Leitsatz
Die widerrufliche Einräumung von Bezugsrechten aus einer Lebensversicherung ist ein Mittel der Nachlassgestaltung. Deren Bewertung beim Pflichtteilsausgleich wird sich nun grundlegend und zum Vorteil "Enterbter" ändern.
Sachverhalt
In zwei vom BGH entschiedenen Fällen hatten die Erblasser zu Lebzeiten ihre Bezugsrechte aus Lebensversicherungen auf Anverwandte übertragen und jeweils einen Sohn enterbt. Nach dem Tode des Erblassers machten die Söhne ihre Pflichtteilsansprüche geltend und beantragten deren Ergänzung nach § 2325 BGB. Hiernach hat der Pflichtteilsberechtigte das Recht, eine Pflichtteilsergänzung zu verlangen, wenn der Erblasser einem Dritten eine Schenkung gemacht hat. Eine solche Schenkung stellt auch die Übertragung der Bezugsrechte aus einer Lebensversicherung dar.
Bisher hat der BGH diese Fälle auf der Grundlage einer überkommenen Rechtsprechung des Reichsgerichts entschieden. Hiernach war schlicht die Summe der eingezahlten Beiträge für die Berechnung maßgebend. Dies ist wirtschaftlich äußerst unbefriedigend, da schon der Rückkaufswert der Lebensversicherungen zu Lebzeiten des Erblassers deutlich höher ist. Hinzu kommt, dass Lebensversicherungen am Kapitalmarkt durch sog. Aufkäufer oft über dem Rückkaufswert gehandelt werden. Die Auszahlungssumme nach dem Tod ist ohnehin regelmäßig deutlich höher.
In den zu entscheidenden Fällen hat das KG Berlin die Rechtsprechung des Reichsgerichts adaptiert und lediglich die geleisteten Beiträge berücksichtigt. Demgegenüber orientierte sich das OLG Düsseldorf an einer neueren insolvenzrechtlichen Entscheidung des BGH. Das OLG leitete hieraus ab, dass die nach dem Todesfall ausgezahlte Versicherungssumme Grundlage der Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruches sein müsse. Der BGH hält nun den realen objektiven Marktwert zu Lebzeiten des Schenkers für entscheidend. Er stellt auf den Rückkaufswert in der letzten juristischen Sekunde vor dem Tod des Erblassers ab. Zu berücksichtigen sei hierbei auch der von einem gewerblichen Aufkäufer real zu erzielende Aufkaufwert. Dagegen seien individuell subjektive Umstände nicht zu berücksichtigen, insbesondere die schwindende Lebenserwartung des Schenkers infolge von Krankheit und Kräfteverfall, die in der Praxis den Aufkaufwert deutlich erhöhen können. Die konkreten Fälle hat der BGH zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanzen zurück verwiesen.
Link zur Entscheidung
BGH, Urteile v. 28.4.2010, BGH, Urteil vom 28.04.2010, IV ZR 73/08 und IV ZR 230/08.