Leitsatz (amtlich)
Über Ansprüche eines Krankenhausträgers gegen eine gesetzliche Krankenkasse aus (öffentlich-rechtlicher) Geschäftsführung ohne Auftrag wegen der stationären Behandlung eines Kassenpatienten haben die Sozialgerichte zu entscheiden.
Normenkette
BGB §§ 677, 683; GVG § 13; SGG § 51
Verfahrensgang
OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 16.09.1996; Aktenzeichen 1 W 12/96) |
LG Frankfurt am Main |
Tenor
Die weitere sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluß des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 16. September 1996 – 1 W 12/96 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Beschwerdewert: 2.500 DM
Tatbestand
I.
Die Klägerin betreibt eine private Herzklinik, die nicht zu den in § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern gehört. Sie nahm vom 29. August bis 17. September 1994 einen Patienten, der bei der Beklagten eine freiwillige Krankenversicherung unterhält, stationär auf und führte am 7. September 1994 eine Herzoperation durch. Zuvor hatte die Beklagte dem Versicherten gegenüber mit Bescheid vom 16. August 1994 die Kostenübernahme abgelehnt und ihn auf die Möglichkeit der Aufnahme in ein zugelassenes Krankenhaus zum 22. August 1994 hingewiesen. Die Klage des Versicherten gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für die stationäre Behandlung wurde durch Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 24. April 1995 in erster Instanz abgewiesen.
Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin die Beklagte auf Erstattung der Kosten der stationären Behandlung in Höhe von 10.053,70 DM nebst Zinsen aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Anspruch. Das Landgericht hat die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs verneint und die Sache an das Sozialgericht Hamburg verwiesen. Die dagegen eingelegte Beschwerde der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer zugelassenen weiteren Beschwerde verfolgt die Klägerin ihr Ziel, eine Sachentscheidung im ordentlichen Rechtsweg herbeizuführen, weiter.
Entscheidungsgründe
II.
Die weitere sofortige Beschwerde ist nach § 17 a Abs. 4 GVG in Verbindung mit §§ 567 Abs. 4, 577 ZPO zulässig aber nicht begründet.
1. Ob eine Streitigkeit öffentlich-rechtlich oder bürgerlich-rechtlich ist, richtet sich, wenn – wie hier – eine ausdrückliche Rechtswegzuweisung des Gesetzgebers fehlt, nach der Natur des Rechtsverhältnisses, aus dem der Klageanspruch hergeleitet wird (GmS-OGB BGHZ 97, 312, 313 f und BGHZ 102, 280, 283). Dieser Grundsatz bestimmt die Auslegung sowohl von § 13 GVG als auch von § 51 SGG. Ausgangspunkt für die Prüfung muß daher die Frage sein, welcher Art das Klagebegehren nachdem zugrundeliegenden Sachverhalt ist (BGHZ 89, 250, 252; BGHZ 103, 255, 256 f). Daß die klagende Partei ihren Anspruch auf die zivilrechtlichen Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag stützt, ist für die Annahme einer bürgerlich-rechtlichen Angelegenheit nicht entscheidend (GmS-OGB BGHZ 108, 284, 286). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob der zur Klagebegründung vorgetragene Sachverhalt für die aus ihm hergeleitete Rechtsfolge von Rechtssätzen des Zivil- oder des Sozialversicherungsrechts geprägt wird (BGHZ 103, 255, 257).
