Entscheidungsstichwort (Thema)
Totschlag
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Gera vom 14. September 1998 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagten des Totschlags, der versuchten schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, die Angeklagten W. und G. weiterhin der gefährlichen Körperverletzung und des Diebstahls für schuldig befunden, den Angeklagten O. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren, den Angeklagten W. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Jahren und den Angeklagten G. zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren verurteilt. Dagegen wendet sich die – vom Generalbundesanwalt vertretene – Revision der Staatsanwaltschaft mit einer Verfahrensrüge und der Sachrüge.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg, eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es nicht.
Nach den Feststellungen begleiteten die Angeklagten G. und W. den ihnen flüchtig bekannten, schwer betrunkenen V. in das von ihm als Schlafstätte benutzte Abrisshaus, nahmen ihm seine Brieftasche weg und schlugen und traten ihn aus Ärger über eine von ihm angeblich begangene Vergewaltigung. Nachdem sie in der Wohnung des Angeklagten G. gemeinsam mit dem Mitangeklagten O. die Brieftasche des Tatopfers durchsucht und eine von ihnen fälschlich als Codekarte angesehene Kundenkarte einer Bank entdeckt hatten, kehrten sie zu dritt zu V. zurück, um diesen zur Preisgabe der Geheimnummer zu der vermeintlichen Codekarte zu zwingen. Zunächst versetzte der Angeklagte W. ihm einige Faustschläge, sodann mißhandelten die beiden anderen Angeklagten das Tatopfer weiter. Da das Tatopfer nur verschiedene Ziffern nannte, bei denen es sich ersichtlich nicht um die PIN-Nummer handeln konnte, drehte der Angeklagte O. aus Wut und Verärgerung den V. auf den Bauch, packte ihn an den Haaren und stieß seinen Kopf mehrfach mit Wucht auf den Holzfußboden, während ihm der Angeklagte G. mit Springerstiefeln auf den Rücken sprang.
1. Zu Recht weist die Revision daraufhin, daß das Urteil einen nicht auflösbaren Widerspruch bei der Darstellung des ersten Tatkomplexes – Wegnahme der Geldbörse und anderer Wertgegenstände des Opfers durch die Angeklagten W. und G. – aufweist. Während nach der Sachverhaltsdarstellung – Bl. 16 UA – die Angeklagten das Tatopfer erst nach der Wegnahme – weil ihnen das Gerücht über die von V. angeblich begangene Vergewaltigung erneut in den Sinn gekommen war – geschlagen und getreten haben, wird bei der rechtlichen Würdigung – Bl. 33, 34 UA – ausgeführt, daß die vor Wegnahme des Geldes und der anderen Gegenstände erteilten Faustschläge und Fußtritte nicht als Mittel zur Wegnahme eingesetzt wurden. Die Sache bedarf danach erneuter Überprüfung.
2. Die rechtliche Würdigung des Landgerichts zum zweiten Tatkomplex begegnet auch bei Zugrundelegung der – wie noch auszuführen ist – nicht rechtsfehlerfrei getroffenen Urteilsfeststellungen durchgreifenden Bedenken.
a) Das Landgericht ist davon ausgegangen, daß der Angeklagte W. nur zu Beginn, nicht jedoch an den sich im Verlauf des Geschehens steigernden schweren Mißhandlungen des Tatopfers durch die Angeklagten G. und O. beteiligt war und sie auch nicht gebilligt hat. Sie seien ihm als Exzeß der Mitangeklagten nicht zuzurechnen.
Bei diesen Ausführungen hat das Landgericht nicht bedacht, daß die Angeklagten von vornherein vorhatten, die Geheimnummer aus dem Tatopfer „herauszuprügeln”, der Angeklagte W. schon zuvor das Tatopfer geschlagen und ihm blutende Verletzungen zugefügt, der Angeklagte G. es fest in die Rippen getreten und nunmehr sogar Springerstiefel angezogen hatte. Massive Gewalthandlungen zur Durchsetzung des Epressungsziels lagen danach im gemeinsamen Tatplan der Angeklagten. In diesem Zusammenhang wäre zu würdigen gewesen, daß der Angeklagte W. erst im Verlauf des Geschehens, bei dem das Tatopfer schon mehrfach mit dem Kopf auf den Boden geschlagen worden war, die Mitangeklagten zum Aufhören aufforderte, weil das Tatopfer die Geheimnummer sowieso nicht sagen werde. Daß der Angeklagte nur zu Beginn selbst gewalttätig war, läßt seine Beteiligung an späteren Verletzungshandlungen, die nach seiner Vorstellung noch zur Durchführung des Tatplans dienten oder mit denen nach den Umständen zu rechnen war, nicht entfallen.
