Leitsatz (amtlich)
Im Falle einer hilfsweisen Aufrechnung des Beklagten mit einer Gegenforderung stellt es keine der Rechtskraft fähige und deshalb für den Beklagten mit einer zusätzlichen Beschwer verbundene Entscheidung dar, wenn das Gericht die hilfsweise Aufrechnung – zu Recht oder zu Unrecht – in Anwendung von § 390 Satz 2 BGB für unzulässig erklärt.
Normenkette
BGB § 322 Abs. 2, § 390 S. 2; ZPO § 546 Abs. 1; GKG § 19 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Kaiserslautern |
OLG Zweibrücken |
Tenor
Der Antrag der Beklagten, den Wert ihrer Beschwer durch das Urteil des 2. Zivilsenats des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 18. Mai 2001 auf mehr als 60.000 DM festzusetzen, wird zurückgewiesen.
Streitwert: 56.000 DM
Gründe
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung eines Betrages von insgesamt 59.000 DM, den er der Beklagten als Darlehen gewährt haben will. Die Beklagte bestreitet eine Rückzahlungsverpflichtung und macht geltend, daß ihr ein Betrag von 20.000 DM geschenkt worden sei. Die ihr überwiesenen und sich insgesamt auf 39.000 DM belaufenden Zahlungen von monatlich 1.500 DM seien als Beitrag des Klägers zu den gemeinsamen Haushaltungskosten erbracht worden. Hilfsweise hat die Beklagte die Aufrechnung mit zwei Schmerzensgeldansprüchen in Höhe von 10.000 DM und 20.000 DM erklärt, die sie auf wiederholte Tätlichkeiten des Klägers sowie darauf gestützt hat, daß sie als Beifahrerin bei einem vom Kläger am 10. Juni 1994 verschuldeten Verkehrsunfall Verletzungen erlitten habe. Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 56.000 DM nebst Zinsen stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, der Darlehensrückzahlungsanspruch des Klägers sei gegeben, jedoch in Höhe von 3.000 DM durch die Aufrechnung mit einem Schmerzensgeldanspruch der Beklagten wegen Tätlichkeiten des Klägers erloschen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Beklagten, mit der sie die Berücksichtigung ihres vorgenannten Schmerzensgeldanspruchs nur in Höhe von 3.000 DM nicht angegriffen hat, mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die 56.000 DM in monatlichen Raten von je 1.000 DM zu zahlen seien. Nach der Festsetzung des Berufungsgerichts übersteigt der Wert der Beschwer für beide Parteien jeweils 60.000 DM nicht.
Die Beklagte hat gegen das Berufungsurteil Revision eingelegt und beantragt, den Wert ihrer Beschwer auf mehr als 60.000 DM festzusetzen. Sie ist der Ansicht, der sich aus ihrer Verurteilung ergebenden Beschwer von 56.000 DM sei gemäß § 19 Abs. 3 GKG der Wert der hilfsweise zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung von 20.000 DM hinzuzurechnen, da das Oberlandesgericht über diese Forderung mit Rechtskraftwirkung entschieden habe.
II.
Der nach § 546 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Antrag ist nicht begründet. Die Beschwer der Beklagten durch das Berufungsurteil übersteigt 60.000 DM nicht.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs führt eine vorsorglich zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nur dann zu einer Erhöhung der Beschwer, wenn das Berufungsgericht das Bestehen der Gegenforderung verneint hat und im Falle der Rechtskraft des Berufungsurteils das Nichtbestehen der Gegenforderung nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskräftig festgestellt wäre (BGH, Beschlüsse vom 24. Februar 1994 – VII ZR 209/93, NJW 1994, 1538 und vom 25. September 1996 – IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15). Hat das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung des Beklagten jedoch als unzulässig zurückgewiesen, so führt dies nicht zu einer nach § 322 Abs. 2 ZPO rechtskraftfähigen Entscheidung über die behauptete Gegenforderung (Senat, Beschluß vom 3. Oktober 1989 – XI ZR 90/89, BGHR ZPO § 322 Abs. 2 Aufrechnung 1; BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996 – IX ZR 67/96, WM 1997, 324, 325 m.w.Nachw.).
So liegt es hier. Das Berufungsgericht hat die Aufrechnung mit der auf das Unfallereignis vom 10. Juni 1994 gestützten Gegenforderung der Beklagten als unwirksam angesehen, da die Forderung bereits bei Eintritt der Aufrechnungslage verjährt gewesen und die Aufrechnung damit nach § 390 Satz 2 BGB ausgeschlossen sei. Das materiell-rechtliche Aufrechnungsverbot des § 390 BGB regelt die Zulässigkeit der Aufrechnung (Musielak/Stadler, ZPO 2. Aufl. § 145 Rdn. 23; Zöller/Greger, ZPO 22. Aufl. § 145 Rdn. 14; Wieczorek, ZPO 2. Aufl. § 145 Anm. D I c). Da das Berufungsgericht die Hilfsaufrechnung somit als unzulässig behandelt hat, ist die Entscheidung hierüber der Rechtskraft nicht fähig. Dabei ist es ohne Belang, ob die Aufrechnung zu Recht als unzulässig angesehen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Dezember 1996, aaO).
Daran, daß hinsichtlich der auf den Verkehrsunfall vom 10. Juni 1994 gestützten Aufrechnungsforderung der Beklagten eine der Rechtskraft fähige Entscheidung nicht ergangen ist, ändert auch der Umstand nichts, daß das Berufungsgericht im weiteren Verlauf seiner Entscheidungsgründe diesen Anspruch auch wegen eines Verzichts der Beklagten als nicht bestehend bezeichnet hat. Diese zusätzlichen Ausführungen über die Begründetheit der Aufrechnung sind als nicht vorhanden zu behandeln, weil das Berufungsgericht die Frage nach der Zulässigkeit verneint hat (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 1983 – VIII ZR 320/80, NJW 1984, 128, 129; BGH, Beschluß vom 25. September 1996 – IV ZR 102/96, BGHR ZPO § 546 Abs. 2 Beschwer 15).
Unterschriften
Nobbe, Siol, Bungeroth, Müller, Wassermann
Fundstellen
Haufe-Index 634851 |
BB 2001, 2136 |
NJW 2001, 3616 |
BGHR 2002, 42 |
Nachschlagewerk BGH |
JA 2002, 185 |
JuS 2002, 195 |
MDR 2001, 1256 |
AGS 2002, 27 |