Leitsatz (amtlich)
Die rabattrechtliche Inanspruchnahme eines Beteiligten, der selbst nicht zu den Normadressaten des Rabattgesetzes gehört, setzt mindestens voraus, daß der Rabattverstoß, zu dem der Beteiligte beigetragen haben soll, tatsächlich begangen worden ist.
Zur Frage der Wettbewerbsförderungsabsicht bei der Aufforderung zu einer – unzulässigen – Rabattgewährung, wenn diese seitens einer auf gesetzlicher Grundlage errichteten Mitarbeitervertretung vornehmlich in Wahrnehmung materieller Interessen der vertretenen Mitarbeiter erfolgt.
Normenkette
RabattG §§ 11-12; UWG § 1
Verfahrensgang
OLG Karlsruhe (Urteil vom 25.02.1987) |
LG Mosbach (Urteil vom 18.02.1986) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 25. Februar 1987 aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mosbach vom 18. Februar 1986 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtsmittel werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist als gewerblicher Fachverband des Sportartikelhandels auf Bundesebene tätig. Satzungsgemäß soll er vor allem die fachlichen Interessen der Einzelhändler mit Sportartikeln, darunter auch die gewerblichen Interessen i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG, fördern.
Die Beklagte hat als Körperschaft des öffentlichen Rechts und Einrichtung der Diakonie im Bereich der evangelischen Landeskirche B. die Betreuung von Behinderten übernommen. Ihre Organe sind der Verwaltungsrat und der Vorstand. Aufgrund der von ihr übernommenen kirchengesetzlichen Regelung über Mitarbeitervertretungen besteht bei der Beklagten unter anderem eine Mitarbeitervertretung für den Bereich M., deren Aufgaben derjenigen eines Betriebsrates bei Wirtschaftsunternehmen und eines Personalrats im öffentlichen Dienst vergleichbar sind.
Die Mitarbeitervertretung der Beklagten für die Beschäftigten des Bereichs M. versandte an Einzelhändler, darunter auch die Firma „Sport F.” in M., ein Schreiben vom 23. September 1985, in dem unter anderem ausgeführt war:
„… von der Mitarbeitervertretung der J.-Anstalten M. wird seit Jahren ein Verzeichnis geführt mit Firmen, die sich in Anerkennung der Aufgaben und Ziele dieser Einrichtung bereiterklärt haben, den hier tätigen Mitarbeitern gegen Vorlage des Dienstausweises vom Kaufpreis einen besonderen Nachlaß zu gewähren. In diesem Verzeichnis ist auch Ihre Firma mit aufgenommen.
Die Mitarbeitervertretung ist gerade dabei, dieses Verzeichnis zu aktualisieren. Aus diesem Anlaß möchten wir Sie bitten, uns mitzuteilen, ob Sie weiterhin einen Preisnachlaß für Mitarbeiter der J.-Anstalten gewähren und wie hoch dieser im einzelnen ist (Angaben bitte in v.H.-Sätzen) …”
Der Kläger ist der Ansicht, dieses Schreiben, das der Beklagten zuzurechnen sei, enthalte einen Verstoß gegen die Vorschriften des Rabattgesetzes und gegen § 1 UWG.
Der Kläger hat – soweit für die Revisionsinstanz noch bedeutsam – beantragt,
der Beklagten unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu verbieten,
Einzelhändler, die Sportartikel und/oder Sportbekleidung einschließlich Sportschuhen führen, aufzufordern, Mitarbeitern der J.-Anstalten besondere Preisnachlässe anzubieten und/oder zu gewähren, und/oder ein Verzeichnis derjenigen Firmen, die solche Rabatte versprochen haben, zu erstellen und den Mitarbeitern zugänglich zu machen,
hilfsweise, es zu dulden, daß ihre Mitarbeitervertretung Einzelhändler, die Sportartikel und/oder Sportbekleidung einschließlich Sportschuhen führen, auffordert, Mitarbeitern der J.-Anstalten besondere Preisnachlässe anzubieten und/oder zu gewähren, und/oder daß sie ein Verzeichnis derjenigen Firmen, die solche Rabatte versprochen haben, führt und den Mitarbeitern zugänglich macht.