2. Gemessen hieran hat das Beschwerdegericht zutreffend den Sozialrechtsweg für eröffnet gehalten.
a) Die Klägerin begehrt in der Sache eine Vergütung nach den Maßstäben des § 612 Abs. 2 BGB für die stationäre Behandlung des Mitglieds der Beklagten in ihrem Krankenhaus, wobei sie im Hinblick auf die fehlende vertragliche Beziehung zu der Beklagten geltend macht, sie habe deren sich aus der Krankenversicherung ergebende Sachleistungspflicht nach den Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag erfüllt. Da diese Regelungen jedoch auch im öffentlichen Recht Anwendung finden können (vgl. hierzu BSGE 67, 100, 101; BVerwGE 80, 170, 173; VGH Baden-Württemberg NJW 1977, 1843 f; OVG Lüneburg NVwZ 1991, 81; Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 10. Aufl., § 29 Rn. 9; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 4. Aufl., § 43, 1 c; Windthorst/Sproll, Staatshaftungsrecht, § 5), genügt der Hinweis auf die Vorschriften der §§ 677, 683 BGB nicht, um den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten zu begründen; vielmehr bedarf es jeweils der Feststellung, ob die Geschäftsführung privatrechtlicher oder öffentlich-rechtlicher Natur ist. Sie ist danach vorzunehmen, welchen Charakter das Geschäft gehabt hätte, wenn es vom Geschäftsherrn selbst vorgenommen worden wäre, wobei nicht nur Fälle in Betracht kommen, in denen ein Verwaltungsträger für einen anderen Verwaltungsträger handelt (so etwa in BSGE 67, 100, 101; BVerwG DÖV 1973, 490, 491), sondern auch Fallgestaltungen, in denen ein Privater Maßnahmen trifft, die zu den Aufgaben einer Behörde gehören (vgl. Senatsurteil vom 15. Dezember 1977 – III ZR 159/75 – NJW 1978, 1258 f; BVerwGE 80, 170, 172). Daß die dem Versicherten nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung geschuldete Leistung der Beklagten in den Bestimmungen des SGB V und damit im öffentlichen Recht wurzelt, steht außer Frage. Es entspricht auch der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß die Sozialgerichte über Rechtsstreitigkeiten im Abrechnungsverhältnis zwischen Krankenhausträger und gesetzlicher Krankenkasse über die stationäre Behandlung von Kassenpatienten zu entscheiden haben (BSGE 51, 108, 109; BSGE 67, 100; BGHZ 89, 250).
b) Die Richtigkeit dieser Überlegungen wird bestätigt, wenn man näher betrachtet, unter welchen rechtlichen Voraussetzungen die Klägerin eine „auftragsgemäße” Geschäftsführung für die Beklagte vornehmen könnte. Nach § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlungen nur durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen, nämlich durch Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulbauförderungsgesetzes, durch Krankenhäuser, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind, und durch Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Der insoweit notwendige Versorgungsvertrag nach § 109 SGB V, der für Hochschulkliniken und Plankrankenhäuser unter näheren Voraussetzungen fingiert wird, ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB X zwischen gleichgestellten Rechtssubjekten, mit dem das Krankenhaus zur Krankenhausbehandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassen wird (vgl. BSGE 51, 126, 128 zur früher geltenden Bestimmung des § 371 RVO; Krauskopf/Knittel, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, 3. Aufl., § 109 SGB V Rn. 2; Tuschen, in GKV-Kommentar, § 109 SGB V Rn. 2). Der nach § 109 Abs. 1 Satz 3 SGB V für alle Krankenkassen im Inland unmittelbar verbindliche Versorgungsvertrag wird um zweiseitige Verträge nach § 112 SGB V zwischen den Landesverbänden der Krankenkassen Krankenhausträgern andererseits ergänzt, die neben anderem Fragen der Kostenübernahme und Abrechnung von Entgelten regeln. Auch diese Verträge, mit denen sichergestellt werden soll, daß Art und Umfang der Krankenhausbehandlung den Anforderungen des SGB V entsprechen, sind öffentlich-rechtlicher Natur (vgl. Krauskopf/Knittel, a.a.O., § 109 Rn. 18, § 112 Rn. 2). Die hieraus folgende Einbindung der Krankenhäuser in ein System öffentlich-rechtlicher Verträge (vgl. hierzu Rüfner, NJW 1989, 1001, 1005), das dem der kassenärztlichen Versorgung sehr ähnlich ist, läßt für diesen Sachbereich für privatrechtliche Regelungen keinen Raum, so daß auch im Rahmen einer entsprechenden Anwendung der Regeln über die Geschäftsführung ohne Auftrag, nicht zuletzt im Zusammenhang mit § 679 BGB (Senatsurteil vom 15. Dezember 1977 a.a.O.; BVerwGE 80, 170, 173 f; BSGE 67, 100, 103), die öffentlich-rechtlichen Besonderheiten in einem Maße in Betracht zu ziehen sind, daß auch die Sachnähe für eine sozialgerichtliche Zuständigkeit spricht (BGHZ 103, 255, 257). Insoweit unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall von den Sachverhalten, die den Entscheidungen des Gemeinsamen Senats vom 10. April 1986 (BGHZ 97, 312) und 29. Oktober 1987 (BGHZ 102, 280) zugrunde lagen: dort standen privatrechtliche Beschaffungsverträge für Heil- und Hilfsmittel und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche in Rede.
