Leitsatz (amtlich)
Schließt der Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Hauptschuldners mit dem Verwalter einen außergerichtlichen Vergleich, der vorsieht, daß die durch Bürgschaft gesicherte Forderung nach Erfüllung bestimmter Voraussetzungen erlischt, kann er grundsätzlich nicht mehr den Bürgen in Höhe des erlittenen Ausfalls in Anspruch nehmen.
Normenkette
BGB §§ 765, 767 Abs. 1, §§ 768, 779
Verfahrensgang
OLG Nürnberg (Urteil vom 20.09.2000) |
LG Nürnberg-Fürth (Urteil vom 16.12.1999) |
Tenor
Auf die Rechtsmittel der Beklagten werden das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 20. September 2000 und das Urteil der 10. Zivilkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 16. Dezember 1999 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Beklagte war seit Februar 1995 mit einem Anteil von 16 % Gesellschafterin der M. GmbH und zugleich deren Geschäftsführerin. Die B. bank und die T. bank gewährten der Gesellschaft Kredite in Millionenhöhe. Mit Bürgschaftserklärung vom 9. Juli 1995 übernahm die Beklagte gegenüber der B. bank die Haftung bis zu einem Betrag von 1.600.000 DM für deren Forderungen gegen die Hauptschuldnerin auf den Konten Nr. 47843 und 1144509. Auf dem erstgenannten Konto stellte die Bank der Gesellschaft einen Betriebsmittelkredit von 6 Mio. DM zur Verfügung, der in voller Höhe in Anspruch genommen wurde.
Im August 1995 schlossen die genannten Banken mit der Hauptschuldnerin, deren fünf Gesellschaftern und drei weiteren in enger Verbindung zur Hauptschuldnerin stehenden Gesellschaften einen Sicherheiten-Poolvertrag, der unter Ziff. 2 a auch den Betriebsmittelkredit über 6 Mio. DM erfaßt und die Erteilung selbstschuldnerischer Höchstbetragsbürgschaften der Gesellschafter in Höhe von jeweils 1,6 Mio. DM vorsieht. Mit Wirkung vom 1. Januar 1996 trat die Klägerin anstelle der B. bank in den Sicherheiten-Poolvertrag ein und übernahm auch den Betriebsmittelkreditvertrag (nunmehr Konto-Nr. 900555). Zur Umschuldung dieses Kredits gewährte die Klägerin der Darlehensnehmerin zwei befristete Terminkredite in Höhe von jeweils 3 Mio. DM zu einem günstigeren als dem bisher vereinbarten Zinssatz. Diese Kredite wurden auf den Konten Nr. 6909303 und 904797 geführt. Mit ihnen wurde der Sollsaldo auf dem Konto Nr. 900555 ausgeglichen. Die Beklagte erteilte der Klägerin am 19. September 1996 eine Bürgschaft in der bisherigen Höhe. Diese sichert die Forderungen der Bank aus der Kreditausreichung gemäß dem Sicherheiten-Poolvertrag in der jeweils aktuellen Fassung.
Mitte des Jahres 1996 entstand bei der Hauptschuldnerin zusätzlicher Kreditbedarf. Im Kreditvertrag vom 10. September 1996 sagte die Klägerin der Beklagten unter bestimmten näher bezeichneten Voraussetzungen weitere Darlehen von insgesamt 9,9 Mio. DM zu. Zu einer Auszahlung dieser sowie weiterer mit der T. bank vereinbarter Kredite kam es aus zwischen den Parteien streitigen Gründen nicht mehr. Auf einen von der Hauptschuldnerin am 12. Dezember 1996 gestellten Antrag wurde über deren Vermögen das Gesamtvollstreckungsverfahren eröffnet.
Die Klägerin hat die Beklagte in Höhe eines Teilbetrages von 500.000 DM für Forderungen aus dem auf dem Konto Nr. 904797 geführten Kredit in Anspruch genommen. Die Beklagte hat eingewandt, die Forderung sei von den Bürgschaften nicht gedeckt, und ihre Erklärung vom 19. September 1996 wegen arglistiger Täuschung angefochten. Außerdem hat sie geltend gemacht, mit der Kreditsperre habe die Klägerin ihre der Hauptschuldnerin gegenüber obliegenden vertraglichen Pflichten schuldhaft verletzt und dadurch deren Insolvenz herbeigeführt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.