b) Da das Tatopfer unter den konkreten Umständen den drei Tätern für eine längere Zeitspanne hilflos ausgeliefert war, drängte sich die Prüfung des Geschehens auch nach § 239 a StGB – qualifiziert durch die wenigstens leichtfertig verursachte Todesfolge – auf. Daneben war der Tatbestand des § 251 StGB unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, daß auch hier eine Eskalation der Gewalttätigkeiten aus Wut und Enttäuschung bei einem Mißlingen der Erpressung von vornherein so nahelag, daß die dadurch eingetretenen tödlichen Verletzungen des Tatopfers als tatbestandstypische Folge im Sinne von § 251 StGB in Betracht kommen. Schließlich scheidet auch die Annahme einer Körperverletzung mit Todesfolge durch die mit den Mißhandlungen mindestens fahrlässig gesetzte Ursache für den späteren Tod des Tatopfers nicht deshalb aus, weil das Landgericht von einem Totschlag, begangen durch Unterlassen der den Angeklagten möglich gewesenen lebensrettenden Hilfeleistung, ausgegangen ist.
Der Todeserfolg, der zum Tatbestand der Körperverletzung mit Todesfolge (wie auch der übrigen in Betracht kommenden erfolgsqualifizierten Delikte - §§ 239 a Abs. 3, 251 StGB -) und dem des Totschlags durch Unterlassen gehört, würde die Taten zur Tateinheit verbinden. Da zu der Körperverletzung mit mindestens fahrlässig gesetzter Todesursache noch ein zusätzliches schuldhaftes Verhalten tritt, würde die Annahme von Gesetzeseinheit dem Schuldgehalt der Tat nicht gerecht (BGH, Urt. vom 11. Juli 1961 - 4 StR 233/61). Die Herbeiführung der Todesfolge als solche darf bei der Strafzumessung allerdings nicht mehrfach zu Lasten der Angeklagten verwertet werden (BGHSt 39, 100, 109).
3. Auch die zugrundeliegenden Feststellungen können keinen Bestand haben. Entgegen der Auffassung der Revisionsführerin läßt sich den Urteilsgründen zwar in ihrem Zusammenhang entnehmen, daß die Angeklagten bei den besonders schwerwiegenden Mißhandlungen nicht mehr das Ziel verfolgten, die Geheimnummer zu erlangen, sondern nur noch ihre Wut und Verärgerung abreagierten. Das Landgericht hätte sich aber mit der Tatsache auseinandersetzen müssen, daß bei dem emotional aufgeladenen Handlungsverlauf mit sich steigernden Gewalttätigkeiten, der eine äußere Zäsur nicht erkennen läßt, eine Vermischung der Motive nahelag. In diesem Zusammenhang wäre die Aufforderung des Angeklagten W. an die Mitangeklagten, aufzuhören, weil das Tatopfer die Geheimnummer sowieso nicht sagen werde, zu würdigen gewesen. Der Umstand, daß W. seine Äußerung während dieser zum Tode führenden Gewalthandlungen machte, kann ein Indiz für die noch fortbestehende Erpressungsabsicht (auch der Mitangeklagten) sein.
4. a) Der neue Tatrichter wird zu beachten haben, daß eine Strafmilderung nach § 13 Abs. 2 StGB einer wertenden Gesamtwürdigung aller wesentlichen Gesichtspunkte bedarf und insbesondere die Tatsache, daß die Hilfeleistung hier keine besonderen Anstrengungen erforderte, zu berücksichtigen sein wird.
b) Bei der Prüfung der Voraussetzungen einer alkoholbedingt verminderten Schuldfähigkeit (§ 21 StGB) dürfen Trinkmengenangaben nicht allein auf Grund des rechnerisch ermittelten höchstmöglichen Blutalkoholwerts zur Tatzeit als unglaubhaft zurückgewiesen werden, ohne daß eine Kontrollrechnung zur Ermittlung des Mindestwerts vorgenommen worden ist (BGHR StGB § 21 Blutalkoholgehalt 7, 8, 18, NStZ-RR 1997, 33, 34). Auf die im Zusammenhang mit der Revision des Angeklagten W. darzulegenden Bedenken gegen die Ausführungen des Landgerichts in diesem Zusammenhang wird hingewiesen.
Unterschriften
Jähnke, Theune, Detter, Otten, Rothfuß
Fundstellen
Haufe-Index 540431 |
NStZ 2000, 29 |
www.judicialis.de 1999 |