Entscheidungsstichwort (Thema)
unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 11. Oktober 2000 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten „wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 100 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 2. Februar 2000 und Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts verkaufte der Angeklagte „in der Zeit zwischen Anfang 1997 und Ende 1998 – genauere Tatzeiten konnten in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden – … nahezu wöchentlich in insgesamt 100 Fällen jeweils mit Gewinn … an Willi R. Haschisch” in Stangenform. Die Stangen wiesen ein Gewicht zwischen 3 und 4 g auf. In 80 der Fälle kaufte Willi R. eine Haschischstange, in weiteren 20 Fällen zwischen 2 und 4 Haschischstangen.
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen hat das Landgericht ohne weitere Erörterung 100 selbständige Taten des – gewerbsmäßig begangenen – unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG) angenommen. Zwar hat es insoweit allein auf die Verkaufsakte abgestellt, ohne dabei die in der Rechtsprechung zur Bewertungseinheit beim Handeltreiben mit Betäubungsmitteln entwickelten Grundsätze (BGHSt 30, 28; 31, 163) in Erwägung zu ziehen. Doch begründet dies insoweit hier keinen durchgreifenden Rechtsfehler. Denn dem Urteil sind konkrete Anhaltspunkte dafür, daß der – zur Sache schweigende – Angeklagte die Verkäufe an Willi R. oder jedenfalls mehrere dieser Veräußerungsgeschäfte aus einer größeren Vorratsmenge getätigt hat (vgl. BGHR BtMG § 29 Bewertungseinheit 4, 5, 11, 13; BGH, Beschlüsse vom 28. Oktober 1999 – 4 StR 479/99 – und vom 15. März 2000 – 2 StR 614/99), nicht zu entnehmen.
3. Das Urteil kann aber keinen Bestand haben, weil jedenfalls für die im Tatzeitraum zwischen Ende Januar 1998 und September 1998 begangenen Taten das Verfahrenshindernis des Strafklageverbrauchs durch das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 2. Februar 2000 in Betracht kommt, dessen Einzelstrafen das Landgericht in das angefochtene Urteil einbezogen hat. In jenem Verfahren wurde der Angeklagte wegen „unerlaubten gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 93 Fällen und wegen unerlaubter gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige in fünf Fällen” zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Dem lagen die Feststellungen zugrunde, daß der Angeklagte, der „als ‚der Haschischverkäufer’ in Neustadt an der Weinstraße im Jahr 1998 bezeichnet wurde” in der Zeit von „etwa Ende Januar 1998 bis in den September 1998 hinein … im Bereich Neustadt an der Weinstraße einen schwunghaften Handel mit Haschisch” betrieb und dabei bis in den Juni 1998 hinein an W. „fast täglich, insgesamt jedoch mindestens in 90 Einzelfällen” jeweils mindestens 1 g Haschisch, im Zeitraum August/September 1998 in drei Fällen jeweils 5 g an S. und zwischen März und September 1998 in fünf Fällen jeweils 1 bzw. 2 g Haschisch an den Jugendlichen D. gewinnbringend veräußerte (UA 4/5). Nunmehr hat das Landgericht zu den allgemeinen Umständen des von dem Angeklagten „im Bereich des Bahnhofs Neustadt an der Weinstraße” betriebenen Haschischhandels festgestellt, daß er „regelmäßig mehrmals wöchentlich” zur selben Zeit mit dem Zug aus Richtung Mannheim in Neustadt an der Weinstraße eintraf, „seine Kunden” im Bahnhofsbereich bei einem Cafe auf ihn warteten, „die er lediglich knapp ‚wie viel’ fragte, um dann die gewünschte Haschischmenge, in der Regel kleinere Portionen … auszuhändigen. Reichte sein … mitgeführter Haschischvorrat nicht aus, entfernte er sich kurz, um dann nach einigen Minuten mit weiterem ‚Stoff’ zurückzukommen” (UA 8). Bei dieser Sachlage liegt es nahe, kann jedenfalls aber nicht ausgeschlossen werden, daß die Verkäufe an den Abnehmer Willi R. im Zeitraum Ende Januar bis September 1998 sich ganz oder teilweise mit den rechtskräftig abgeurteilten Veräußerungsgeschäften überschneiden. Das drängt sich schon deshalb auf, weil nach Angaben des Willi R. der Angeklagte „damals der einzige ihm bekannte Verkäufer in Neustadt an der Weinstraße” war, von dem er „ebenso wie etwa zehn weitere ihm aus dem Neustadter Bahnhofsmilieu bekannte Haschischkonsumenten” gekauft hätten (UA 9). Die vom Angeklagten am selben Tag in Neustadt an der Weinstraße getätigten Haschischverkäufe erfolgten nach den Feststellungen aus einer Vorratsmenge. Deshalb bildet die von dem Angeklagten zumindest am selben Tag entfaltete Handelstätigkeit unabhängig von der Anzahl der Abnehmer jeweils eine rechtliche Bewertungseinheit und damit nureine Tat im Rechtssinne. Soweit dies der Fall ist, ist die Strafklage verbraucht. Über die Frage, ob die tatsächlichen Voraussetzungen dieses Verfahrenshindernisses vorliegen, ist nach dem Grundsatz „in dubio pro reo” zu entscheiden. Gründe der Grenzen der gerichtlichen Kognitionspflicht bei Bekanntwerden der Voraussetzungen einer Bewertungseinheit im späteren Verfahren (vgl. dazu BGHSt 43, 252, 257) stehen hier einem Strafklageverbrauch schon deshalb nicht entgegen, weil – wie das Urteil ausweist – alle Umstände bekannt waren, die einen Zusammenhang der hier und im früheren Verfahren abgeurteilten Fällen des Handeltreibens ergeben.
4. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden und das Verfahren teilweise einstellen. Denn die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Strafklageverbrauch eingetreten ist, bedarf weiter gehender tatsächlicher Feststellungen, die zu treffen hier Aufgabe des Tatrichters ist, an den der Senat die Sache deshalb zurückverweist. Unter den hier gegebenen Umständen, zumal angesichts der nicht genau feststellbaren Tatzeiten und der nur aufgrund einer Annahme „zu Gunsten des Angeklagten” festgestellten Anzahl der Verkaufsfälle (UA 11), hält es der Senat auch nicht für tunlich, das Urteil insoweit aufrechtzuerhalten, als es einen über den Tatzeitraum des früheren Urteils hinausgehenden Tatzeitraum betrifft. Vielmehr hebt der Senat das Urteil insgesamt auf, um dem neuen Tatrichter die Gelegenheit zu widerspruchsfreien Feststellungen zu geben.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich darauf hin, daß dem Handeltreiben mit Kleinstmengen von Haschisch ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit im Sinne des § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG die Annahme eines besonders schweren Falles mit Blick auf die angedrohte Mindeststrafe von einem Jahr besonders eingehender Prüfung bedarf.
Unterschriften
Maatz, Kuckein, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 564859 |
StV 2002, 235 |