Während des Berufungsrechtszuges hat der Gesamtvollstreckungsverwalter, der zwischenzeitlich einen Schadensersatzanspruch gegen die T. bank in Höhe von 10 Mio. DM rechtshängig gemacht hatte, am 17. März 2000 mit einigen Gläubigern eine außergerichtliche Vereinbarung geschlossen. Gegenstand der Vereinbarung waren die Zusammensetzung der Verteilungsmasse, deren Verteilung und Ansprüche gegen die T. bank sowie gegen die Klägerin. In der Vereinbarung heißt es:
„IV. Erlösverteilung
…
2. …
… Die von der T. bank und der … (Klägerin) angemeldeten Forderungen werden im Hinblick auf die hiermit getroffene Regelung in voller Höhe anerkannt und berücksichtigt.
…
V. Abgeltungsklausel
Mit Auszahlung der zur Verteilung stehenden Masse sind sämtliche wechselseitig bestehenden Ansprüche, auch solche, die über den in Ziffer I. definierten Gegenstand hinausgehen, egal aus welchem Rechtsgrund abgegolten und erledigt. Dies gilt auch für etwaige Schadensersatzansprüche gegen die … sowie die … (Klägerin) wegen unberechtigter Kreditsperrung und Ansprüche aus Globalzession … gemäß gesondertem Vertrag, die sich wechselseitig unter den Beteiligten aus dem Sicherheitenpoolvertrag … ergeben könnten.
…”
Die Beklagte ist der Ansicht, damit seien alle eventuellen Ansprüche der Klägerin aus den Bürgschaften erloschen. Das Berufungsgericht hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß infolge der Bürgschaftserklärung vom 9. Juli 1995 eine wirksame Verpflichtung der Beklagten begründet wurde, für den der Hauptschuldnerin auf dem Konto Nr. 904797 in Höhe von 3 Mio. DM eingeräumten Terminkredit einzustehen.
1. Die Bürgschaft bezieht sich auf die Forderung der B. bank aus dem Konto Nr. 47843. Dort hat die Bank der Gesellschaft einen Betriebsmittelkredit von 6 Mio. DM zur Verfügung gestellt. In diesen Vertrag ist die Klägerin wirksam eingetreten. Damit gingen die Rechte aus der Bürgschaft auf sie über (§ 401 Abs. 1 BGB). Der Kredit wurde anschließend von der Klägerin fortgeführt.
2. Der Bürgschaftsvertrag vom 9. Juli 1995 ist nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen Sittenwidrigkeit nichtig, obwohl die Höhe der übernommenen Verbindlichkeit von 1,6 Mio. DM die Beklagte finanziell kraß überforderte; denn sie hatte als Gesellschafterin ein unmittelbares Interesse an der Gewährung des Darlehens (vgl. BGHZ 137, 329, 336 f.; BGH, Urteil vom 18. September 2001 – IX ZR 183/00, WM 2001, 2156, 2157; vom 15. Januar 2002 – XI ZR 98/01, WM 2002, 436). Besondere Umstände, die dazu führen können, daß Gesellschafterbürgschaften ausnahmsweise als sittenwidrig anzusehen sind (vgl. BGHZ 137, 329 ff.; BGH, Urteil vom 16. Januar 1997 – IX ZR 250/95, WM 1997, 511, 513; vom 18. September 2001, aaO S. 2157), hat die Beklagte nicht vorgetragen.
3. Die Klägerin hat mit der Gesellschaft eine Umschuldung durchgeführt. An die Stelle des ursprünglichen Kontokorrentkredits traten zwei Terminkreditverträge über jeweils 3 Mio. DM vom 14. Februar und 6. September 1996. Letzterer stellt die Hauptschuld dar, wegen der die Klägerin die Beklagte in Anspruch nimmt. Das Berufungsgericht ist der Ansicht, in der Umwandlung des Kreditverhältnisses liege lediglich eine Vertragsänderung; denn dadurch sei der Hauptschuldnerin ein wesentlich günstigerer Zinssatz – 5,95 % statt 9 % – eingeräumt worden. Die dagegen gerichteten Rügen der Revision greifen nicht durch.
