Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf eines Bezugsrechts aus einer Lebensversicherung durch Testament
Leitsatz (amtlich)
Widerruft der Versicherungsnehmer das Bezugsrecht aus einer von ihm abgeschlossenen Lebensversicherung durch Testament, und zeigt er dies dem Versicherer nicht an, dann wird der Widerruf nicht wirksam.
Normenkette
ALB § 13 Abs. 3; BGB §§ 332, 816 Abs. 2; VVG § 166 Abs. 1 S. 1
Tenor
Auf die Rechtsmittel des Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 15. April 1980 aufgehoben und das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Hamburg vom 20. September 1979 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
Tatbestand
Die am 21. September 1978 verstorbene Frau Charlotte T. hatte eine Lebensversicherung über 25.000 DM abgeschlossen und den Beklagten gegenüber dem Versicherer widerruflich als bezugsberechtigt bezeichnet; die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen stimmen mit den Allgemeinen Versicherungsbedingungen für Lebensversicherungen, Musterbedingungen für die Großlebensversicherung, in der Fassung vom 30. April 1957 (ALB 1957), VerBAV 1957, 58, überein. In dem handschriftlichen Testament der Versicherungsnehmerin vom 28. Juli 1978 heißt es:
"Mittelschnauzerhündin Elissa/zu Händen Frau Afra H. ... (Klägerin) bekommt 15.000 DM von der Lebensversicherung ... An die Auszahlung ... knüpft sich die Bitte, Hündin Elissa das Gnadenbrot zu erteilen ..."
Der Versicherer zahlte die vereinbarte Versicherungsleistung an den Beklagten aus, bevor die Klägerin ihm die letztwillige Verfügung mitteilte. Die Klägerin ist der Auffassung, der Anspruch auf die Versicherungsleistung habe in Höhe eines Teilbetrages von 15.000 DM ihr und nicht dem Beklagten zugestanden; sie nimmt den Beklagten auf Zahlung dieser Summe nebst Zinsen in Anspruch. Der Beklagte hält den Widerruf seiner Bezugsberechtigung durch das Testament nicht für wirksam, weil dieser dem Versicherer nicht zugegangen sei. Außerdem habe Frau T. ihm bereits im Jahre 1969 den Anspruch auf die Versicherungsleistung geschenkt und abgetreten.
Die Vorinstanzen haben die Klage für begründet erachtet. Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Klageabweisung.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, Frau Trautmann habe die Bezugsberechtigung des Beklagten durch Testament (§ 332 BGB) widerrufen können; der Widerruf habe dem Versicherer nicht vor dem Tode der Versicherungsnehmerin zuzugehen brauchen. Das Recht des Versicherungsnehmers, die Bezugsberechtigung durch Testament zu widerrufen, sei nicht durch § 13 Abs. 3 ALB ausgeschlossen. Ein derartiger Ausschluß sei zwar möglich und müsse nicht notwendig ausdrücklich erfolgen; es müsse aber klar und unmißverständlich zum Ausdruck gebracht werden, daß ein Widerruf durch letztwillige Verfügung nicht statthaft und wirkungslos sei. Daran fehle es hier. § 13 Abs. 3 ALB spreche einem Widerruf, der nicht dem Vorstand des Versicherers schriftlich angezeigt worden sei, die Wirksamkeit nur "gegenüber dem Versicherer" ab und lasse dessen Wirkungen im übrigen offen. Mit dieser Fassung habe der Versicherer sich lediglich gegen mehrfache Inanspruchnahme sichern wollen; wem die Versicherungssumme letztlich zustehe, sei dem Versicherer gleichgültig. Ob Frau T. dem Beklagten den Versicherungsanspruch bereits im Jahre 1969 geschenkt hat, hält das Berufungsgericht für unerheblich. Ein sofortiges und unwiderrufliches Recht auf die Versicherungssumme habe der Beklagte nur erlangen können, wenn die Erblasserin einen entsprechenden Antrag an den Versicherer gerichtet und wenn dieser den Antrag angenommen und dem Beklagten schriftlich bestätigt hätte. Diese Voraussetzungen lägen indessen nicht vor.
Hiergegen wendet sich die Revision mit Erfolg.
Die Klägerin kann mit ihrer auf § 816 Abs. 2 BGB gestützten Klage nur durchdringen, wenn das Recht auf die Leistung des Versicherers ihr und nicht dem Beklagten zustand. Das ist entgegen der Auffassung der Vorinstanzen nicht der Fall. Vielmehr stand der Versicherungsanspruch mit dem Eintritt des Versicherungsfalles (Tod der Versicherungsnehmerin) dem Beklagten zu.
Bei der Lebensversicherung (Todesfall-Versicherung), die auf das Leben des Versicherungsnehmers genommen wird, gehört die Versicherungsforderung grundsätzlich zum Vermögen des Versicherungsnehmers (BGHZ 32, 44, 46 f). Der Versicherungsnehmer hat aber nach § 13 Abs. 1 ALB 1957 das Recht, einen Dritten als bezugsberechtigt zu bezeichnen (vgl. § 166 Abs. 1 Satz 1 VVG). Die hierdurch entstehende Bezugsberechtigung des Dritten kann der Versicherungsnehmer bis zum Eintritt des Versicherungsfalles widerrufen. Tut er das nicht oder nicht wirksam, dann erwirbt der Dritte das Recht auf die Leistung des Versicherers mit dem Eintritt des Versicherungsfalles.
