Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines nicht ständigen Notarvertreters
Leitsatz (amtlich)
Eine Verwaltungspraxis, zum nicht ständigen Notarvertreter generell keine Personen zu bestellen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, ist ermessensfehlerhaft.
Normenkette
BNotO § 39
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Aktenzeichen Not 1/00) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Senats für Notarsachen des Oberlandesgerichts Koblenz vom 23. Februar 2000 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
Die Verpflichtung des Antragsgegners zur erneuten Bescheidung über die Bestellung eines Notarvertreters für die Zeit vom 13. bis 17. März 2000 entfällt.
Es wird festgestellt, daß der Bescheid des Antragsgegners vom 27. Dezember 1999 über die Ablehnung der Vertreterbestellung für die Zeit vom 13. bis 17. März 2000 rechtswidrig gewesen ist.
Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 DM festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist zur hauptberuflichen Amtsausübung bestellter Notar in B.. Am 14. Dezember 1999 beantragte er, während der Zeit seiner Abwesenheit vom 13. bis 17. März 2000 den Vizepräsidenten des Landgerichts T. i.R. J. P. zu seinem Vertreter zu bestellen. Dieser hatte den Antragsteller seit mehr als sechs Jahren regelmäßig vertreten.
Mit Bescheid vom 27. Dezember 1999 wies der Antragsgegner den Antrag zurück. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, nach einer Übereinkunft der Präsidenten der Landgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts K. solle zum Notarvertreter nicht mehr bestellt werden, wer das 70. Lebensjahr vollendet habe. Von der Altersgrenze des § 48a BNotO müsse für die Bestellung eines Notarvertreters insbesondere dann ausgegangen werden, wenn es sich um Richter oder Beamte im Ruhestand handele. Diese könnten nicht ohne weiteres mit einem Notar außer Dienst im Sinne des § 39 Abs. 3 BNotO gleichgestellt werden. Vizepräsident i.R. P. sei bereits 73 Jahre alt. Daher sei seine Bestellung zum Vertreter des Antragstellers nicht mehr möglich.
Mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat der Antragsteller geltend gemacht, die Ablehnung der Vertreterbestellung sei ermessensfehlerhaft. Der angefochtene Bescheid sei aufzuheben und der Antragsgegner anzuweisen, die beantragte Vertreterbestellung nicht aus den angeführten Gründen zu versagen. Der Präsident der Notarkammer K. hat sich dem Antrag angeschlossen.
Durch Beschluß vom 23. Februar 2000 hat das Oberlandesgericht den angefochtenen Bescheid aufgehoben und den Antragsgegner verpflichtet, den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Hiergegen hat der Antragsgegner sofortige Beschwerde eingelegt mit dem Ziel der Zurückweisung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung. Soweit sich die Hauptsache im Beschwerdeverfahren durch zeitliche Überholung erledige, seien dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Der Antragsteller beantragt in Form eines Fortsetzungsfeststellungsantrags die Zurückweisung der Beschwerde. Durch die begehrte Feststellung werde eine Rechtsfrage geklärt, die sich bei nächster Gelegenheit genauso stellen werde. Er beabsichtige, auch weiterhin um die Bestellung von Vizepräsident i.R. P. zum Vertreter nachzusuchen.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar kommt eine Verpflichtung zur erneuten Bescheidung über die Vertreterbestellung für die Zeit vom 13. bis 17. März 2000 nicht mehr in Betracht, weil sich die Hauptsache während des Beschwerdeverfahrens durch Zeitablauf erledigt hat. Statt dessen ist auf den jetzt gestellten Antrag des Antragstellers festzustellen, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig gewesen ist.
1. Der Feststellungsantrag ist nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 6/93 – NJW-RR 1995, 1081 unter II A) zulässig, weil der Antragsteller sonst in seinen Rechten beeinträchtigt wäre und anderenfalls die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG leerlaufen könnte. Durch die begehrte Feststellung wird eine Rechtsfrage geklärt, die sich der Justizverwaltung bei künftigen Vertretungsanträgen des Antragstellers genauso stellt. Er beabsichtigt, auch in Zukunft Vizepräsident des Landgerichts i.R. P. als Vertreter vorzuschlagen. Zu einer abschließenden gerichtlichen Entscheidung wird es auch dann wegen Zeitablaufs voraussichtlich nicht kommen.