a) Ein Kredit, den dasselbe Bankinstitut zur Ablösung eines bisherigen Kredits gewährt („bankinterne Umschuldung”), begründet zwischen den Vertragspartnern nicht notwendig ein neues Schuldverhältnis. Vielmehr ist durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien im Einzelfall gewollt haben. Wegen der einschneidenden Rechtsfolgen einer Novation ist im Zweifel von einer bloßen Vertragsänderung auszugehen (BGH, Urteil vom 30. September 1999 – IX ZR 287/98, WM 1999, 2251, 2252).
b) Das Berufungsgericht, das sich auf diese Senatsentscheidung bezieht, hat entgegen der Meinung der Revision die gebotene Auslegung nicht unterlassen. Seine Auffassung, der wesentliche Punkt der – auf ein Jahr begrenzten – Vereinbarung sei die Gewährung eines deutlich günstigeren Zinssatzes gewesen, was auf eine bloße Vertragsänderung hindeute, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Diese Wertung wird dadurch bestätigt, daß das von der Hauptschuldnerin angenommene Angebot der Klägerin folgenden Hinweis enthält:
„Für diesen Terminkredit gelten weiterhin alle Bedingungen und Vereinbarungen die gemäß dem abgeschlossenen Kontokorrentkreditvertrag vom 28.06.95/9.07.95 in Höhe von DM 6.000.000 vereinbart wurden. Dieser Kontokorrentkreditvertrag ist wesentlicher Bestandteil dieser Terminkreditzusage.”
Die Revision vermag demgemäß keine für die Begründung eines neuen Vertragsverhältnisses sprechenden, vom Berufungsgericht nicht berücksichtigten Umstände aufzuzeigen.
4. Es kann dahingestellt bleiben, ob in der Erteilung der Bürgschaft vom 19. September 1996 zugleich eine Aufhebung des Bürgschaftsvertrages vom 9. Juli 1995 zu sehen ist; denn die neue Erklärung der Beklagten deckt alle in dem Sicherheiten-Poolvertrag vom 30. August 1995 aufgeführten Bankforderungen und schließt damit auch eine Haftung für den hier geltend gemachten Anspruch ein.
II.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagte sei durch die im Gesamtvollstreckungsverfahren getroffene Vereinbarung vom 17. März 2000 nicht von ihrer Verpflichtung frei geworden. Die darin enthaltene Abgeltungsklausel, wonach mit Auszahlung der zur Verteilung stehenden Masse sämtliche wechselseitigen Ansprüche erledigt seien, wirke nicht zugunsten der Beklagten. Der im Bürgschaftsrecht geltende Akzessorietätsgrundsatz werde durch den in der Bürgschaftsverpflichtung zum Ausdruck gekommenen Sicherungszweck begrenzt. Beruhe der Untergang des Hauptschuldners auf seinem Vermögensverfall, habe im Interesse des Gläubigers der Sicherungszweck der Bürgschaft Vorrang.
Diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Beklagte braucht infolge des außergerichtlichen Vergleichs vom 17. März 2000 keine Zahlungen an die Klägerin zu leisten.
1. Das Berufungsgericht hat Ziffer V dieser Vereinbarung rechtsfehlerfrei im dem Sinne verstanden, daß nach Erfüllung der Leistungen, zu denen sich die Beteiligten verpflichtet haben, der Klägerin aus den Kreditverträgen gegen die Gemeinschuldnerin keine Forderungen mehr zustehen sollen. Daher kommt es entscheidend darauf an, ob die Bürgin ihrer Inanspruchnahme diese im Vergleich vereinbarte Rechtswirkung entgegenhalten kann.
2. §§ 767, 768 BGB verkörpern das im Bürgschaftsrecht geltende Akzessorietätsprinzip. Es bewirkt, daß der Gläubiger vom Bürgen grundsätzlich nur das verlangen kann, was er vom Hauptschuldner nach dem jeweiligen Bestand der Hauptschuld zu bekommen hat, schützt den Bürgen also vor der Verpflichtung, mehr leisten zu müssen als jener (BGHZ 139, 214, 217; 143, 381, 384 f). Daher erlöschen in aller Regel die Verpflichtungen aus dem Bürgschaftsvertrag, wenn und soweit Gläubiger und Hauptschuldner die Hauptverbindlichkeit durch Vergleich oder Aufhebungsvertrag beseitigen (BGHZ 6, 385, 393; Palandt/Sprau, BGB 61. Aufl. § 765 Rn. 29; Staudinger/Horn, BGB 13. Bearb. § 767 Rn. 12).