c) Soweit in früheren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs der Zivilrechtsweg für Ansprüche von Krankenhausträgern und nicht zugelassenen Ärzten gegen Krankenkassen aus auftragsloser Geschäftsführung – auch wegen der üblichen Vergütung i.S. des § 612 Abs. 2 BGB – bejaht worden ist (BGHZ 23, 227, 228 f; Urteil vom 22. Oktober 1959 – VII ZR 114/58 – VersR 1960, 467; vgl. auch Urteile vom 20. November 1954 – II ZR 240/53 – VersR 1955, 49 und vom 161. Februar 1956 – II ZR 258/54 – VersR 1956, 235), hat der VI. Zivilsenat bereits im einzelnen ausgeführt, daß daran nicht festzuhalten ist (BGHZ 89, 250, 262 f). Dem folgt der Senat. Die Entscheidung BGHZ 33, 251 betrifft insofern einen anderen Fall, als es dort nicht um Aufwendungsersatz für Leistungen ging, die Gegenstand der aus dem Versicherungsverhältnis folgenden Pflichten der Krankenkasse waren, sondern um den Ersatz eines Verdienstausfalls, den der Geschäftsführer im Rahmen seiner Hilfe für den Versicherten erlitten hatte. Schließlich stehen auch die Senatsurteile vom 15. Dezember 1977 (a.a.O.) und vom 25. Februar 1993 (BGHZ 121, 367, 372, 373 f) der hier getroffenen Entscheidung nicht entgegen, weil in beiden Fällen einer mehrfachen Begründung des Klageanspruchs der Zivilrechtsweg jedenfalls hinsichtlich eines der konkurrierenden Klagegründe zulässig gewesen ist; unter diesen Umständen hat das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 GVG n.F.; zur früheren Rechtslage vgl. Senatsurteil vom 17. Mai 1990 – III ZR 191/88 – NVwZ 1990, 1103, 1104).
III.
Den Streitwert für das Beschwerdeverfahren hat das Oberlandesgericht auf 2.500 DM, d.h. 1/4 des Hauptsachewertes, festgesetzt. Diese Festsetzung ist für das vorliegende weitere Beschwerdeverfahren zu übernehmen. In der Rechtsprechung werden zum Beschwerdewert bei Rechtswegverweisungen unterschiedliche Positionen vertreten: voller Hauptsachewert (OLG Köln OLGR 1993, 140, 141; LAG Köln MDR 1993, 915); Bruchteil des vollen Hauptsachewertes in der Größenordnung von 1/3 (OLG Köln VersR 1994, 498, 499 f; OLG Frankfurt OLGR 1994, 119); Orientierung am Kosteninteresse (OLG Karlsruhe MDR 1994, 415; OLG Braunschweig DAR 1993, 390, 391; zusammenfassende Darstellung des Meinungsstandes bei Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl. 1996 Rn. 3846 a). Der Senat hat diese Frage mit Beschluß vom 19. Dezember 1996 (III ZB 105/96, zur Veröffentlichung vorgesehen) dahin entschieden, daß ein Bruchteil des Hauptsachewertes maßgeblich ist, wobei Schwankungen in einer Größenordnung von etwa 1/3 bis 1/5 denkbar sind. Hierfür ist insbesondere die Erwägung maßgebend, daß nach der Neugestaltung des Verweisungsverfahrens die Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs nicht mehr zur Klageabweisung durch Prozeßurteil führen kann. Vielmehr hat die Verweisung von Amts wegen stattzufinden; ein Antrag des Klägers ist nicht mehr erforderlich (BAG DB 1996, 1578). Deshalb ist es, wie das OLG Köln (VersR 1994, 498, 500) zutreffend hervorhebt, sachlich nicht gerechtfertigt, das Interesse des Rechtsmittelführers im Beschwerdeverfahren, den Rechtsstreit in dem seiner Meinung nach eröffneten Gerichtszweig zu entscheiden, mit dem Interesse an einer Hauptsacheentscheidung gleich zu bewerten. Das Rechtsweginteresse ist vielmehr deutlich niedriger anzusetzen, wobei aus Gründen der Praktikabilität die Orientierung an einem Bruchteil des Hauptsachewertes zu erfolgen hat.
Unterschriften
Rinne, Werp, Wurm, Dörr, Ambrosius
Fundstellen
NJW 1997, 1636 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
DÖV 1997, 603 |
KHuR 1997, 18 |
KHuR 1997, 38 |
PharmaR 1997, 214 |