Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 01.09.2020; Aktenzeichen 22 KLs 6/20) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 1. September 2020 im Rechtsfolgenausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 28 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
Rz. 2
1. Der Schuldspruch weist Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht auf.
Rz. 3
2. Hingegen begegnet der Strafausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da das Landgericht weder bei der Festsetzung der Einzelstrafen noch bei der Bildung der Gesamtstrafe erörtert hat, dass gegen den Angeklagten zugleich die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist.
Rz. 4
a) Zu den bei der Strafzumessung nach § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB zu berücksichtigenden Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Angeklagten in der Gesellschaft zu erwarten sind, kann auch die Wechselwirkung zwischen der verhängten Strafe und einer Maßregel der Besserung und Sicherung gehören. Zwar besteht nicht in jedem Fall eine Abhängigkeit dergestalt, dass Freiheitsstrafe und Maßregel eine getrennte Beurteilung ausschließen würden (vgl. BGH, Urteil vom 23. Februar 1994 – 3 StR 679/93, BGHR StGB § 66 Strafausspruch 1). Die Strafhöhe kann indes durch diese Wechselwirkung beeinflusst werden; beide Sanktionen müssen nicht nur einzeln, sondern auch zusammen angemessen sein (vgl. zuletzt Senat, Beschluss vom 21. Januar 2021 – 2 StR 188/20; vgl. auch BGH, Urteile vom 21. Oktober 2004 – 4 StR 325/04, NStZ-RR 2005, 39; vom 29. November 2005 – 5 StR 339/05, NStZ-RR 2006, 105; vom 19. Juni 2008 – 4 StR 114/08, NJW 2008, 3008; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133, 179).
Rz. 5
b) Gemessen daran lassen die Urteilsgründe im vorliegenden Fall nicht erkennen, dass die Strafkammer bei der Bemessung die zugleich angeordnete Sicherungsverwahrung in den Blick genommen hat. Dies wäre hier jedoch gerade mit Blick auf die hohen Einzelstrafen und vor dem Hintergrund einer nur formelhaft begründeten Gesamtstrafe geboten gewesen, weshalb der Senat nicht ausschließen kann, dass die Strafkammer bei rechtsfehlerfreier Würdigung zu niedrigen Gesamtstrafen gelangt wäre.
Rz. 6
3. Dies führt zur Aufhebung der Einzelstrafen und auch des Gesamtstrafenausspruchs, und lässt die formellen Voraussetzungen der – im Übrigen rechtsfehlerfrei angeordneten – Sicherungsverwahrung in Wegfall geraten. Aus diesem Grund war auch diese Maßregel aufzuheben (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Februar 2021 – 2 StR 461/20).
Unterschriften
Franke, Krehl, Eschelbach, Zeng, Meyberg
Fundstellen
Haufe-Index 14900628 |
NStZ-RR 2021, 369 |
StV 2022, 293 |