Die Beklagte ist dem mit der Rechtsauffassung entgegengetreten, das Schreiben der Mitarbeitervertretung könne ihr nicht zugerechnet werden.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt.
Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hat in dem Schreiben der Mitarbeitervertretung der Beklagten einen Verstoß gegen § 1 UWG gesehen, weil die in diesem Schreiben zu sehende Aufforderung zur Rabattgewährung die Adressaten des Schreibens zu einem Verstoß gegen das Rabattgesetz veranlassen sollte. Für den angenommenen Wettbewerbsverstoß hat das Berufungsgericht die Beklagte als nach § 13 Abs. 3 UWG a.F. verantwortlich angesehen; es hat demgemäß einen Unterlassungsanspruch auch gegen die Beklagte bejaht.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Als rechtsirrig erweist sich bereits die Annahme eines wettbewerbswidrigen Verhaltens der Mitarbeitervertretung.
a) Das Schreiben der Mitarbeitervertretung stellt – was auch das Berufungsgericht nicht verkannt hat – keinen Verstoß gegen das Rabattgesetz dar. Adressat dieses Gesetzes ist der den Preisnachlaß gewährende Unternehmer. Der Verbraucher haftet, soweit er sich auf seine Rolle als notwendiger Teilnehmer beschränkt, grundsätzlich nicht (OLG München GRUR 1965, 197 f; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 15. Aufl., § 12 Rabatte Rdn. 3). Ob die Mitarbeitervertretung diese Rolle in einer Weise überschritten hat, die geeignet sein könnte, eine Teilnehmerhaftung zu begründen (vgl. Baumbach/Hefermehl a.a.O.), bedarf keiner Prüfung, da eine solche Haftung nach allgemeinen Teilnahmegrundsätzen jedenfalls zur notwendigen Voraussetzung hätte, daß die rabattgesetzlich verbotene Haupttat begangen worden ist (§ 14 Abs. 2 OWiG i.V. mit §§ 11 und 12 Rabatte). Dies ist vorliegend jedoch weder festgestellt noch behauptet.
b) Scheidet ein Verstoß gegen das Rabattgesetz aus, so kann – wovon auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen ist – das Verhalten der Mitarbeitervertretung lediglich auf seine Vereinbarkeit mit dem allgemeinen Wettbewerbsrecht geprüft werden. Auch ein Verstoß gegen die hier allein in Betracht kommende Vorschrift des § 1 UWG scheidet jedoch aus, da es an einer Tatbestandsvoraussetzung dieser Bestimmung, nämlich der Vornahme der Handlung zu Zwecken des Wettbewerbs, fehlt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs dann vor, wenn ein Verhalten objektiv geeignet ist, den Absatz oder Bezug einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, und wenn der Handelnde dabei subjektiv in der Absicht tätig wird, eigenen oder fremden Wettbewerb zum Nachteil eines anderen zu fördern, sofern diese Absicht nicht völlig hinter anderen Beweggründen zurücktritt (vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 2.7.1987 – I ZR 167/85, GRUR 1988, 38, 39 = WRP 1988, 99 – Leichenaufbewahrung m.w.N.).
