Verfahrensgang
LG Krefeld (Urteil vom 05.07.2010) |
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 5. Juli 2010
- im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte in den Fällen II. 2. und II. 7. der Urteilsgründe der Bedrohung schuldig ist,
- im Strafausspruch in den Fällen II. 2. und II. 7. der Urteilsgründe sowie im Gesamtstrafenausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Vergewaltigung, wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Falle in Tateinheit mit Sachbeschädigung, wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit versuchter gefährlicher Körperverletzung, wegen zweier Fälle der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten in Tateinheit mit Bedrohung, wegen Sachbeschädigung und wegen Beleidigung in zwei Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
Rz. 2
Der Schuldspruch auch wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in den Fällen II. 2. und II. 7. der Urteilsgründe hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Rz. 3
Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift ausgeführt:
„Die Feststellungen tragen die Annahme einer Eignung des Verhaltens des Angeklagten zur Störung des öffentlichen Friedens im Sinne [des] § 126 StGB nicht. Der öffentliche Friede ist ein Zustand allgemeiner Rechtssicherheit und das Bewusstsein der Bevölkerung davon; gestört ist der öffentliche Friede, wenn eine allgemeine Beunruhigung der Bevölkerung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, mindestens aber einer nicht unerheblichen Personenzahl, etwa einem Teil der Bevölkerung im Sinne des § 130 StGB eintritt (vgl. Fischer StGB 57. Aufl. § 126 Rdnr. 2 m.w.N). Für den Tatbestand des § 126 StGB ist zwar der Eintritt einer konkreten Gefahr nicht erforderlich, die jeweilige Handlung muss aber bei genereller Betrachtung konkret zur Friedensstörung geeignet sein (abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt, vgl. BGHSt 46, 212, 218 m.w.N.).
Konkrete Gründe für die Befürchtung, die Äußerungen des Angeklagten würden das Vertrauen in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttern, indem sie einer breiteren Öffentlichkeit in Deutschland bekannt würden (vgl. BGH a.a.O. S. 219 m.w.N.), lagen hier nicht vor. In beiden Fällen ging es um Äußerungen des Angeklagten anlässlich von Auseinandersetzungen mit Mitarbeitern des Sozialamts wegen von ihm begehrter Leistungen. Im Fall II 2 der Urteilsgründe erklärte der Angeklagte gegenüber dem Mitarbeiter des Sozialamts R., er werde ‚eine große Schießerei machen’, ‚hier im Büro, auch im Sozialamt und in ganz Deutschland’ (UA S. 16). Im Fall II 7 der Urteilsgründe erklärte er den ihn aus dem Sozialamt abführenden Polizeibeamten, beim nächsten Aufsuchen des Sozialamts werde er eine Pistole mitführen, und stieß dann die Drohung aus: ‚Ich bringe euch alle um’ (UA S. 23). Die Äußerungen des Angeklagten waren somit jeweils an Behördenmitarbeiter bzw. Polizeibeamte gerichtet und auf die im Sozialamt gerade stattgefundenen Auseinandersetzungen bezogen. Zu befürchtende Straftaten stellten sich daher als Ausdruck dieses Konfliktes dar, was bereits grundsätzlich gegen eine Anwendbarkeit von § 126 StGB spricht (vgl. Rudolphi/Stein in SK-StGB § 126 Rdnr. 7). Zudem ist bei solchen berufstypischen und behördenbezogenen Auseinandersetzungen nicht davon auszugehen, dass die unmittelbaren Adressaten der Drohungen sich aus Sorge um potentielle Opfer oder aus Empörung an eine breite Öffentlichkeit wenden (vgl. BGHSt 34, 329, 332). Dementsprechend waren vorliegend die Reaktionen der unmittelbar Betroffenen – Mitteilung an ihre Vorgesetzten (UA S. 17) – auch nicht öffentlichkeits-, sondern dienstbezogen, und auch die Vorgesetzten ihrerseits reagierten – wie bei professioneller Handhabung zu erwarten – mit nicht öffentlichkeitsbezogenen Maßnahmen (Hausverbot und Strafantrag – UA S. 18, 24).
In beiden Fällen ist die Tat somit nur gemäß § 241 StGB strafbar. Im Hinblick auf den höheren Strafrahmen des § 126 StGB sowie den Umstand, dass die Strafkammer die Verwirklichung von zwei Straftatbeständen als straferschwerend angesehen hat (UA S. 65, 71), ist nicht auszuschließen, dass die Strafzumessung in diesen Fällen sowie bei der Gesamtstrafe auf dem Fehler beruht.”
Rz. 4
Dem schließt sich der Senat an, ändert den Schuldspruch entsprechend ab und hebt die Einzelstrafen in den beiden genannten Fällen sowie den Gesamtstrafenausspruch auf. Die zugehörigen Feststellungen sind indes rechtsfehlerfrei getroffen worden und von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können daher aufrechterhalten werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Die nunmehr zur Entscheidung berufene Strafkammer kann ergänzende zumessungsrelevante Feststellungen treffen, wenn sie zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehen.
Unterschriften
Becker, Pfister, Sost-Scheible, Hubert, Mayer
Fundstellen
Haufe-Index 2597187 |
NStZ-RR 2011, 109 |