Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 17.12.2019) |
Tenor
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 17. Dezember 2019 wird als unbegründet verworfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Ein Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens bzw. § 265 StPO liegt nicht vor. Denn das Landgericht war nach der in der Hauptverhandlung im Anschluss an die Aussage der Nebenklägerin erfolgten Begrenzung des Haftbefehls auf die Taten 2 und 3 nicht verpflichtet, den Angeklagten darauf hinzuweisen, dass weiterhin auch eine Verurteilung wegen Tat 1 der Anklage in Betracht komme.
Folgendes Verfahrensgeschehen liegt zugrunde:
Nachdem die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung abweichend von ihren Aussagen im Ermittlungsverfahren den Tat 1 der Anklage zugrundeliegenden Geschlechtsverkehr als einvernehmlich geschildert hatte, beantragte der Verteidiger des Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls. Das Landgericht hat diesen mit der Maßgabe aufrechterhalten, „dass dringender Tatverdacht wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen besteht” (Taten 2 und 3 der Anklage).
Die Entscheidung über die Haftfrage ist nicht geeignet, die rechtlichen Grenzen der Hauptverhandlung zu bestimmen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1967 – 4 StR 485/67, BGHSt 22, 29, 31; Beschluss vom 24. Januar 2019 – 1 StR 298/18), und konnte deshalb beim Angeklagten auch keinen diesbezüglichen Vertrauenstatbestand begründen (§ 265 Abs. 2 Nr. 2 StPO). Insofern liegt die Sache anders als bei einer Abweichung von den Grundsätzen der Beweiskontinuität (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 26. September 2018 – 2 StR 283/18, NStZ 2019, 103 m. Anm. Schneider; Ceffinato, JR 2020, 6, 9), weil das Landgericht sich zu Inhalt und Ergebnis einzelner Beweiserhebungen nicht erklärt (vgl. dazu BGH, Urteil vom 9. Mai 2019 – 1 StR 688/18) und aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die für den Erlass eines Haftbefehls und eine Verurteilung gelten (vgl. zu letzterer nur LR-StPO/Sander, 26. Aufl., § 261 Rn. 7 ff., 14), mit seiner Entscheidung über die Haftfrage auch seine Beweiswürdigung nicht offengelegt hat. Dies gilt hier umso mehr, als das Landgericht auch im weiteren Fortgang der Hauptverhandlung von seinem Beweisprogramm nicht abgewichen ist, worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hinweist. Eine veränderte Sachlage im Sinne von § 265 Abs. 2 Nr. 3 StPO hat der geänderte Haftbefehl nicht herbeigeführt.
Unterschriften
Sander, Schneider, König, von Schmettau, Fritsche
Fundstellen
Haufe-Index 14025611 |
NStZ-RR 2022, 239 |