Verfahrensgang
Gründe
1. Die Beschwerde macht zwar mit Recht geltend, dass nach § 1829 Abs. 1 Satz 2 BGB selbst eine vom Vormundschaftsgericht erteilte Genehmigung dem Vertragspartner gegenüber erst wirksam wird, wenn der Vormund bzw. Betreuer sie diesem mitteilt. Damit soll der Betreuer nochmals Gelegenheit erhalten, im Interesse des Mündels zu prüfen, ob er den Vertrag schließen will, eine Entscheidung, die allein dem pflichtgemäßen Ermessen des Betreuers unterliegt. Der Vertragspartner kann den Betreuer zu einer solchen Mitteilung auffordern; teilt der Betreuer dann die Genehmigung nicht binnen zwei Wochen mit, gilt sie als verweigert (§ 1829 Abs. 2 BGB). Deshalb ist anerkannt, dass der gesetzliche Vertreter, wenn er die Interessen seines Mündels für gefährdet hält, berechtigt und verpflichtet ist, den Antrag auf vormundschaftsgerichtliche Genehmigung zu unterlassen oder aber nach Erteilung der Genehmigung von deren Mitteilung an den Vertragspartner abzusehen. Der Vertragsgegner kann sich in diesen Fällen gerade nicht auf § 162 BGB berufen; der Betreuer ist nicht zur Einholung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung verpflichtet (BGHZ 7, 208, 213 f.; 15, 97, 100 f.; 54, 71, 73 f.; MünchKomm-BGB/Wagenitz, 4. Aufl. § 1829 Rdn. 3, 10; Palandt/Diederichsen, BGB 64. Aufl. § 1829 Rdn. 3).
2. Von diesen Grundsätzen ist das Berufungsgericht zwar abgewichen. Darauf sowie auf die in diesem Zusammenhang von der Beschwerde geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision kommt es jedoch nicht an. Denn es geht um Maßnahmen, die der Beklagte in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker vorgenommen hat. Ein Testamentsvollstrecker ist grundsätzlich unbeschränkt verfügungsbefugt und bedarf keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung auch im Hinblick auf einen in seiner Geschäftsfähigkeit beschränkten Erben (vgl. RGZ 61, 139, 144; BayObLG FamRZ 1992, 604; OLG Hamburg DNotZ 1983, 381 f.; KG OLGE 38, 259, 260; Bamberger/Roth/J. Mayer, BGB § 2205 Rdn. 15). Soweit das Vorgehen des Testamentsvollstreckers im vorliegenden Fall vom Testament gedeckt war, kommt es mithin nicht auf die Weigerung des letzten Betreuers der Klägerin und dieser selbst an, die zugrunde liegende Absprache mit dem früheren Betreuer einzuhalten. Vielmehr fehlt es für Maßnahmen des Beklagten im Rahmen ordnungsmäßiger Verwaltung weder an einem Rechtsgrund (§ 812 BGB) noch kann der Beklagte für sein Verhalten nach § 2219 BGB haftbar gemacht werden.
3. Fraglich konnte mithin nur sein, wie das Testament auszulegen ist, ob sich die vom Beklagten vorgenommenen und eingeleiteten Maßnahmen danach als ordnungsmäßige Verwaltung darstellen oder aber ob sie nur mit Zustimmung der Klägerin hätten wirksam werden können.
a) Dass das Testament, soweit es die Versorgung der Klägerin durch Mieteinkünfte und durch Beleihung des Nachlassgrundstücks glaubte sichern zu können, von unrealistischen Voraussetzungen ausging und der Beklagte daher befugt war, das Grundstück zu verkaufen, greift die Klägerin nicht an. Der Beklagte hat aufgrund eines Vorschlags ihres damaligen Betreuers einen Teil des Erlöses verwendet, um eine Rentenversicherung für sie abzuschließen, aus der sie eine lebenslang garantierte Rente von 523,50 EUR erhält. Außerdem bekommt sie vom Beklagten eine Leibrente in Höhe von 869,20 EUR im Monat, die auf einem vom Beklagten neu erworbenen Grundstück an zweiter Rangstelle dinglich gesichert werden soll. Den restlichen Erlös hat der Beklagte für den Erwerb seines neuen Grundstücks verwendet.
b) Nach dem Testament sollten der Klägerin (inflationsbeständig) regelmäßige monatliche Unterhaltszahlungen von 1.100 DM sowie etwa zusätzlich erzielbare Mieteinkünfte zustehen; die Erfüllung eines eventuellen Sonderbedarfs war dem pflichtgemäßen Ermessen des Testamentsvollstreckers überlassen. Um diese Leistungen aufzubringen, sollten am Nachlassgrundstück zu sichernde Darlehen aufgenommen werden ohne Rücksicht darauf, dass damit die Substanz der Vorerbschaft aufgezehrt wurde. Die Erblasserin hat am Ende des Testaments ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der Nacherbe beim Tod der Vorerbin unter Umständen leer ausgehen könne. Andererseits hat die Erblasserin für den Fall, dass eine Beleihung des Nachlassgrundstücks nicht mehr möglich sein sollte, dessen Veräußerung zugelassen; in diesem Fall sollte nur die Hälfte des Erlöses in Höhe der näher bestimmten monatlichen Raten an die Klägerin bezahlt werden, der Rest aber dem Beklagten als Vermächtnis zustehen. Darüber hinaus war dem Beklagten im Testament freigestellt, mit Rücksicht auf seine Nacherbfolge Zahlungen zugunsten der Klägerin aus seinem eigenen Vermögen statt aus dem Nachlass zu leisten; von den Beschränkungen des § 181 BGB war der Beklagte befreit.