So ist es hier. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Versicherungsnehmerin den Beklagten gegenüber dem Versicherer als bezugsberechtigt bezeichnet. Diese Bezugsberechtigung hat die Versicherungsnehmerin nicht wirksam widerrufen. Nach § 13 Abs. 3 ALB 1957 sind Verpfändung und Abtretung der Versicherungsansprüche sowie Einräumung und Widerruf des Bezugsrechtes dem Versicherer gegenüber nur und erst dann wirksam, wenn sie der bisherige Verfügungsberechtigte dem Vorstand des Versicherers schriftlich angezeigt hat. An einer derartigen Anzeige fehlt es hier.
Nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 332 BGB kann der Versicherungsnehmer die Bezugsberechtigung "im Zweifel" allerdings auch in einer Verfügung von Todes wegen, also durch eine nichtempfangsbedürftige Willenserklärung, widerrufen und durch eine andere ersetzen. Indessen greift diese Vorschrift hier im Hinblick auf den Inhalt des Versicherungsvertrages nicht ein.
Die maßgebende Bestimmung des § 13 Abs. 3 ALB 1957 schränkt die Befugnis des Versicherungsnehmers zur Einräumung und zum Widerruf eines Bezugsrechts deutlich ein. Einräumung und Widerruf sollen danach nur und erst dann wirksam werden, wenn sie dem Versicherungsnehmer angezeigt sind. Ein Widerruf durch Testament, das dem Versicherer nicht angezeigt wird, kann daher dem Versicherer gegenüber nicht wirksam werden (ebenso Helmers, VersR 1965, 534 f, a.M. MünchKomm-Gottwald § 332 BGB Rdn. 2). Die Erwägung des Berufungsgerichts, § 13 Abs. 3 ALB 1957 spreche dem nicht angezeigten Widerruf die Wirksamkeit nur "gegenüber dem Versicherer" ab und lasse dessen Wirkungen im übrigen offen, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Der Widerruf einer Bezugsberechtigung und die Bezeichnung einer anderen Person als bezugsberechtigt, die dem Versicherer gegenüber unwirksam bleiben, lassen die Verpflichtung des Versicherers gegenüber dem alten Bezugsberechtigten unberührt und können dem neu bezeichneten Dritten daher kein Recht gegen den Versicherer verschaffen. Berechtigter im Sinn von § 816 Abs. 2 BGB bliebe daher der Beklagte.
Richtig ist allerdings, daß Bartholomeyczik (Sein und Werden im Recht, Festgabe für Ulrich von Lübtow S. 729 ff, Die Verfügung von Todes wegen zur Bestimmung, zur Änderung und zum Widerruf der Bezugsberechtigung aus einem Lebensversicherungsvertrag S. 735) und Soergel/Siebert/Schmidt (10. Aufl. § 332 BGB Rdn. 1) im Anschluß an RGZ 168, 177, 186, die Auffassung vertreten, § 332 BGB könne nur durch eine ausdrückliche Regelung im Versicherungsvertrag ausgeschlossen werden. Dem ist aber nicht zu folgen. Vielmehr greift § 332 BGB als Auslegungsregel umgekehrt gerade nur dann ein, wenn die Auslegung des Vertrages (einschließlich der Vertragsbestandteil gewordenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen) nichts anderes ergibt. Eine davon abweichende Auffassung hat auch das Reichsgericht in RGZ 168, 177, 186 nicht vertreten. Das Reichsgericht hat § 332 BGB a.a.O. vielmehr nur deshalb als nicht durch § 17 Abs. 3 ALB 1910 ausgeschaltet angesehen, weil diese Bestimmung sich jeder Stellungnahme zu der Geltung von § 332 BGB enthalte. Diese Auffassung des Reichsgerichts trifft für § 17 Abs. 3 ALB 1910 zu; sie kann aber nicht auch für § 13 Abs. 3 ALB 1957 aufrecht erhalten werden. Vielmehr ist dort gerade der Fall des § 332 mitgeregelt, und zwar in einer Reihe mit dem lebzeitigen Widerruf der Verpfändung und der Abtretung. Ebenso wie die Verpfändung (vgl. § 1280 BGB), die Einräumung und der Widerruf eines Bezugsrechtes unter Lebenden sollen auch die Einräumung und der Widerruf durch Testament nur und erst nach der Anzeige des Verfügungsberechtigten an den Versicherer Wirksamkeit erlangen. Ob Entsprechendes auch für die Abtretung gilt, oder ob die vom VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 26. Oktober 1965 - VI ZR 119/64 = NJW 1966, 156 f) und ihm folgend vom Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 29. Juli 1967 - 3 AZR 55/66 = NJW 1967, 2425) zu § 15 Abs. 2 ALB 1932 vertretene abweichende Auffassung für § 13 Abs. 3 ALB 1957 infolge der Neufassung inzwischen überholt ist (vgl. BGHZ 56, 173, 176; 56, 228, 230; 40, 156, 160; aber auch Keltenich VersR 1965, 412 m.w.N.), bedarf hier keiner Entscheidung.
Unterschriften
Dr. Hoegen
Rottmüller
Dehner
Dr. Schmidt-Kessel
Rassow
Fundstellen
Haufe-Index 1456021 |
BGHZ, 95 |
NJW 1981, 2245 |