Verfahrensgang
LG Hannover (Urteil vom 21.02.2014) |
Tenor
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. Februar 2014 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
In Ergänzung der Antragsschriften des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
Die Rüge des Angeklagten A., seine Ablehnungsgesuche gegen die erkennenden Richter seien zu Unrecht abgelehnt worden (Ziffer I.1. der Revisionsbegründung), ist schon unzulässig, weil die Revision die dienstlichen Erklärungen der abgelehnten Richter nicht mitteilt.
Die Rüge, sein Recht auf vollständige Akteneinsicht sei verletzt worden, weil ihm keine Einsicht in die Akten des Jobcenters gewährt worden sei (Ziffer I.2. der Revisionsbegründung des Angeklagten A.), ist unbegründet, weil die Strafkammer diese Akten nicht beigezogen hat und folglich insoweit keine Akteneinsicht gewähren konnte und musste.
Die Rüge des Angeklagten A., das Landgericht habe gegen seine Aufklärungspflicht verstoßen, weil es den in einem Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls enthaltenen aufklärungsbedürftigen Anhaltspunkten nicht nachgegangen sei (Ziffer I.5. der Revisionsbegründung), ist unzulässig, weil die Revision nicht mitteilt, welche Beweiserhebungen die Strafkammer hätte durchführen sollen und zu welchem bestimmten Beweisergebnis diese geführt hätten. Letzteres gilt auch für die Aufklärungsrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung. Ob der in dieser Rüge mitgeteilte Antrag auf Vernehmung der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt worden ist, bedarf keiner Entscheidung, weil die Beanstandung ausdrücklich als Aufklärungsrüge, nicht aber als Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO erhoben worden ist (zum Wahlrecht des Revisionsführers, die Ablehnung eines Beweisantrages mit der Rüge der Verletzung des Beweisantragsrechts oder / und mit der Aufklärungsrüge anzugreifen, vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – 3 StR 337/10, NStZ 2011, 471, 472; LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 244 Rn. 380).
Die Rüge des Angeklagten A., sein Recht auf ein faires Verfahren und auf vollständige Akteneinsicht seien verletzt worden, weil ihm nicht die Einsicht in die Akten anderer Ermittlungsverfahren gegen ihn gewährt und das Verfahren nicht bis dahin ausgesetzt worden sei (Ziffer I.7. der Revisionsbegründung) ist schon deshalb unzulässig, weil die Revision den zu diesem Antrag gehörenden Ablehnungsbeschluss der Strafkammer nicht mitteilt, sondern stattdessen – erneut – den Beschluss, mit dem der Aussetzungsantrag, der Gegenstand der Verfahrensrüge unter Ziffer I.6. der Revisionsbegründung ist, beschieden worden war.
Die Aufklärungsrüge des Angeklagten A. unter Ziffer I.8. der Revisionsbegründung ist unzulässig, weil die Revision nichts dazu vorträgt, was die Strafkammer zu der beantragten Beweiserhebung gedrängt haben könnte. Gleiches gilt für die vom Generalbundesanwalt nicht erörterte neunte Verfahrensbeanstandung, die aufgrund eines Zählfehlers des Verteidigers des Angeklagten ebenfalls mit der Ziffer I.8. versehen worden ist.
