Leitsatz (amtlich)
Zum fehlenden Tatbestand als Revisionsgrund.
Normenkette
ZPO § 313 Abs. 2, § 543 Abs. 2
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Aktenzeichen 8 U 155/95) |
LG Hamburg (Aktenzeichen 329 O 131/95) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 7. Mai 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin ist die Tochter der Beklagten. Die Parteien streiten darüber, ob sie in bezug auf das Unternehmen „S. ” eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden.
Die Klägerin hat Klage auf Feststellung erhoben, daß zwischen ihr und der Beklagten eine solche Gesellschaft nicht besteht. Das Landgericht hat diese Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr stattgegeben und den Wert der Beschwer der Beklagten auf 50.000,– DM festgesetzt.
Auf die Revision der Beklagten hat der erkennende Senat festgestellt, daß der Wert der Beschwer der Beklagten 60.000,– DM übersteigt. Die Beklagte erstrebt mit der Revision die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Die Rüge der Revision, das gänzliche Fehlen eines Tatbestandes verletze § 543 Abs. 2 ZPO, greift durch.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist ein Berufungsurteil grundsätzlich aufzuheben, wenn es keinen Tatbestand enthält (BGHZ 73, 248, 250 ff.); denn einem solchen Urteil kann in der Regel nicht entnommen werden, welchen Streitstoff das Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, so daß diese einer abschließenden Überprüfung in der Revisionsinstanz nicht zugänglich ist. Dies gilt auch dann, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts ein Urteilstatbestand entbehrlich erschien, weil es sein Urteil mangels Überschreitung der Beschwersumme von 60.000,– DM für nicht revisibel hielt. Von einer Aufhebung kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn das Ziel, die Anwendung des Rechts auf den festgestellten Sachverhalt nachzuprüfen, im Einzelfall erreicht werden kann, weil sich der Sach- und Streitstand aus den Entscheidungsgründen in einem für die Beurteilung der aufgeworfenen Rechtsfrage ausreichenden Umfang ergibt (vgl. BGH, Urt. v. 6. Juli 1995 - I ZR 20/93, BGHR ZPO § 543 Abs. 2 - Tatbestand, fehlender 12; v. 25. April 1991 - I ZR 232/89, NJW 1991, 3038, 3039; jew. m.w.N.).
2. Ein solcher Ausnahmefall scheidet aus.
Aus den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils läßt sich kein ausreichendes Bild von dem Sach- und Streitstand gewinnen. Das Vorbringen der Beklagten, ob und wie ein Gesellschaftsvertrag mit der Klägerin zustande gekommen sei, und das entsprechende gegenteilige Vorbringen der Klägerin werden in den Entscheidungsgründen teilweise nicht gewürdigt.
a) Soweit das Berufungsgericht sich – für das Revisionsgericht erkennbar – überhaupt mit dem vorgetragenen Sachverhalt auseinandersetzt, rügt die Revision mit Erfolg, dem liege eine unzutreffende Rechtsauffassung zugrunde. Die Beklagte habe im einzelnen dargelegt, aufgrund welcher Umstände nach ihrer Ansicht eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet worden sei. Dem kann das Berufungsgericht nicht die Argumentation entgegensetzen, nach außen hin sei stets die Klägerin als alleinige Inhaberin des Unternehmens aufgetreten. Ein wesentliches Kriterium der in Form einer Innengesellschaft handelnden Gesellschaft bürgerlichen Rechts liegt darin, daß der Mitgesellschafter oft nach außen als Alleininhaber auftritt und die Gesellschaft für Dritte deswegen nicht erkennbar ist.
Soweit das Berufungsgericht überdies die Meinung vertritt, die Beklagte habe ihrer Behauptung, mit der Klägerin eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts geschlossen zu haben, durch ihren widersprüchlichen Vortrag selber die Grundlage entzogen, ist dies schon deshalb zweifelhaft, weil die Beklagte – worauf die Revision zutreffend hinweist – im Schlußtermin erklärt hat, sie berühme sich nicht der Alleininhaberschaft an dem Unternehmen, sondern gehe von einer BGB-Gesellschaft aus.
b) Mangels eines Urteilstatbestandes können die Erwägungen des Berufungsgerichts zu der Frage, ob zwischen den Parteien ein Anstellungsvertrag geschlossen worden ist und welche Bedeutung dies haben könnte, nicht überprüft werden. Die Revision weist darauf hin, daß ein schriftlicher Arbeitsvertrag nicht geschlossen worden sei, und das früher befaßte Arbeitsgericht ein Arbeitsverhältnis nicht habe feststellen können. Das Berufungsgericht geht auch auf den Vortrag der Beklagten nicht ein, daß sie ihren außerordentlichen Einsatz zunächst für ein „Gehalt” von lediglich 500,– DM monatlich erbracht habe; immerhin wäre dies trotz der familienrechtlichen Beziehungen der Parteien ohne gesellschaftsrechtliche Gewinnbeteiligungsrechte der Beklagten lebensfremd. Es läßt überdies außer acht, daß die Beklagte Privatentnahmen getätigt haben soll. Diese Privatentnahmen sollen der Klägerin am 15. Juni 1992 den Anlaß gegeben haben, gegenüber der Beklagten eine fristlose Kündigung auszusprechen. Solche Entnahmen könnten zu einer tatsächlichen Vermutung für eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Regelung führen.
II. Darüber hinaus macht die Revision geltend, der von dem Berufungsgericht unterstellte Sachverhalt, die Initiative zur Gründung des Unternehmens sei von der Beklagten ausgegangen, diese habe anfangs gewisse unternehmensbezogene Kosten getragen und maßgeblichen Einfluß auf die Betriebsführung ausgeübt, sei nicht vollständig. Die Beklagte habe vorgetragen, sie habe nicht nur „gewisse” Kosten, sondern die notwendigen Geld- und Sachmittel aufgebracht. Das Berufungsgericht befaßt sich auch nicht mit dem Vortrag, daß die Parteien sich darauf geeinigt haben sollen, gemeinschaftlich einen Pflegedienst aufzubauen und zu betreiben, um beiden eine dauerhafte Erwerbsquelle zu schaffen. Endlich geht das Berufungsgericht nicht darauf ein, daß sich die Parteien ursprünglich überlegt haben sollen, eine GmbH zu gründen, in der sie Gesellschafter sein wollten.
III. Die von dem Berufungsgericht als wahr unterstellten weiteren tatsächlichen Anhaltspunkte wertet es selber als ambivalent; „sie mögen zwar auf ein Gesellschaftsverhältnis oder auf die Alleininhaberschaft der Beklagten hinweisen, doch sind sie sämtlich mit der Annahme der Alleininhaberschaft der Klägerin vereinbar”. Die Revision rügt, bei dieser Ambivalenz habe das Berufungsgericht die von der Beklagten angebotenen Beweise nicht als Ausforschungsbeweise zurückweisen dürfen. Das Revisionsgericht kann die Richtigkeit der von dem Berufungsgericht vorgenommenen Würdigung nicht nachprüfen, weil dieses das Beweisthema und die dazu vorgetragenen Tatsachen nicht mitteilt.
IV. Da dem Revisionsgericht eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Röhricht, Hesselberger, Henze, Kurzwelly, Kraemer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.02.1999 durch Boppel Justizamtsinspektor als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538647 |
DStR 1999, 644 |
HFR 2000, 56 |
NJW 1999, 1720 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 871 |
InVo 1999, 268 |