3. Der Akzessorietätsgrundsatz findet seine Grenzen im Sicherungszweck der Bürgschaft.
a) Die Vertragsfreiheit gestattet es, eine Bürgschaft auch zur Sicherung von Ansprüchen zu vereinbaren, die der Gläubiger gegen den Hauptschuldner aus Rechtsgründen nicht durchsetzen kann (BGHZ 143, 381, 385; vgl. BGHZ 121, 173, 177 f; BGH, Urt. v. 15. Februar 1996 – IX ZR 245/94, WM 1996, 588, 590). Solche Vereinbarungen kommen indes im Rechtsverkehr nur selten vor und sind dann regelmäßig dadurch gekennzeichnet, daß sie die Voraussetzungen hinreichend deutlich bezeichnen, unter denen der Gläubiger ausnahmsweise den Bürgen in Anspruch nehmen kann, obwohl dem Hauptschuldner ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht.
b) Entfällt die Hauptforderung, weil die Hauptschuldnerin als Rechtssubjekt wegen Vermögensverfalls untergegangen ist, kann sich der Bürge im allgemeinen darauf nicht berufen; denn die von ihm übernommene Haftung dient in der Regel dazu, den Gläubiger auch vor diesem Risiko zu schützen. Aus entsprechenden Gründen versagt § 768 Abs. 1 Satz 2 BGB dem Bürgen bei Tod des Hauptschuldners die Berufung auf die Haftungsbeschränkung des Erben und bestimmen die Vorschriften der §§ 193 Satz 2 KO, 82 Abs. 2 VglO, daß die Gläubigerrechte gegen den Bürgen trotz der durch Zwangsvergleich oder Vergleich bewirkten Beschränkungen der Hauptforderung unverändert bestehenbleiben. Das neue Insolvenzrecht kennt entsprechende Regelungen für den Insolvenzplan (§ 254 Abs. 2 Satz 1 InsO) und die Restschuldbefreiung (§ 301 Abs. 2 Satz 1 InsO); sie finden jedoch auf den Schuldenbereinigungsplan vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens keine Anwendung (LG Hamburg NZI 2002, 114; Landfermann in HK-InsO, 2. Aufl. § 305 Rn. 30; Obermüller WM 1998, 483, 490). Die Ausgestaltung der genannten Normen zeigt deutlich, daß der Bürgschaftsanspruch bei Wegfall der Hauptforderung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen erhalten bleibt, der Bürge also grundsätzlich das Erlöschen des gesicherten Anspruchs infolge einer vom Gläubiger mit dem Hauptschuldner getroffenen Vereinbarung mit Erfolg einwenden kann.
4. Die Wirkungen des außergerichtlichen Vergleichs, an dem die Klägerin und der Verwalter in der Gesamtvollstreckung über das Vermögen der Hauptschuldnerin beteiligt sind, lassen sich den beschriebenen Ausnahmefällen nicht zuordnen. Diese Vereinbarung hat nach dem Inhalt und Zweck des zwischen den Parteien bestehenden Bürgschaftsvertrages vielmehr zur Folge, daß die Beklagte die zunächst geschuldete Leistung nunmehr verweigern darf.
a) § 16 GesO sieht – in seiner Wirkung §§ 193 KO, 82 VglO vergleichbar – eine Beendigung des Gesamtvollstreckungsverfahrens durch gerichtlich bestätigten Vergleich vor. Die Bestimmung enthält keine Regelung, die vorsieht, daß die Rechte des Gläubigers gegen Bürgen und Mitschuldner unberührt bleiben. Ob gleichwohl §§ 193 Satz 2 KO, 82 Abs. 2 Satz 1 VglO entsprechend anzuwenden sind, wird im Schrifttum unterschiedlich beurteilt (bejahend Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze 17. Aufl. § 16 GesO Anm. 2 e; verneinend Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 4. Aufl. § 16 Rn. 40). Die Frage bedarf keiner Entscheidung; denn ein Vergleich nach § 16 GesO ist nicht zustande gekommen.