Die Rüge, der Antrag auf Vernehmung des Zeugen M. sei unter Verstoß gegen § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden (Ziffer I.9. der Revisionsbegründung des Angeklagten A.), ist unbegründet. Soweit die Strafkammer hierzu lediglich ausgeführt hat, die unter Beweis gestellte Tatsache stehe in keinem Zusammenhang mit der vorgeworfenen Tat, ist dies allerdings nicht rechtsbedenkenfrei: Die Ablehnung eines Beweisantrages wegen Bedeutungslosigkeit erfordert in aller Regel, dass der Beschluss konkrete Erwägungen darüber enthält, warum das Tatgericht aus der Beweistatsache keine entscheidungserheblichen Schlussfolgerungen ziehen will. Die Anforderungen an diese Begründung entsprechen grundsätzlich denjenigen, denen das Tatgericht genügen müsste, wenn es die Indiz- oder Hilfstatsache durch Beweiserhebung festgestellt und sodann in den schriftlichen Urteilsgründen darzulegen hätte, warum sie auf seine Überzeugungsbildung ohne Einfluss geblieben ist (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 1. Oktober 2013 – 3 StR 135/13, NStZ 2014, 110 mwN). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt indes in Fällen, in denen die Bedeutungslosigkeit für jeden Verfahrensbeteiligten offensichtlich ist. So verhält es sich hier: Der Zeuge sollte bekunden, dass die Reparatur seines Fahrzeuges durch den Zeugen I. mangelhaft gewesen sei. Dass die durch den Zeugen I. durchgeführten Reparaturen Anlass zu Reklamationen geben konnten, hatte die Kammer indes bereits durch die Vernehmung des Schwagers des Angeklagten festgestellt. Angesichts dessen war offensichtlich, dass die Vernehmung des Zeugen – lediglich ein weiterer unzufriedener Kunde des I. – keinen Einfluss auf die Überzeugungsbildung der Strafkammer – auch nicht betreffend die Glaubwürdigkeit des Zeugen I. – haben konnte; die knappe Begründung der Strafkammer war deshalb ausreichend. Aus den gleichen Gründen würde das Urteil – wollte man die Begründung nicht ausreichen lassen – auf dem Verfahrensmangel nicht beruhen (vgl. zum Ganzen LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 226 mwN).
Die Rüge unter Ziffer I.10. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist ebenfalls unbegründet. Die Verteidigung hatte die Einholung eines fachpsychiatrischen/fachpsychologischen Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass der Angeklagte zur Tatzeit an einer bipolaren affektiven Störung sowie an pathologischer Spielsucht gelitten habe und deshalb seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben, jedenfalls aber erheblich eingeschränkt gewesen sei. Diesen Antrag habe die Strafkammer mit rechsfehlerhafter Begründung abgelehnt. In der Tat begegnet die Begründung des Landgerichts, die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei ein völlig ungeeignetes Beweismittel, weil es an Anknüpfungstatsachen fehle, erheblichen rechtlichen Bedenken: Bei der Beantwortung, ob ein Beweismittel völlig ungeeignet ist, ist ein strenger Maßstab anzulegen. Dies gilt auch für den Sachverständigenbeweis. Von völliger Ungeeignetheit kann deshalb etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn der Sachverständige die erforderlichen Anknüpfungstatsachen aufgrund eigener Sachkunde selbst zu ermitteln vermag (BGH, Beschluss vom 1. Dezember 1989 – 2 StR 541/89, StV 1990, 98, 99). Auch reicht es aus, wenn der Sachverständige hinsichtlich der Beweisfrage nur Möglichkeiten oder mehr oder weniger große Wahrscheinlichkeiten aufzeigen kann; denn auch solche Bekundungen eines Sachverständigen können Einfluss auf die Beweiswürdigung haben (LR/Becker, aaO, § 244 Rn. 239 mwN). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts ist hier auch von einem Beweisantrag auszugehen. Mit der Nennung zweier Diagnosen, die der Sachverständige stellen soll, bezeichnet der Beweisantrag – schlagwortartig – Tatsachenbehauptungen, die über die bloße Schlussfolgerung der Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit hinausgehen. Auf einem etwaigen Verfahrensfehler beruht das Urteil indes nicht, weil ausgeschlossen werden kann, dass die Strafkammer – sachverständig beraten – zu der Überzeugung hätte gelangen können, der Angeklagte sei bei Begehung der Taten aufgrund einer bipolaren Störung und einer Spielsucht (je für sich oder in Kombination) in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt gewesen: Aus dem von dem Angeklagten vorgelegten Attest ergibt sich, dass mit Blick auf die bipolare Störung depressive Erscheinungen imponieren, die im Zusammenhang mit dem gegen ihn geführten Strafverfahren stehen. Angesichts dessen kann insoweit eine erhebliche Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit – für eine Beeinträchtigung der Einsichtsfähigkeit ist angesichts des Krankheitsbildes ohnehin kein Raum – sicher ausgeschlossen werden. Auch „Pathologisches Spielen” oder „Spielsucht” stellt für sich genommen keine die Schuldfähigkeit erheblich einschränkende oder ausschließende krankhafte seelische Störung oder schwere andere seelische Abartigkeit dar. Maßgeblich ist insoweit vielmehr, ob der Betroffene durch seine „Spielsucht” gravierende psychische Veränderungen in seiner Persönlichkeit erfährt, die in ihrem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung gleichwertig sind. Nur wenn die „Spielsucht” zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen führt oder der Täter bei Beschaffungstaten unter starken Entzugserscheinungen gelitten hat, kann ausnahmsweise eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit im Sinne von § 21 StGB anzunehmen sein (BGH, Beschluss vom 17. September 2013 – 3 StR 209/13, juris Rn. 5 mwN). Solche Besonderheiten in der Persönlichkeit des Angeklagten sind nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Strafkammer – insbesondere auch mit Blick auf das planvolle Vorgehen des Angeklagten über einen längeren Zeitraum – nicht ersichtlich.