In objektiver Hinsicht hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, daß das Schreiben der Mitarbeitervertretung zur Beeinflussung der Wettbewerbslage geeignet war; denn die darin angeregte Mitteilung der angesprochenen Geschäfte konnte – nach entsprechender Verwertung dieser Mitteilung durch die vertretenen Mitarbeiter der Beklagten – die Betriebsangehörigen veranlassen, bei bestimmten Händlern, die höhere Nachlässe in Aussicht stellten, einzukaufen und andere Händler dementsprechend zu vernachlässigen. Das Berufungsgericht durfte auch ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß solche Folgen der Mitarbeitervertretung auch bewußt waren und von ihr als notwendige Begleiterscheinung ihres Schreibens in Kauf genommen wurden. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht hinreichend beachtet, daß das Bewußtsein solcher wettbewerbsbeeinflussender Folgen eines Handelns zwar ein Beweisanzeichen für ein Handeln in Wettbewerbsabsicht darstellen kann, jedoch der Verneinung einer solchen Absicht nicht notwendig entgegensteht, wenn vorrangig aus anderen Gründen gehandelt wird und die Wettbewerbsförderung lediglich notwendige Folge eines anders motivierten Handelns ist (BGH a.a.O. – Leichenaufbewahrung; vgl. auch BGH, Urt. v. 22.5.1986 – I ZR 72/84, GRUR 1986, 898, 899 – Frank der Tat m.w.N.). Eine solche andersartige Motivierung des Handelns der Mitarbeitervertretung ist hier jedoch dem unstreitigen Sachverhalt zu entnehmen. Bei der hier tätig gewordenen Mitarbeitervertretung handelt es sich um ein gemäß § 5 des Kirchlichen Gesetzes über die Mitarbeitervertretung in der Evangelischen Landeskirche in Baden vom 5. April 1978 in der Fassung vom 12. März 1984 (MVG, vgl. Gesetz- und Verordnungsblatt der Evangelischen Landeskirche in Baden 1984, 31) geschaffenes Gremium, dessen Rechtsstellung und Aufgaben denen der Betriebsräte und Personalräte nach dem Betriebsverfassungsgesetz und den Personalvertretungsgesetzen von Bund und Ländern vergleichbar sind. Hinsichtlich der letztgenannten Gremien ist die Auffassung vorherrschend, daß es sich um Organe, mindestens aber Vertretungsgremien der jeweiligen Arbeitnehmerschaft handelt (BAG AP Nr. 15 zu § 13 KSchG; BAG AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG; Fabricius/Kraft/Thiele/Wiese/Kreutz, BetrVG, 4. Aufl., Einl. Rd. 75–83 m.w.N.). Für die hier tätig gewordene Mitarbeitervertretung kann – was schon ihr Name deutlich werden läßt – nichts anderes gelten. Ihr obliegen gemäß § 32 MVG allgemeine Aufgaben im Interesse der Mitarbeiter, darunter gemäß Abs. 3 lit. a der Vorschrift auch die Förderung oder Durchführung von Maßnahmen, die den Mitarbeitern dienen, insbesondere auch solche sozialer Art. Bei Berücksichtigung dieser Funktion der Mitarbeitervertretung sowie des Inhalts des Schreibens kann es keinem Zweifel unterliegen, daß Zweck des letzteren in erster und hauptsächlicher Hinsicht – also vorrangig – die Verschaffung gewisser materieller Vergünstigungen für die vertretenen Betriebsmitarbeiter war. Daneben kann als weitere Motivation allenfalls noch in Betracht kommen, daß die – gewählte – Mitarbeitervertretung nach § 32 Abs. 4 MVG gehalten ist, einmal im Jahr einen Tätigkeitsbericht zu erstatten, und daß Nachweise von Erfolgen im materiellen Interesse der Belegschaft dem Ansehen der Mitarbeitervertretung förderlich sein können. Daß aber neben diesen jedenfalls ganz im Vordergrund stehenden Motivationen durch Interessenwahrnehmung einerseits und – möglicherweise – persönliches Erfolgsstreben andererseits auch die Absicht der Förderung fremden Wettbewerbs eine irgendwie maßgebliche Rolle gespielt haben könnte, kann unter den hier gegebenen Umständen nach der allgemeinen Lebenserfahrung ausgeschlossen werden.
2. Fehlt es somit schon an einer wettbewerbswidrigen Verhaltensweise der Mitarbeitervertretung, so kommt es auf die weitere Frage, ob die Beklagte für ein Verhalten dieses – vom Gesetz gegenüber der Betriebsleitung weitgehend unabhängig ausgestalteten – Gremiums gemäß § 13 Abs. 4 UWG n.F. einzustehen hätte, nicht mehr an.
III. Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Mosbach ist mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ergeht gemäß § 91 ZPO.
Unterschriften
v. Gamm, Piper, Teplitzky, Mees, Nobbe
Fundstellen
Haufe-Index 1237593 |
GRUR 1989, 773 |
Nachschlagewerk BGH |