2. Der Antrag ist auch begründet. Der Bescheid des Antragsgegners war ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig.
a) Über den Antrag des Notars, ihm gemäß § 39 Abs. 1, 3 BNotO einen Vertreter zu bestellen, entscheidet die Justizverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen. Sie hat nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 6/93 – aaO unter II B) ein Entschließungsermessen, ob sie bei Verhinderung des Notars überhaupt einen Vertreter bestellt, und, worum es hier geht, ein Auswahlermessen hinsichtlich der Person des Vertreters.
b) Bei der Entscheidung über die Auswahl des Vertreters sind die allgemeinen Grundsätze des Notarswesens und die in § 39 Abs. 3 BNotO zum Ausdruck gekommenen konkreten gesetzlichen Wertungen zu beachten (vgl. Senat, Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 35/93 – NJW-RR 1995, 1080 unter II B 1 m.w.N.).
aa) Nach § 39 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO kommt als vorübergehender und selbst als ständiger Vertreter auch ein Notar außer Dienst in Betracht.
Daraus hat das Oberlandesgericht mit Recht entnommen, daß die durch das Gesetz vom 29. Januar 1991 (BGBl. I 150) eingeführte Altersgrenze von 70 Jahren für die Ausübung des Notarberufs (§§ 47 Nr. 1, 48a BNotO) für Notarvertreter nicht gilt. Mit der Einführung der Höchstaltersgrenze hat der Gesetzgeber nicht Bedenken gegen die Leistungsfähigkeit von über 70 Jahre alten Notaren Rechnung tragen, sondern eine geordnete Altersstruktur innerhalb des Notarberufs erreichen wollen und diesen Grundsatz auch in § 4 Satz 2 BNotO zum Ausdruck gebracht (BT-Drucks. 11/8307 S. 17, 18; vgl. auch BVerfG, DNotZ 1993, 260 unter 2). § 39 Abs. 3 BNotO ist dagegen im Zuge dieses grundlegenden und umfassenden Gesetzesvorhabens nicht geändert worden. Es hätte nahegelegen, diese Vorschrift der Regelung in § 48a BNotO anzupassen, wenn der Gesetzgeber auch für Notarvertreter eine Altersgrenze hätte festlegen wollen. Der Umstand, daß selbst die ständige Vertretung nach wie vor Notaren außer Dienst übertragen werden kann, spricht gegen eine solche Absicht des Gesetzgebers. Er ist erkennbar davon ausgegangen, daß ein Notar regelmäßig bis zum Erreichen der Altersgrenze im Amt bleibt und dieses nicht vorzeitig aufgibt. Darauf deutet auch die Übergangsregelung hin, die es Notaren, die bei Inkrafttreten der Neuregelung das 58. Lebensjahr vollendet haben, erlaubt, für weitere 12 Jahre im Amt zu bleiben. Es spricht deshalb nichts dafür, daß mit den Notaren außer Dienst in § 39 Abs. 3 Satz 2 BNotO nur solche gemeint sind, die vor Erreichen der Altersgrenze aus dem Amt geschieden sind und das 70. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.
Daraus ergibt sich weiter, daß es mit dem Zweck des § 39 Abs. 3 Satz 1 und 2 BNotO nicht zu vereinbaren und schon deshalb ermessensfehlerhaft ist, Personen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben, generell von der Notarvertretung auszuschließen.
