Entscheidungsstichwort (Thema)
Durch Grundschuld gesichertes Darlehen mehrerer Miteigentümer: Rechtsfolgen der Zahlung durch einen Miteigentümer
Leitsatz (redaktionell)
Soweit dem zahlenden Miteigentümer ein Ausgleichsanspruch nach BGB § 426 Abs 1 zusteht, erwirbt er bei Zahlung auf die Gesamtgrundschuld auch das auf dem Miteigentum des Ausgleichspflichtigen lastende Recht (BGB § 1173 Abs 2), bei Zahlung auf die gesicherte Forderung einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Abtretung der Gesamtgrundschuld.
Normenkette
BGB §§ 401, 412, 432 Abs. 1, §§ 426, 1173 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG München (Entscheidung vom 03.12.1993; Aktenzeichen 14 U 273/93) |
LG Kempten (Entscheidung vom 12.02.1993; Aktenzeichen 3 O 2294/92) |
Tenor
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Tatbestand
I.
Der Kläger und seine geschiedene Ehefrau waren je zur Hälfte Miteigentümer eines Grundstücks. Sie nahmen als Gesamtschuldner bei der beklagten S.kasse Darlehen auf und bestellten als Sicherheiten Grundschulden. Der Kläger bot die Tilgung der Kredite mit Hilfe einer Bank gegen Abtretung der Grundschulden an sich allein an. Die Beklagte war lediglich bereit, die Grundschulden an den Kläger und seine geschiedene Ehefrau gemeinschaftlich abzutreten.
Die Vorinstanzen haben die Klage auf Abtretung der Grundschulden Zug um Zug gegen Zahlung der gesicherten Forderungen, hilfsweise danach, sowie auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten abgewiesen. Nach Zwangsversteigerung des Grundstücks haben die Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Kosten hat die Beklagte zu tragen (§ 91 a Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dies entspricht billigem Ermessen, da die Beklagte voraussichtlich im wesentlichen unterlegen wäre.
1. Die Erwägungen der Vorinstanzen hätten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht standgehalten. Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend unterschieden zwischen dem aus der Sicherungsabrede folgenden vertraglichen Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld, der mehreren Sicherungsgebern gemeinschaftlich zusteht (§ 432 Abs. 1 BGB), und dem gesetzlichen Anspruch auf Abtretung der Sicherungsgrundschuld, den ein ausgleichsberechtigter Gesamtschuldner entsprechend §§ 412, 401 BGB i.V. mit § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB nach Befriedigung des Gläubigers hat (vgl. BGHZ 80, 228, 232 f.; 110, 41, 43). Gegenstand des Rechtsstreits war nur der gesetzliche Anspruch.
Dieser steht einem Gesamtschuldner entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch dann zu, wenn er – wie der Kläger – nach Erfüllung der gesicherten Forderung zur Hälfte ausgleichsberechtigt ist und die auf Miteigentumsanteilen lastenden Grundschulden mitbestellt hat. Zwar sind Sicherungsgesamtgrundschulden – als solche sind die genannten Belastungen zu behandeln (§§ 1192 Abs. 1, 1114, 1132 Abs. 1 BGB) – regreßlos ausgestaltet (§§ 1192 Abs. 1, 1173 Abs. 1 BGB; BGHZ 108, 179, 186). Dies gilt jedoch nur für das dingliche Recht. Soweit dem zahlenden Miteigentümer ein Ausgleichsanspruch nach § 426 Abs. 1 BGB zusteht, erwirbt er bei Zahlung auf die Gesamtgrundschuld auch das auf dem Miteigentum des Ausgleichspflichtigen lastende Recht (§ 1173 Abs. 2 BGB), bei Zahlung auf die gesicherte Forderung einen Anspruch gegen den Gläubiger auf Abtretung der Gesamtgrundschuld (BGH, Urteil vom 28. April 1983 – IX ZR 1/82, WM 1983, 705, 707, 708). Die Ansicht des Berufungsgerichts würde zu dem nicht hinnehmbaren Ergebnis führen, daß der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner nach Tilgung der Gesamtschuld tatenlos zusehen müßte, wie der Ausgleichspflichtige den Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld an beide Gesamtschuldner geltend macht (§ 432 Abs. 1 BGB) und ihm damit entgegen der Zweckbestimmung des § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB die Möglichkeit nimmt, sich aus der Grundschuld am Miteigentumsanteil des Ausgleichspflichtigen zu befriedigen.
