Entscheidungsstichwort (Thema)
Übergangsregelung. verfassungswidrig. Gleichheitsgrundsatz. Rechtsstaatsprinzip
Leitsatz (amtlich)
Die Vorschrift des § 26 Nr. 9 EGZPO ist nicht verfassungswidrig; sie verletzt weder den Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch das Rechtsstaatsprinzip.
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 9
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg |
KG Berlin (Aktenzeichen 3 UF 419/01) |
Tenor
1. Der Antragsgegnerin wird als Revisionsklägerin Prozesskostenhilfe für ihre Revision bewilligt und Rechtsanwältin Dr. A. beigeordnet.
Sie hat auf die Prozesskosten monatliche Raten von 75 EUR an die zuständige Landeskasse zu zahlen, erstmals zum 1.11.2005.
2. Der Antragsgegnerin wird für ihre Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe mangels Erfolgsaussicht versagt.
Gründe
Die Antragsgegnerin beantragt Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen die Zurückweisung ihrer Berufung bezüglich des Scheidungsausspruchs.
Die beantragte Prozesskostenhilfe war zu versagen, da das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO) und die Entscheidung in der Hauptsache nicht von der Beantwortung einer schwierigen, bislang ungeklärten Rechtslage abhängt (BVerfG v. 10.12.2001 - 1 BvR 1803/97, FamRZ 2002, 665). Die Nichtzulassungsbeschwerde gem. § 544 ZPO ist unzulässig.
1. Gemäß § 26 Nr. 9 EGZPO finden in Familiensachen die Bestimmungen über die Nichtzulassungsbeschwerde (§ 543 Abs. 1 Nr. 2, §§ 544, 621e Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO i.d.F. des Gesetzes zur Reform des Zivilprozesses v. 27.7.2001, BGBl. I, 1887) u.a. dann keine Anwendung, wenn die anzufechtende Entscheidung vor dem 1.1.2007 verkündet worden ist. Das ist hier der Fall.
2. Die Übergangsregelung in § 26 Nr. 9 EGZPO ist - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - nicht verfassungswidrig (vgl. zum rechtsähnlichen Fall des § 26 Nr. 8 EGZPO; BGH, Beschl. v. 16.12.2002 - IX ZA 31/02, NJW-RR 2003, 645). Der Senat kann eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG und einen Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip nicht feststellen.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitsgrundsatz nur dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache oder sonst sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt. Dabei muss die Unsachlichkeit der getroffenen Regelung evident sein, wenn Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sein soll (BVerfGE 18, 121 [124], m.w.N.).
Die Übergangsregelung in § 26 Nr. 9 EGZPO kann für sich einen "einleuchtenden Grund" in Anspruch nehmen. Mit dieser Regelung soll - ausweislich der Begründung zu dieser Vorschrift - einer Überlastung des BGH entgegengewirkt und eine Gleichbehandlung aller Familiensachen gewährleistet werden (BT-Drucks. 14/4722, 126).
Das BVerfG hat es als zulässig angesehen, dass der Gesetzgeber in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten den Weg der richterlichen Zulassung der Revision gewählt hat, um das gebotene Ziel - eine Vermeidung der Überlastung des Revisionsgerichts - zu erreichen (BVerfGE 19, 323 [327]). Familiensachen sind teilweise nichtvermögensrechtlicher Art. Damit eine Gleichbehandlung dieser Familiensachen mit solchen vermögensrechtlicher Art erreicht werden kann, durfte es insgesamt bei der Zulassungsrevision - ohne die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde - bleiben.
b) Auch das Rechtsstaatsprinzip ist durch die Übergangsregelung nicht verletzt, weil dieses nicht gebietet, dass der Rechtsweg in allen Zweigen einen Instanzenzug hat, insb. stets das Rechtsmittel der Revision gegeben sein muss (BVerfG v. 30.4.2003 - 1 PBvU 1/02, MDR 2003, 886 = FamRZ 2003, 995 [996 ff.]).
Fundstellen
BGHR 2005, 1616 |
FamRZ 2005, 1902 |
FuR 2006, 35 |
NJW-RR 2006, 5 |
AnwBl 2005, 148 |
FPR 2006, 454 |
MDR 2006, 210 |