Dies ist im übrigen auch sachlich nicht gerechtfertigt. Die allgemeinen Erwägungen des Antragsgegners über die nachlassende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter unter Hinweis auf die Zulässigkeit einer Altershöchstgrenze bei staatlich gebundenen Berufen sind dafür keine hinreichende Grundlage. Um den abstrakten Gefahren eines altersbedingten Versagens zu begegnen, kann es zwar zulässig sein, für die Ausübung eines Berufs, also einer auf Dauer angelegten und wahrgenommenen Tätigkeit, eine Altersgrenze festzulegen, wenn schonendere Maßnahmen ausscheiden (so für den Prüfingenieur für Baustatik BVerfGE 64, 72, 83, 85). Damit ist die Tätigkeit eines nicht ständigen Notarvertreters nicht vergleichbar. Er übt keine Dauertätigkeit aus, sondern wird von Fall zu Fall für einen bestimmten, regelmäßig kurzen Zeitraum bestellt. Wenn gegen die körperliche oder geistige Leistungsfähigkeit Bedenken bestehen, muß er nicht in einem förmlichen Verfahren des Amtes enthoben werden, es genügt, ihn nicht mehr zum Vertreter zu bestellen. Schon deshalb ist es, um die Belange einer geordneten Rechtspflege zu wahren, nicht erforderlich, Personen über 70 Jahre, auch wenn sie leistungsfähig sind, generell von der Notarvertretung auszuschließen. Der Antragsgegner hat zudem nicht geltend gemacht, daß Notarvertreter, insbesondere Richter im Ruhestand, die das 70. Lebensjahr bereits vollendet haben, bei ihren Amtshandlungen eine gesteigerte Schadensquote aufweisen. Demgegenüber hat der Präsident der Notarkammer K. in seiner Stellungnahme im einzelnen dargelegt, daß es solche negativen Erkenntnisse nicht gibt.
bb) Der generelle Ausschluß ist zudem deshalb unverhältnismäßig, weil auch das Vorschlagsrecht des Notars nach § 39 Abs. 3 Satz 3 BNotO geeignet ist, den Gefahren eines altersbedingten Versagens des Vertreters vorzubeugen. Dieses Vorschlagsrecht, das die Justizverwaltung bei ihrer Entscheidung zu beachten hat (Senat, Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 6/93 – NJW-RR 1995, 1081 unter II B 2 bb), hat der Antragsgegner nicht – jedenfalls nicht im gebotenen Umfang – berücksichtigt. Es liegt im ureigensten Interesse des Notars, niemand als Vertreter vorzuschlagen, der dafür nicht geeignet ist. Er würde sonst dem Ruf seines Notariats schaden und für eine Amtspflichtverletzung des Vertreters dem Geschädigten als Gesamtschuldner haften (§ 46 BNotO). Der Notar ist auch selbst am besten in der Lage, die Qualifikation und die Leistungsfähigkeit des Vertreters zu beurteilen. Es ist deshalb nicht, wie der Antragsgegner befürchtet, zu erwarten, daß ein über 70 Jahre alter pensionierter Strafrichter oder Polizeipräsident trotz fehlender Kenntnisse im Beurkundungsrecht als Notarvertreter vorgeschlagen wird. Im übrigen wäre es nicht ermessensfehlerhaft, einen als Vertreter Vorgeschlagenen wegen fehlender persönlicher Eignung (Senat, Beschluß vom 9. Januar 1995 – NotZ 35/93 – NJW-RR 1995, 1080 unter II B 2) oder deshalb abzulehnen, weil er den fachlichen Anforderungen an die Ausübung des Notaramts nicht genügt (Senat, Beschluß vom 25. November 1996 – NotZ 15/96 – nicht veröffentlicht). Bestehen Zweifel an den persönlichen oder fachlichen Voraussetzungen, obliegt es dem Notar, diese auszuräumen. Die Auffassung des Antragsgegners, durch den angefochtenen Beschluß werde sein Ermessensspielraum derart eingeengt, daß notwendigerweise die Bestellung des gewünschten Vertreters zu erfolgen habe, wenn es nicht in der Vergangenheit zur fehlerhaften Amtsführung des Notarvertreters gekommen sei, trifft deshalb nicht zu.
Daraus folgt, daß auch die von den Präsidenten der Landgerichte im Bezirk des Oberlandesgerichts K. getroffene Übereinkunft, zum Notarvertreter solle nicht bestellt werden, wer das 70. Lebensjahr vollendet hat, die angefochtene Maßnahme nicht zu rechtfertigen vermag.
Unterschriften
Rinne, Streck, Seiffert, Schierholt, Toussaint
Fundstellen
BGHR |
NJW-RR 2001, 784 |
Nachschlagewerk BGH |
ZAP 2000, 1182 |
DNotZ 2001, 726 |
MDR 2000, 1462 |
MittRKKöln 2001, 270 |
ZNotP 2000, 398 |