c) Anders als das Landgericht hat das Berufungsgericht die gegen die Testamentsauslegung des Beklagten gerichteten Angriffe der Klägerin im Rahmen der Prüfung des § 2219 BGB mit Recht nicht für durchgreifend erachtet. Die Erblasserin hat der Klägerin mit Rücksicht auf ihre Erkrankung einen lebenslangen angemessenen Unterhalt in den im Testament näher festgelegten Grenzen sichern wollen. Für diesen Zweck sollte auch auf die an sich dem Nacherben vorbehaltene Substanz des Nachlasses zugegriffen werden, und zwar notfalls bis zu deren Erschöpfung. Der Beklagte hat in Übereinstimmung mit dem damaligen Betreuer der Klägerin das Ziel inflationsbeständiger Sicherung lebenslangen Unterhalts, das auf dem von der Erblasserin vorgesehenen Weg unstreitig nicht zu verwirklichen gewesen wäre, auf anderem Wege in einer auch im Hinblick auf eventuellen Sonderbedarf nicht unangemessenen Höhe schon durch Einsatz der Hälfte des Nachlasswerts verwirklicht, wobei er - soweit es um die von ihm aufzubringende Leibrente geht - der Klägerin eine ausreichende dingliche Sicherheit verschaffen kann. Es ist nicht rechtsfehlerhaft anzunehmen, dass dies dem mutmaßlichen Willen der Erblasserin entsprochen hätte, wenn sie die Undurchführbarkeit der von ihr im Testament vorgesehenen Finanzierung der Unterhaltszahlungen erkannt hätte. Damit stellt sich im Rahmen ergänzender Testamentsauslegung die weitere Frage, ob die Erblasserin nach einem Verkauf des Nachlassgrundstücks auch den zur Finanzierung und Sicherstellung lebenslangen angemessenen Unterhalts der Klägerin nicht benötigten Teil der Substanz des Nachlasses gleichwohl der Vorerbin bis zu deren Tod hätte vorbehalten oder aber dem Beklagten schon vor Eintritt des Nacherbfalles als Vermächtnis zuwenden wollen. Für letztere, vom Beklagten vertretene Auslegung spricht insbesondere, dass dem Beklagten im Testament bei einem mangels weiterer Beleihbarkeit des Grundstücks erforderlich werdenden Verkauf des nach der Vorstellung der Erblasserin zu einem solchen Zeitpunkt schon erheblich belasteten Nachlassgrundstücks die Hälfte des verbleibenden Erlöses als Vermächtnis zustehen sollte, und zwar ohne dass es darauf angekommen wäre, ob die restliche Hälfte für den Lebensunterhalt der Klägerin ausgereicht hätte. Dem Testament ist nicht zu entnehmen, dass der Klägerin mehr als der von der Erblasserin für angemessen gehaltene Unterhalt auf gesicherter Grundlage auf Lebenszeit zustehen sollte. Bei dieser Sachlage war die vom Tatrichter gebilligte ergänzende Auslegung des Testaments aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass die nicht zur Unterhaltssicherung erforderliche Hälfte des Erlöses dem Beklagten schon vor Eintritt des Nacherbfalles als Vermächtnis zustehe.
d) Soweit das Berufungsgericht die dingliche Sicherung des Leibrentenversprechens an zweiter Rangstelle auf dem vom Beklagten neu erworbenen Grundstück für ausreichend hält, wendet die Klägerin ein, das Berufungsgericht habe sich unter Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG nicht mit ihrer Kritik an einem vom Beklagten vorgelegten Wertgutachten befasst. Die Klägerin hat dieses Gutachten allerdings nur vorsorglich und im Hinblick auf die Qualifikation des Gutachters und seine Methode bestritten (GA 194 f.). Sie ist jedoch selbst bei Vergleichsverhandlungen mit dem Beklagten von einem Grundstückswert von 490.000 EUR sowie einer Vorbelastung von 280.000 EUR ausgegangen. Danach kommt es auf Einzelheiten des Wertgutachtens nicht an. Soweit sich die Klägerin noch auf den Vortrag des Beklagten beruft, seine Existenz sei bedroht, wenn er das von ihm erworbene Grundstück wieder verkaufen müsse, um den Erlös des Nachlassgrundstücks auskehren zu können, lässt sich daraus nichts gegen eine hinreichende Sicherung des Leibrentenversprechens für den Fall herleiten, dass der Beklagte das Grundstück behalten kann.
Fundstellen
ZEV 2006, 262 |
NJW-Spezial 2006, 302 |