Neufassung erweist sich bei der gebotenen konkreten Betrachtung als das mildere Gesetz (§ 2 Abs. 3 StGB), was der Senat im Revisionsverfahren zu berücksichtigen hat (§ 354a StPO).
Rz. 9
Da die Jugendkammer im Fall II. 12 der Urteilsgründe die Mindeststrafe des von ihr angewendeten Strafrahmens verhängt und im Fall II. 18 die verhängte Strafe dem unteren Bereich des von ihr angewendeten Strafrahmens entnommen hat, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sie bei Anwendung des nunmehr geltenden geringeren Strafrahmens eine niedrigere Strafe verhängt hätte.
Rz. 10
Im Fall II. 14 der Urteilsgründe hat das Landgericht die Strafe zwar dem tateinheitlich verwirklichten § 176 Abs. 1 StGB entnommen, welcher Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr vorsieht. Ausdrücklich aber hat es straferschwerend berücksichtigt, dass der Angeklagte tateinheitlich den Straftatbestand der Herstellung von kinderpornographischen Inhalten verwirklicht hat. Insoweit kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht angesichts des nunmehr reduzierten Strafrahmens des § 184b Abs. 1 StGB dessen tateinheitlicher Verwirklichung ein geringeres Gewicht beigemessen hätte.
Rz. 11
b) In den Fällen II. 8 bis 11 und 13 der Urteilsgründe hat das Landgericht rechtsfehlerhaft die Strafen dem § 176 Abs. 1 StGB - Freiheitsstrafe von nicht unter einem Jahr - entnommen. Zur Anwendung gelangt jedoch § 176a Abs. 1 Nr. 2 StGB, der einen Strafrahmen von nur sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet (vgl. oben 2. a). Hinzu kommt, dass die Jugendkammer strafschärfend die tateinheitliche Verwirklichung von § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB berücksichtigt hat, dessen Mindeststrafe nunmehr von einem Jahr auf sechs Monate Freiheitsstrafe herabgesetzt worden ist (vgl. oben 3. a).
Rz. 12
Nach alledem vermag der Senat nicht auszuschließen, dass das Landgericht in Ansehung des reduzierten Strafrahmens für diese Fälle niedrigere Einzelstrafen verhängt hätte.
Rz. 13
c) Im Fall II. 15 der Urteilsgründe (Tatzeit zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Juli 2021) hat das Landgericht die Strafe dem § 176 Abs. 1 StGB in der ab dem 1. Juli 2021 gültigen Fassung - Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr - entnommen, während § 176 Abs. 1 StGB in der vom 1. Januar bis zum 30. Juni 2021 gültigen Fassung einen Strafrahmen von nur sechs Monaten bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe vorsah. Zu Gunsten des Angeklagten wird die neu entscheidende Strafkammer den im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2021 gültigen, niedrigeren Strafrahmen zugrundezulegen haben.
Rz. 14
d) Die Aufhebung mehrerer Einzelstrafen zieht die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs nach sich. Die bisherigen Feststellungen zur Strafzumessung sind von der Aufhebung nicht betroffen und haben Bestand (§ 353 Abs. 2 StPO).
Rz. 15
4. Im Übrigen hat die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Menges Appl Zeng
Zimmermann Herold
Fundstellen
Dokument-Index HI16668652 |