Fehlerhaft war auch die Begründung des Berufungsgerichts, die Abtretung der Gesamtgrundschulden an den Kläger allein hätte für seine geschiedene Ehefrau unzumutbare Folgen; ihr würden ein neuer Gläubiger und eine Haftung ihres Miteigentumsanteils für ein anderes Darlehen aufgedrängt. Beides trifft ersichtlich nicht zu. Hätte der Kläger für die beabsichtigte Umschuldung allein ein Darlehen aufgenommen, so hätte seine geschiedene Ehefrau daraus nichts geschuldet. Sie hätte für diese Darlehen auch nicht mit ihrem Miteigentumsanteil gehaftet. Die darauf lastende Gesamtgrundschuld hätte vielmehr auch nach Abtretung an den Kläger und Weiterzession an dessen Kreditgeber nur die gemäß § 426 Abs. 2 Satz 1 BGB in Höhe des Ausgleichsanspruchs auf den Kläger übergegangenen, vormals der Beklagten zustehenden Darlehensforderungen gesichert. Die Einwendungen, die die geschiedene Ehefrau des Klägers der Beklagten als Grundschuldgläubigerin entgegensetzen konnte, hätten ihr nach Maßgabe des § 1157 BGB auch gegenüber dem Grundschulderwerber zugestanden (BGHZ 103, 72, 83).
Die Erwägung des Berufungsgerichts, mangels Erfüllung der gesicherten Forderungen bestehe ein Anspruch des Klägers auf Abtretung der Grundschulden an sich allein jedenfalls noch nicht, rechtfertigte nur die Abweisung des Hauptantrags der Klage. Der Hilfsantrag, die Beklagte nach Befriedigung ihrer Ansprüche zur Abtretung der Grundschulden zu verurteilen, berücksichtigte die Vorleistungspflicht des Klägers.
Nicht tragfähig war auch die Erwägung des Landgerichts, daß die geschiedene Ehefrau des Klägers die Abtretung der Gesamtgrundschulden an sich allein verlangen könne, wenn sie die gesicherten Forderungen erfülle. Dies hätte selbst dann nicht zu Schwierigkeiten führen können, wenn die geschiedene Ehefrau des Klägers die Forderungen erst nach Verurteilung der Beklagten zur Abtretung der Grundschulden an den Klägers allein abgelöst hätte. Dann hätte die Bedingung für den ausgeurteilten Abtretungsanspruch, die Erfüllung der gesicherten Forderungen durch den Kläger, nicht mehr eintreten können und die Verurteilung der Beklagten wäre praktisch bedeutungslos geworden.
2. Das Berufungsurteil stellte sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 563 ZPO). Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage auf künftige Leistung bestanden nicht (§ 259 ZPO). Die Beklagte hatte schon vorprozessual Anlaß zu der Besorgnis gegeben, sie werde ihrer Verpflichtung, die Grundschulden nach Erfüllung ihrer Forderung durch den Kläger an ihn allein abzutreten, nicht nachkommen. Bei der Klageforderung handelte es sich entgegen der Ansicht der Beklagten nicht lediglich um einen erst in der Zukunft entstehenden Anspruch. Dessen Grundlage war vielmehr dadurch gelegt, daß der Kläger zusammen mit seiner geschiedenen Ehefrau bei der Beklagten Darlehen aufgenommen und als Sicherheiten Grundschulden auf dem gemeinsamen Grundstück bestellt hatte.
3. Das Berufungsurteil hätte daher voraussichtlich aufgehoben und dem Hilfsantrag, dessen Streitwert dem des Hauptantrags entsprach, stattgegeben werden müssen. Auch dem Antrag des Klägers, Annahmeverzug der Beklagten mit einem Betrag von 2.139.533,91 DM festzustellen, hätte voraussichtlich entsprochen werden müssen. Die Beklagte war jedenfalls mit der Wiederholung des von ihr abgelehnten wörtlichen Angebots des Klägers, ihre Forderungen mit Hilfe eines anderen Kreditinstituts abzulösen, in Annahmeverzug geraten (§ 295 BGB). Daß der Kläger zur Erfüllung der gesicherten Forderungen außerstande war (§ 297 ZPO), hatte die insoweit darlegungsbelastete Beklagte nicht unter Beweis gestellt.
Unterschriften
Schimansky, Dr. Siol, Dr. Bungeroth, Nobbe, Dr. van Gelder
Fundstellen