Verfahrensgang
LG Chemnitz (Urteil vom 07.11.2017) |
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Chemnitz vom 7. November 2017 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt R.
Soweit geltend gemacht wird, die „Handzeichen” unter der Urteilsurkunde erfüllten die Anforderungen von Unterschriften nicht, sondern seien als Paraphen zu qualifizieren (Verstoß gegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO), ist die Rüge unbegründet. Es handelt sich um die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnende Schriftzüge mit individuellen, charakteristischen Merkmalen, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2010 – VIII ZB 67/09). Leserlich müssen sie nicht sein.
Soweit als Verstoß gegen § 338 Nr. 6 StPO die unzulässige Erweiterung der Öffentlichkeit geltend gemacht wird, handelt es sich um eine Rüge nach § 337 StPO, und nicht nach § 338 Nr. 6 StPO; der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer etwaigen Rechtsverletzung beruht.
2. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Ru.
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO durch Ablehnung der Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß (erneutem) Beweisantrag vom 3. November 2017 ist jedenfalls unbegründet.
Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Ablehnung ihres Antrages vom 21. August/12. September 2017 sei verspätet erfolgt, ist ihre Rüge jedenfalls unbegründet. Die Strafkammer war nicht gehalten, unverzüglich nach Antragstellung eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese längstens bis zum Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 StPO) zurückstellen (vgl. BGH, Beschluss vom 17. November 2010 – 1 StR 145/10, NStZ 2011, 168). Soweit sie rügt, der Ablehnungsbeschluss der Strafkammer vom 3. November 2017 beziehe sich unter Verstoß gegen § 261 StPO auf die Einlassung des Nichtrevidenten in der Hauptverhandlung, weil dieser sich nie entsprechend eingelassen habe, ist die Rüge unzulässig. Der Nichtrevident hat sich unter anderem in den Hauptverhandlungen vom 21. und 28. August sowie 20. Oktober 2017 zur Sache eingelassen. Die Feststellung der Inhalte seiner Angaben ist wegen des Rekonstruktionsverbots nicht möglich.
Die Verfahrensrüge nach § 261 StPO (Verstoß gegen das sogenannte Ausschöpfungsgebot) ist unzulässig. Die Angeklagte macht insoweit geltend, die Urteilsgründe hätten angeben müssen, dass die Einlassung des Nichtrevidenten in der Hauptverhandlung zustandegekommen sei, ohne dass die Verteidiger der Angeklagten Fragen an den Nichtrevidenten habe stellen können, weil er solche nicht zugelassen habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Der Nichtrevident hatte vielmehr seine Bereitschaft erklärt, Fragen, die von der Strafkammer für sachdienlich gehalten würden, zu beantworten. Daraufhin hat einer der Verteidiger der Angeklagten durch Schriftsätze vom 8. Juni und 14. August 2017 Fragenlisten übersandt, die durch das Tatgericht den Verteidigern des Nichtrevidenten zugeleitet wurden. Der Nichtrevident hat in den Hauptverhandlungen am 21. Juli und 20. Oktober 2017, also jeweils nach Einreichung der beiden Fragenlisten, zur Sache ausgesagt. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Nichtrevident in diesen Einlassungen zu den Fragen Stellung genommen hat oder diese sich angesichts seiner Einlassungen erledigt haben, kann ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
3. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt M.
Die Rüge betreffend die fehlende Verwertung der Erkenntnisse aus der Verlesung von WhatsApp-Kommunikation im Urteil (Verstoß gegen § 261 StPO) ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die Rüge, das Landgericht habe die Einlassung der Angeklagten zur Sache unter Verletzung des § 261 StPO nur teilweise in der Urteilsbegründung gewürdigt, hat ebenfalls keinen Erfolg. Da der Wortlaut der von der Angeklagten vorgelesenen Erklärung nicht Gegenstand der Hauptverhandlung geworden ist, scheitert die „Inbegriffsrüge” an dem in der Revisionsinstanz geltenden Strukturprinzip des Verbots der inhaltlichen Rekonstruktion der tatrichterlichen Beweiserhebungen. Nur dann, wenn das Gericht ausnahmsweise die förmliche Verlesung einer verschrifteten Einlassung im Wege des Urkundenbeweises anordnet, bewirkt der Vollzug dieser Anordnung, dass der Wortlaut des Schriftstücks in die Hauptverhandlung eingeführt wird und deshalb in der Revisionsinstanz als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen werden muss (BGH, Beschluss vom 14. August 2003 – 3 StR 17/03, NStZ 2004, 163, 164; vom 27. Februar 2007 – 3 StR 38/07, NStZ 2007, 349; KK/Schneider, StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 57 mwN).
Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Rechts der Angeklagten auf konfrontative Befragung des Nichtrevidenten (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 3 Buchst. d EMRK) ist unzulässig. Entgegen dem Vortrag der Revision ist es bereits unzutreffend, dass die Fragenliste vom 14. August 2017 vom Tatgericht nicht weitergegeben worden sei (vgl. die mit Erledigungsvermerk versehene Verfügung des Richters am Landgericht B., Bl. 3531R PB). Im Übrigen wird auf die Ausführungen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Ru. sowie die in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts unter Gliederungspunkt I.1.b) verwiesen.
Unterschriften
Mutzbauer, Sander, Schneider, Mosbacher, Köhler
Fundstellen
Haufe-Index 12042907 |
NStZ-RR 2020, 200 |