Verfahrensgang
LG Bad Kreuznach (Urteil vom 01.03.2004) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten M. H. wird das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 1. März 2004 mit den Feststellungen aufgehoben, soweit er wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung verurteilt wurde, sowie im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision des Angeklagten M. H. sowie die Revisionen der Angeklagten K. H. und K. gegen das genannte Urteil werden verworfen.
4. Die Angeklagten K. H. und K. haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten M. H. wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung und versuchten Betrugs zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Angeklagte K. H. wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, und die Angeklagte K. wegen Beihilfe zu dem vom Angeklagten M. H. begangenen versuchten Betrug zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 5 Euro. Die Revision des Angeklagten M. H. führt mit der Sachrüge zur Aufhebung der Verurteilung wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung und der Gesamtstrafe. Im übrigen sind die Revisionen unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Nach den Feststellungen beschloß der Angeklagte H. im Februar oder Anfang März 2002, das Einfamilienhaus, das ihm und seiner Familie von der Stadt B. als Wohnung zur Verfügung gestellt worden war, durch einen unbekannt gebliebenen Dritten in Abwesenheit der Familie anzünden zu lassen, um sich zu Unrecht Leistungen aus einer hohen Hausratsversicherung zu beschaffen. Zur Vorbereitung der Tat wurden – möglicherweise vom Angeklagten selbst, möglicherweise durch einzelne seiner Söhne, die gleichfalls in dem Anwesen wohnten, unter Umständen auch durch Dritte auf Veranlassung des Angeklagten – zahlreiche versicherte Gegenstände, insbesondere auch Möbel, aus dem Haus entfernt. Zwei Tage vor der geplanten Tat begab sich der Angeklagte, um allen Familienangehörigen ein sicheres Alibi zu verschaffen und weil kein Mitglied der Familie durch den Brand gefährdet werden sollte, zusammen mit allen anderen Bewohnern des Anwesens auf eine mehrtägige Reise. Der Brand wurde von einem unbekannten Täter auf Veranlas- sung des Angeklagten wie geplant gelegt. Das Haus wurde hierdurch vollständig zerstört. Den Brandschaden am Hausrat in Höhe von 52.404 DM machte der Angeklagte bei der Versicherung geltend; hierbei unterstützte ihn, da er Analphabet ist, die Angeklagte K., die damalige Verlobte eines seiner Söhne. Die Versicherung leistete keine Zahlung. Die Gebäudeversicherung leistete an die Stadt B. 346.000 DM.
2. Auf diese Feststellungen konnte die Verurteilung wegen Anstiftung zur besonders schweren Brandstiftung nicht gestützt werden.
a) Zwar decken die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung einen Rechtsfehler nicht auf. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist, entgegen einer in der Literatur vertretenen einschränkenden Auslegung (vgl. dazu Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 306 Rdn. 9 ff. m.w.N.), auch zur Erfüllung des Qualifikationstatbestands des § 306 b Abs. 2 Nr. 2, 1. Var. StGB nicht erforderlich, daß die zu ermöglichende andere Straftat gerade unter Ausnutzung der spezifischen situativen Auswirkungen des Brandes begangen werden soll, wie dies § 307 Nr. 2 a.F. StGB voraussetzte; ausreichend ist vielmehr auch die Absicht, nach Beendigung des Brandes einen Betrug zum Nachteil der Brandversicherung zu begehen (vgl. BGHSt 45, 211, 216 ff.; NStZ 2000, 197, 198; NJW 2000, 3581; BGH, Beschl. vom 19. August 2004 – 3 StR 186/04).
b) Es mangelt aber schon an hinreichenden Feststellungen zum Vorliegen einer Haupttat nach § 306 a StGB, die von § 306 b Abs. 2 Nr. 2 StGB vorausgesetzt wird.
In Betracht kommt hier, wie das Landgericht zutreffend gesehen hat, allein eine Tat nach § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Tatvariante des Inbrandsetzens eines Gebäudes, das der Wohnung von Menschen dient. Eine solche Räumlichkeit (zur nur exemplarischen Aufführung des Begriffs „Gebäude” in § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB vgl. BGHSt 48, 14, 18) stellte das allein von der Familie des Angeklagten bewohnte Wohnhaus ursprünglich unzweifelhaft dar. Das Landgericht hat aber, wie die Revision zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob die Zweckbestimmung des Gebäudes zu Wohnzwecken vor der Brandlegung von sämtlichen Bewohnern aufgegeben wurde (vgl. BGHSt 10, 215; 16, 396; 26, 122; BGH NStZ 1988, 71; 1994, 130). Eine solche Aufgabe des Willens, das Gebäude weiter zu bewohnen, durch sämtliche Bewohner nimmt dem Tatobjekt auch dann die von § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB vorausgesetzte Zweckbestimmung, wenn die Bewohner wie hier nur allein berechtigte unmittelbare Fremdbesitzer sind (Senatsbeschluß vom 10. Februar 1992 – 2 StR 475/92, MDR 1993, 721; ebenso LG Düsseldorf NStZ 1981, 224).