Die Rüge unter Ziffer I.11. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist zulässig erhoben. Die in dem Ablehnungsbeschluss zitierte Anlage 5, deren Vortrag der Generalbundesanwalt vermisst, ist der Beweisantrag, den die Revision vollständig mitgeteilt hat. Die Rüge ist indes aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die von beiden Angeklagten erhobene Rüge, der Antrag auf erneute Vernehmung des Zeugen L. sei unter Verletzung des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO mit unzureichender Begründung abgelehnt worden, ist unbegründet: Angesichts der rechtsfehlerfreien Ablehnung des Beweisbegehrens drängte auch unter Aufklärungsgesichtspunkten nichts zu der erneuten Vernehmung des Zeugen. Gleiches gilt hinsichtlich der unter Ziffer I.13. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. erhobenen Aufklärungsrüge. Auch insoweit hat die Strafkammer die Anträge des Angeklagten mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt; deshalb war sie nicht gedrängt, die Beweise gleichwohl zu erheben.
Hinsichtlich der Verfahrensbeanstandungen Ziffer I.14. und I.15. aus der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist bereits die Stoßrichtung der Rügen unklar. Im Übrigen hat das Landgericht auch hier die Anträge der Verteidigung jeweils mit rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt.
Die Rüge unter Ziffer I.16. der Revisionsbegründung des Angeklagten A. ist unbegründet. Die Formulierung der Strafkammer, die Beweistatsache, dass das bei der Tat mitgeführte Messer sich bei zwei Kontrollen im März 2012 in der Ablage der Fahrertür befunden habe, lasse keinen Schluss darauf zu, wo sich das Messer während der Tat befunden habe, ist allerdings nicht rechtsbedenkenfrei, weil sich auch der Schluss hätte ziehen lassen, dem Angeklagten sei seine Einlassung, er habe das Messer erst nach der Tat in seine Jackentasche gesteckt, nicht zu widerlegen. Dem Beschluss lässt sich indes bei verständiger Würdigung entnehmen, dass die Kammer damit nur zum Ausdruck gebracht hat, dass das Beweisergebnis einen zwingenden Schluss nicht zulasse, sie den bloß möglichen Schluss aber nicht ziehen wollte.
Den Antrag auf Vernehmung einer Leumundszeugin (Ziffer I.17. der Revisionsbegründung des Angeklagten A.) hat die Strafkammer zu Recht abgelehnt, weil sie sich zu der Beweiserhebung nicht gedrängt sehen musste. Angesichts der Vielzahl der Beweismittel, die die Aussage des Zeugen I. stützten, lag eine Situation „Aussage gegen Aussage” ohnehin nicht vor.
Unterschriften
Becker, Pfister, RiBGH Mayer befindet sich im Urlaub und ist daher gehindert zu unterschreiben. Becker, Gericke, Spaniol
Fundstellen
Haufe-Index 7446116 |
NStZ-RR 2015, 163 |
NStZ-RR 2015, 164 |
NStZ-RR 2015, 8 |
StV 2015, 206 |
RPsych 2015, 93 |