Verfahrensgang
LG Trier (Urteil vom 11.04.2005) |
Tenor
1. Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des Landgerichts Trier vom 11. April 2005 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Mainz zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet.
Der Beschuldigte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 9. August 2005 u.a. ausgeführt:
„Die von der Kammer vorgenommene Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Beschuldigten rechtfertigt die Überzeugung nicht, von ihm seien mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten (UA S. 19 ff.). So legt das Landgericht zwar eingehend dar, dass der Beschuldigte an einer mit einer wahnhaften und paranoiden Realitätsverkennung einhergehenden Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis leide, infolge dessen er sich durch die S. beeinflusst und verfolgt sehe (UA S. 18, 20 f.). Warum aus dieser Diagnose der auch von dem Sachverständigen Dr. B. gezogene Schluss folgen soll, die Gefährlichkeit des Beschuldigten für die Allgemeinheit gehöre zu dessen Krankheitsbild, hat die Kammer aber nicht mit hinreichenden Tatsachen belegt.
Die vom Landgericht übernommene Einschätzung des Sachverständigen, die Erkrankung des Beschuldigten gehe per se mit einer deutlich erhöhten Risikohaftigkeit im Hinblick auf fremdaggressive Erheblichkeit seines Verhaltensmusters einher (UA S. 20), wird auch nicht durch die von ihm vorgenommene Verknüpfung mit dem Anlassgeschehen nachvollziehbar belegt. Die Behauptung, dass der Beschuldigte fremdaggressiv handeln müsse, um sich vermeintlicher Aggressoren – wie dem Zeugen Bu., der nach dem Vorstellungsbild zu den S. gehöre – zu entledigen, bietet noch nicht den Nachweis, dass damit die für die Allgemeinheit gefährliche Begehung weiterer rechtswidriger Taten verbunden ist.
Zwar schließt die erstmalige Begehung einer Straftat nicht die Annahme einer Wiederholungsgefahr aus, doch müssen über die Verwirklichung der Straftat hinaus greifbare Anhaltspunkte gegeben sein, die eine entsprechende Negativprognose rechtfertigen. Sie können weder in einem statistisch erhöhten Delinquenzrisiko eines schizophrenen Erkrankten (vgl. UA S. 24) liegen, noch in dem Umstand begründet sein, die aus Sicht des Beschuldigten zu bekämpfenden Feindbilder seien beliebig auswechselbar, die Gewalt des Beschuldigten könne sich so gegen jeden richten (UA S. 20). Selbst wenn diese Annahme zuträfe, wäre doch damit nicht erklärt, warum es in der Vergangenheit nicht zu Straftaten gegen andere Personen gekommen ist und gleichwohl zu solchen Delikten in der Zukunft kommen soll. Soweit der Sachverständige und das Landgericht dies offenbar mit einer ‚konsequenten Entwicklung des fremdaggressiven Verhaltens des Beschuldigten’ begründen wollen (UA S. 23), beruht diese Einschätzung auf einer falschen zeitlichen Einordnung von Vorgängen. Die Annahme des Landgerichts, dass es zwischen dem Beschuldigten und seiner Schwester, wie in einem Brief vom 7. August 2003 dokumentiert (UA S. 22 f.), zunächst lediglich verbale Auseinandersetzungen gegeben habe, die sich inzwischen zu konkreten Drohungen gegenüber dem geschädigten Zeugen Bu. gesteigert hätten (UA S. 23), lässt außer Betracht, dass die Tatzeit hinsichtlich des in diesem Verfahren erhobenen Vorwurfs der 10. April 2003 gewesen ist, dieser Zeitpunkt jedenfalls deutlich vor dem Absendedatum des Briefs der Schwester liegt und damit jedenfalls die zeitliche Abfolge die Steigerung des Krankheitsverlaufs bei dem Beschuldigten nicht belegt.
Auch anhand der vom Landgericht dargelegten schriftlichen Aufzeichnungen werden konkrete aggressive Gedankeninhalte des Beschuldigten nicht hinreichend deutlich. Sie belegen zwar eindrucksvoll die bei dem Beschuldigten vorliegende krankhafte seelische Störung (vgl. UA S. 21), vermitteln aber keinen sicheren Eindruck von einer von ihm ausgehenden unmittelbaren Gefahr. Der Satz ‚ein Ausstieg ist nur durch den Tod möglich’ ist kein Nachweis für eine Gewaltbereitschaft des Beschuldigten, sondern beschreibt aus seiner Sicht lediglich den einzigen Weg für Betroffene, der ‚Hypnose der S. zu entgehen’ (vgl. UA S. 11). Ob die weiter vom Landgericht angeführten Textstellen (UA S. 22) irgendeinen Hinweis auf mögliches gefährliches Tun des Beschuldigten erlauben, erscheint jedenfalls – wenn man sie nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit dem übrigen, wenig ernst zu nehmenden Text betrachtet (UA S. 12) – zweifelhaft.
Schließlich weisen auch die von der Kammer aufgeführten Verhaltensweisen des Beschuldigten aus der Vergangenheit nicht auf seine besondere Gefährlichkeit hin. Dass der Beschuldigte unkontrolliert die ihn schützende Umgebung verlassen hat (vgl. UA S. 23), hat insoweit für sich keinerlei Erkenntniswert.
Bei dieser Sachlage fehlt es mithin an der genügenden Darlegung einer von dem Beschuldigten infolge seines Zustands ausgehenden Gefahr der Begehung weiterer erheblicher rechtswidriger Taten. Die Entscheidung des Landgerichts ist deshalb aufzuheben; sie bedarf neuer Verhandlung.”
Dem schließt sich der Senat an, verweist die Sache jedoch an ein anderes Landgericht zurück (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Unterschriften
Bode, Rothfuß, Fischer, Roggenbuck, Appl
Fundstellen
Haufe-Index 2556589 |
StraFo 2005, 509 |