Leitsatz (amtlich)
›Ein Handelsvertreter braucht sich im Falle der Kündigung des Vertragsverhältnisses, die durch ein schuldhaftes Verhalten des Unternehmers ausgelöst worden ist, die Einnahmen aus nach der Kündigung neu übernommenen Vertretungen auf seinen Schadensersatzanspruch dann nicht anrechnen zu lassen, wenn er lediglich im Zeitpunkt der Kündigung noch freie Arbeitskapazitäten im Rahmen des Aufbaus seines Geschäfts ausnutzt.‹
Verfahrensgang
LG Düsseldorf |
OLG Düsseldorf |
Tatbestand
Der Kläger war für die Beklagten, die Kraftfahrzeugzubehör produzieren, seit 1974 als Handelsvertreter tätig und erhielt für die von ihm vermittelten Geschäfte Provisionen. Der Vertrag war bis 30. Juni 1979 fest abgeschlossen.
Nachdem die Beklagten im September und Dezember 1976 die fristlose Kündigung des Handelsvertreterverhältnisses ausgesprochen und dem Kläger eine weitere Tätigkeit mit sofortiger Wirkung untersagt hatten, kündigte der Kläger seinerseits aus wichtigem Grund zum 31. Januar 1977. Es ist zwischen den Parteien durch Teilurteil des Berufungsgerichts vom 8.12.1978 rechtskräftig festgestellt, daß die von den Beklagten ausgesprochenen Kündigungen unwirksam waren.
Der Kläger begehrt jetzt noch, soweit es für das vorliegende Revisionsverfahren von Bedeutung ist, Schadensersatz wegen des Verlustes von Provisionseinnahmen nach § 89 a Abs. 2 HGB. Hierzu hat er behauptet, seine Kündigung sei durch die vorangegangenen unberechtigten fristlosen Kündigungen der Beklagten in Verbindung mit dem Tätigkeitsverbot veranlaßt worden. Dadurch habe er einen Provisionsausfall erlitten.
Dieser berechne sich für die Zeit vom 1. Februar 1977 bis zum 31. Dezember 1978 auf der Grundlage der in den vorangegangenen 13 Monaten erzielten Durchschnittsprovisionen und unter Abzug eines Kostenanteils von 55 % auf insgesamt 49.411,84 DM. Auf diesen Provisionsverlust könnten seine Einnahmen aus der Tätigkeit in den Jahren 1977/1978 für andere Unternehmen nicht angerechnet werden. Da er seine Vertretertätigkeit erst im Jahre 1974 begonnen habe, habe er nämlich im Rahmen seines Geschäftsbetriebs noch Kapazitäten frei gehabt, die er eingesetzt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu 1 zu verurteilen, an ihn 47.401,87 DM nebst 5 % Zinsen von 22.670,46 DM seit dem 19.1.1980 und von 29.731,41 DM seit dem 3.3.1981 zu zahlen; die Beklagten zu 2 und 3 als Gesamtschuldner zu verurteilen, an 2.009,97 DM nebst 5 % Zinsen von 961,29 DM seit dem 19.1.1980 und von 1.048,68 DM seit dem 3.3.1981 zu zahlen.
Die Beklagten haben Klagabweisung beantragt und geltend gemacht, der Kläger müsse sich die anderweitig verdienten höheren Provisionen in vollem Umfang anrechnen lassen. Er habe Kosten in seinem Geschäftsbetrieb in Höhe von 62,08 % erspart.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die anderweitigen Provisionseinkünfte nach der Kündigung höher als die Provisionsverluste gewesen seien und der Kläger sich diese Einkünfte anrechnen lassen müsse. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt er den Schadensersatzanspruch weiter. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Anspruchs des Klägers nach § 89 a Abs. 2 HGB zwar bejaht, die Klage jedoch abgewiesen, weil das eigene Vorbringen des Klägers ergebe, daß ihm durch die Kündigung ein Gewinn nicht entgangen, ein Schaden also nicht entstanden sei. Es hat weiter ausgeführt, der Kläger müsse sich aufgrund seiner Schadensminderungspflicht die anderweitig erzielten oder erzielbaren Provisionseinkünfte anrechnen lassen. Sie beruhten auf zumutbarer Erwerbstätigkeit und die Anrechnung stelle keine unbillige Entlastung der Beklagten dar. Dabei sei unerheblich, ob der Kläger diese Einkünfte wegen freier Arbeitskapazität unschwer auch neben einer weiteren Tätigkeit für die Beklagten hätte erzielen können. Der Kläger könne nur die Wiederherstellung des Zustandes verlangen, wie er ohne die Kündigung bestanden hätte. Im Zeitpunkt der Kündigung aber habe er seine Arbeitskraft auch noch nicht voll anderweitig ausgenutzt gehabt. Daß der Kläger sich noch im Aufbau seiner Tätigkeit befunden habe, stehe nicht entgegen. Dem vom Kläger behaupteten Provisionsverlust stünden für 1978 höhere Einnahmen aus anderen Vertretungen gegenüber. Soweit seine Fremdeinkünfte 1977 noch geringfügig unter denen von 1976 gelegen hätten, stehe ihm ein Schadensersatzanspruch nicht zu, weil er insoweit die selbst zugestandenen freien Arbeitskapazitäten hätte ausnutzen müssen. Der Kläger sei auch nicht, wie er behauptet habe, als Bezirksvertreter tätig gewesen, sondern habe die Provisionen nur aufgrund nachgewiesener Geschäfte erhalten.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Nach § 89 a Abs. 2 HGB kann der Kläger Ersatz des Schadens verlangen, der ihm wegen der vorzeitigen Beendigung des Handelsvertretervertrags durch seine eigene Kündigung entstanden ist, da die Kündigung durch schuldhaftes Verhalten der Beklagten veranlaßt worden ist. Daraus folgt, daß die Beklagten dem Kläger diejenigen Provisionen zu ersetzen haben, die er bis zum vertragsgemäß vorgesehenen Ende des ohne ordentliche Kündigungsmöglichkeit bis 30. Juni 1979 fest abgeschlossenen - Vertretervertrages hätte erzielen können. Er konnte somit einen Schaden für die Zeit vom 1. Februar 1977 bis 31. Dezember 1978 geltend machen, und er konnte der Berechnung die im Vorjahr aus seiner Tätigkeit für die Beklagten erzielten Provisionen zugrundelegen.
2. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht bei dieser Sachlage das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs des Klägers verneint hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
Der Umfang des dem Kläger zustehenden Ersatzanspruchs aus § 89 a Abs. 2 HGB richtet sich nach §§ 249 ff. BGB. Der Kläger ist danach so zu stellen, wie wenn der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht deshalb bei der Berechnung des Schadens die Einkünfte des Klägers nicht berücksichtigt, die er im Zeitpunkt der Kündigung bereits aus anderen Vertretungen bezog; sie stehen in keinem Kausalzusammenhang mit der Kündigung.
Ohne Rechtsverstoß hat das Berufungsgericht weiter festgestellt, daß der Kläger im Zeitpunkt der Kündigung noch über freie Arbeitskapazitäten verfügt habe, die er alsdann genutzt und dadurch höhere Provisionseinnahmen als früher erzielt habe. Allein daraus folgt noch nicht zwingend, wie das Berufungsgericht gemeint hat, daß dem Kläger kein Schaden entstanden sei, weil er sich die höheren Einnahmen als einen Vorteil auf seinen Ersatzanspruch anrechnen lassen müsse. Der Kläger hat nämlich hierzu vorgetragen, er habe die schon während des Bestehens des Vertrags mit den Beklagten vorhandene Möglichkeit nur weiter genutzt, um höhere Einkünfte zu erzielen. Er hat damit die für Anrechnung der Vorteile erforderliche Kausalität zwischen diesen und dem eingetretenen Schaden in Abrede gestellt. Dazu hat er vorgetragen: Allein durch seine Tätigkeit für die Beklagten sei er nicht ausgelastet gewesen. Schon vor der Kündigung habe er daher in Übereinstimmung mit der Branchenübung und den danach maßgebenden Erfordernissen auch noch anderer Handelsvertreter Aufgaben in ständig wachsendem Umfang übernommen. Auch im Zeitpunkt der Kündigung habe er noch über freie Kapazitäten verfügt. Wenn die hierzu aufgestellten Behauptungen des Klägers zutreffen, wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist, ist es nicht auszuschließen, daß der Kläger trotz gleicher oder höherer Provisionseinnahmen aus anderen Vertretungen nach der Kündigung gleichwohl durch den Verlust der Vertretung der Beklagten einen Schaden erlitt, denn er hätte nach seinem Vorbringen diese höheren Provisionseinnahmen aus den weiter übernommenen Vertretungen auch bei Fortbestehen des Vertragsverhältnisses zu den Beklagten erzielt, um seine Arbeitskraft auszulasten und sein Angebot abzurunden.
3. Das Berufungsgericht hat einen Schadensersatzanspruch des Klägers auch deshalb verneint, weil er zur Ausübung neuer Tätigkeiten im Interesse einer Minderung des Schadens nach der Kündigung des Vertretungsverhältnisses zu den Beklagten verpflichtet gewesen sei, wie sich aus § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe. Die hierzu getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts reichen jedoch nicht aus, um die Anwendung dieser Vorschrift zu rechtfertigen. Es wird zu prüfen sein, wie sich die neu übernommenen Vertretungen in die Geschäftstätigkeit des Klägers einpaßten, denn das Ergebnis einer überpflichtgemäßen Ausweitung der Tätigkeit des Klägers ist der Beklagten nicht gutzubringen (vgl. BGHZ 55, 329, 332 f.). Eine Anrechnungspflicht nach § 254 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht weiter nur dann, wenn sich das Ersatzverlangen des Klägers angesichts seiner gesteigerten Fremdeinkünfte den Beklagten gegenüber als treuwidrig darstellen würde, denn der Anrechnungsmaßstab wird durch die Grundsätze von Treu und Glauben, § 242 BGB, begründet (BGHZ 4, 174). Auch wenn das Berufungsgericht bei der weiteren Sachaufklärung feststellt, daß der Kläger neben der erweiterten Fremdtätigkeit nicht im bisherigen Umfang für die Beklagte hätte tätig sein können, reicht das noch nicht aus, um bereits annehmen zu können, der Kläger müsse sich nach Treu und Glauben die Mehreinnahmen anrechnen lassen, um den Schaden, den die Beklagten durch die ungerechtfertigte Kündigung verursacht haben, zu mindern. Denn auch bei Fortführung der Vertragsbeziehungen zu den Beklagten, wären die neuen Einkünfte nicht auf die entgangenen Provisionen angerechnet worden.
III. Danach war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 2992729 |
MDR 1985, 25 |