Verfahrensgang
LG Bonn (Urteil vom 16.11.2007) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 16. November 2007, soweit es ihn betrifft,
- in der Urteilsformel dahin ergänzt, dass der Angeklagte im Übrigen freigesprochen wird; insoweit fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last,
- im Ausspruch über den Verfall von Wertersatz mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt; zudem hat es gegen ihn den Verfall von Wertersatz in Höhe von 72.900 EUR angeordnet und insoweit auf eine gesamtschuldnerische Haftung mit zwei Mitangeklagten erkannt.
Rz. 2
Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 3
1. Im Fall 9 der Urteilsgründe war der Angeklagte im Übrigen freizusprechen.
Rz. 4
Mit der Anklageschrift vom 24. Juni 2007 und dem Eröffnungsbeschluss vom 23. August 2007 war dem Angeklagten in den Fällen 14 und 15 der Anklage zur Last gelegt worden, durch zwei rechtlich selbständige Handlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen zu haben. Das Landgericht hat diese Anklagepunkte als eine einheitliche Tat gewertet und den Angeklagten auch insoweit wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dies bezog sich jedoch nur auf seine Beteiligung an dem dem Fall 14 der Anklage zugrunde liegenden Sachverhalt; in Übereinstimmung mit ihren Feststellungen weist die Strafkammer in der rechtlichen Würdigung darauf hin, dass der Angeklagte an dem weiteren Geschehen – Fall 15 der Anklage – nicht mehr beteiligt war (UA 70). Bei dieser Sachlage hätte es den Angeklagten hinsichtlich des weitergehenden Tatvorwurfs freisprechen müssen, da ansonsten der Eröffnungsbeschluss nicht erschöpft ist (vgl. BGHSt 44, 196, 202; BGH NJW 1992, 989; 991; bei Kusch NStZ 1993, 29 [Nr. 16]; Beschl. vom 20. Juni 2007 – 2 StR 181/07; Meyer-Goßner StPO 50. Aufl. § 260 Rdn. 13). Dies holt der Senat mit der Kostenfolge aus § 467 Abs. 1 StPO nach.
Rz. 5
2. Die Anordnung des Wertersatzverfalls in Höhe von 72.900 EUR hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 6
Das Landgericht hat die Höhe des Geldbetrages nicht nachvollziehbar begründet. Es ist „zu … Gunsten” des Angeklagten von einem (Mindest-)Verkaufspreis von 27 EUR pro Gramm Kokain ausgegangen. Der Angeklagte war in den Fällen 6, 7 und 8 der Urteilsgründe an den Betäubungsmittelgeschäften der Mitangeklagten J. und B. beteiligt; die festgestellte Menge an von ihm eingeführtem Kokain beläuft sich auf 671,97 Gramm. Bei einer Multiplikation mit dem von der Strafkammer unterstellten Verkaufspreis pro Gramm ergibt dies einen Erlös in Höhe von 18.143,19 EUR. Im Fall 9, der die Einfuhr und Lieferung von 2 kg Kokain betraf, erzielte die Tätergruppe um den Angeklagten keinen Erlös, da das Rauschgift vor der Bezahlung an den Mitangeklagten B. sichergestellt wurde. Hierauf hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend hingewiesen. Aus den bisher getroffenen Feststellungen ergibt sich auch nicht, dass die Forderung aus dem Drogengeschäft werthaltig gewesen wäre (vgl. BGH NStZ 2003, 198, 199).
Rz. 7
Darüber hinaus begegnet es durchgreifenden Bedenken, dass die Strafkammer ohne nähere Begründung davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe den gesamten Erlös aus den drei Betäubungsmittelgeschäften gemäß den §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB – unmittelbar – erlangt. Erlangt ist ein Vermögensvorteil dann, wenn der Tatbeteiligte die faktische (Mit-)Verfügungsgewalt über den Gegenstand erworben hat (BGH NStZ 2003, 198 f.; NStZ-RR 2007, 121; Beschl. vom 6. Februar 2008 – 2 StR 442/07; Fischer StGB 55. Aufl. § 73 Rdn. 16). Dies hat das Landgericht in Bezug auf den Gesamterlös der genannten Betäubungsmittelgeschäfte nicht festgestellt. Dieser Schluss ist nach den getroffenen Feststellungen auch nicht offensichtlich. Danach war der Angeklagte nur für den Transport der Drogen von den Niederlanden nach Deutschland zuständig. Daraus allein kann nicht geschlossen werden, dass der Angeklagte selbst die später von den Haupttätern des Handeltreibens erzielten Erlöse auch nur zu seiner Mitverfügungsgewalt erhalten hat (vgl. zu den Kurierfällen BGHSt 36, 251; 51, 65, 68; BGH NStZ 2004, 440; NStZ-RR 2007, 121). Als hinreichend sicher „erlangt” gemäß den §§ 73 Abs. 1 Satz 1, 73 a Satz 1 StGB ist daher nach den bisher getroffenen Feststellungen nur der jeweils vom Mitangeklagten J. an den Angeklagten tatsächlich ausgezahlte Kurierlohn von 2 EUR pro Gramm eingeführten Kokains (UA 15) anzusehen.
Rz. 8
Der neue Tatrichter wird daher die Berechnung oder Schätzung des Betrages des Wertersatzverfalls nachvollziehbar darzulegen und auch die Härtevorschrift des § 73 c StGB erkennbar in seine Überlegungen einzubeziehen haben.
Unterschriften
Rissing-van Saan, Fischer, Roggenbuck, Cierniak, Schmitt
Fundstellen