Daß die Familienangehörigen des Angeklagten an der Tat beteiligt oder in die Planungen eingeweiht waren, hat das Landgericht zwar nicht festgestellt. Es ist aber auch nicht positiv festgestellt, daß mindestens ein Mitglied der Familie nicht in den Tatplan eingeweiht war. Die Mitangeklagte K. H. ist vom Vorwurf der Beteiligung an der Tat in Anwendung des Zweifelssatzes freigesprochen worden; hinsichtlich der Mitangeklagten K. – die im übrigen nach den Feststellungen gar nicht im Haus selbst, sondern in einem auf dem Grundstück aufgestellten Wohnwagen wohnte – führen die Urteilsgründe nur aus, der Tatrichter habe „keine Anhaltspunkte dafür, daß … K. die Hintergründe des Brandes kannte” (UA S. 47). Eine positive Feststellung, daß die Mitangeklagten von der geplanten Tat nicht wußten, hat das Landgericht damit entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht getroffen; vielmehr lag nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme das Gegenteil nahe. Dasselbe gilt von den übrigen Mitbewohnern, hinsichtlich derer das Landgericht Indizien für eine Tatbeteiligung oder zumindest für eine Mitwisserschaft angeführt hat. Ließ sich aber eine Kenntnis und Zustimmung der Mitbewohner zur Aufgabe der Zweckbestimmung nicht ausschließen, so war sie im Zweifel zugunsten des Angeklagten anzunehmen. Anhaltspunkte dafür, daß die bestimmende Position, die der Angeklagte in der Familie einnimmt, zur Unwirksamkeit entsprechender Einwilligungen geführt hätte, lassen sich den Feststellungen entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht entnehmen.
c) Eine Erörterung der Rechtsfrage war auch nicht, wie der Generalbundesanwalt meint, deshalb entbehrlich, weil der Angeklagte und gegebenenfalls die Mitbewohner die Zweckbestimmung möglicherweise nur unter dem Vorbehalt des Gelingens der geplanten Brandstiftung aufgegeben haben. Feststellungen hierzu fehlen im Urteil; sie können auch nicht, wie der Generalbundesanwalt meint, durch eine eigene Würdigung des Senats ersetzt werden. Der Bundesgerichtshof hat schon entschieden, daß es darauf, ob ein die Zweckbestimmung eines Wohngebäudes aufgebender Nutzer das Gebäude für den Fall des Fehlschlagens der Brandlegung weiter bewohnen will, nicht ankommt (BGH NStZ-RR 2001, 330; vgl. auch Tröndle/Fischer aaO § 306 a Rdn. 4 a). Der Senat sieht keinen Anlaß, hiervon abzuweichen. Würde festgestellt oder ließe sich nicht ausschließen, daß der Wohnzweck von allen Bewohnern aufgegeben wurde, so wäre der Angeklagte nur wegen Anstiftung zur Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bestrafen (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 26 Rdn. 8 m.w.N.).
Das Landgericht hat die rechtliche Problematik ersichtlich übersehen; es fehlen im Urteil daher Erörterungen sowie hinreichend sichere Feststellungen hierzu. Die Verurteilung hat daher keinen Bestand.
d) Die Verurteilung wegen versuchten Betrugs ist von dem Rechtsfehler nicht berührt und kann bestehen bleiben. Das gilt auch für die insoweit verhängte Einzelstrafe; die Gesamtstrafe war dagegen aufzuheben.
3. Die Prüfung des Urteils aufgrund der von der Angeklagten K. H. erhobenen Sachrüge ergibt keinen Rechtsfehler zum Nachteil dieser Angeklagten; ihre Revision ist unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
4. Der Schuldspruch hinsichtlich der Angeklagten … K. ist rechtsfehlerfrei. Der Strafausspruch ist allerdings insoweit rechtsfehlerhaft, als das Landgericht der Zumessung den – zweimal gemilderten – Strafrahmen des § 263 Abs. 3 Nr. 5 StGB zugrunde gelegt hat. Voraussetzung hierfür wäre, daß die Angeklagte von dem Umstand Kenntnis hatte, daß die versicherten Sachen zum Zweck des Betrugs in Brand gesetzt worden waren. Das steht mit den Feststellungen nicht in Einklang; danach hat das Landgericht für eine solche Kenntnis gerade „keine Anhaltspunkte” gesehen (UA S. 47).
Die Annahme einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung kann der Senat nicht überprüfen, weil es an hinreichenden Feststellungen dazu fehlt, ob und gegebenenfalls welche Maßnahmen während der mitgeteilten Zeiträume erfolgten und welche justizinternen Versäumnisse einer Verfahrensförderung entgegenstanden. Das kann aber hier dahinstehen, da die Angeklagte durch die Strafmilderung nicht beschwert ist.
Der Rechtsfehler bei der Strafrahmenbestimmung führt hier in Anwendung des § 354 Abs. 1 a StPO nicht zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die aus dem gemäß § 23 Abs. 2 und § 27 Abs. 2 in Verbindung mit § 49 Abs. 1 StGB doppelt gemilderten Strafrahmen bestimmte milde Strafe von 50 Tagessätzen zu je 5 Euro ist im Ergebnis angemessen und nicht zu beanstanden.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Detter, Otten, Rothfuß, Fischer
Fundstellen
Haufe-Index 2558097 |
NStZ 2008, 202 |
JuS 2005, 473 |
NStZ-RR 2005, 76 |
StV 2005, 391 |