b) Der in §§ 193 Satz 2 KO, 82 Abs. 2 VglO, 254 Abs. 2 Satz 1, 301 Abs. 2 Satz 1 InsO enthaltene Rechtsgedanke läßt sich auf den von der Klägerin mit dem Gesamtvollstreckungsverwalter geschlossenen Vergleich nicht übertragen. Die gesetzlichen Regelungen beziehen sich auf Parteivereinbarungen nach Abschluß eines im einzelnen vorgeschriebenen förmlichen Verfahrens, die zudem der gerichtlichen Bestätigung bedürfen. Diese ist insbesondere dann zu versagen, wenn die Gläubiger ungleich berücksichtigt wurden (vgl. §§ 181, 188 Abs. 1 KO, 79 Nr. 3 und 4 VglO, 250 Nr. 2 InsO). Der gesetzlich angeordnete Fortbestand der Bürgenhaftung bezieht sich jeweils auf Rechtsakte, die die Gesamtheit der Gläubiger betreffen und mit hoheitlicher Autorität ausgestattet sind.
Alle diese Voraussetzungen erfüllt die Vereinbarung vom 17. März 2000 nicht einmal ansatzweise. Sie wurde vom Gesamtvollstreckungsverwalter lediglich mit einzelnen Gläubigern geschlossen und ist allein das Produkt einer außergerichtlichen Einigung. Wie der Senat bereits entschieden hat, entfaltet ein außergerichtlicher Sanierungsvergleich keinerlei Bindungswirkung für Gläubiger, die sich daran nicht beteiligt haben, weil es keine Gesetzesbestimmung gibt, die die Übertragung der Wirkungen des Vergleichs anordnet. Jene Gläubiger sind daher nicht gehindert, ihre eigenen Ansprüche gegen den Schuldner in vollem Umfang geltend zu machen (BGHZ 116, 319, 322 ff). Erst recht fehlt es an jeder Grundlage dafür, den an einem während des Insolvenzverfahrens geschlossenen außergerichtlichen Vergleich nicht beteiligten Bürgen so zu behandeln, wie er stände, wenn eine Regelung nach §§ 193 KO, 16 GesO zustande gekommen wäre.
c) Die Interessenlage der Parteien im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses entsprach auch nicht derjenigen, die eintritt, wenn die Hauptschuldnerin bereits erloschen ist. Hier hatte der Gesamtvollstreckungsverwalter sowohl der Klägerin als auch der T. bank gegenüber den Vorwurf erhoben, die Insolvenz der Hauptschuldnerin durch vertragswidrige Sperre von Krediten herbeigeführt zu haben. Er hatte deshalb bereits die T. bank mit einem Schadensersatzprozeß überzogen. Aus diesem Grunde wurde vereinbart, daß mit Erfüllung der im Vergleich übernommenen Pflichten nicht nur alle Gläubigerforderungen, sondern auch alle Schadensersatzansprüche der Masse erledigt sein sollen. Der Umstand, daß Gegenansprüche der Gemeinschuldnerin in wesentlichem Umfang erhoben wurden, die Forderungen beider Seiten bestritten waren und eine gerichtliche Klärung einen erheblichen Kosten- und Zeitaufwand verursacht hätte, bildete den wesentlichen Grund dafür, den außergerichtlichen Vergleich vom 17. März 2000 zu schließen. Schon deshalb besteht kein Anlaß, der Gläubigerin gegenüber der Bürgin weitergehende Rechte als im Regelfall eines außergerichtlichen Vergleichs mit dem Hauptschuldner einzuräumen.
d) Ob die an dem Vergleich Beteiligten keine Entlastung der Bürgin bewirken, sondern die Gläubigerrechte unberührt lassen wollten, wie das Berufungsgericht meint, ist rechtlich unerheblich. Gläubiger und Hauptschuldner können über den Schutz des Bürgen durch das Akzessorietätsprinzip grundsätzlich nicht ohne dessen Mitwirkung verfügen. Eine dem Bürgen nachteilige Abrede wäre deshalb als Vertrag zu Lasten Dritter unwirksam. Wie sich eine Vereinbarung, die den insolvenzrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger wahrt, auf deren Bürgschaftsansprüche auswirkt, ist hier nicht zu entscheiden. Im Streitfall hätte der Vergleich des Gläubigers mit dem Hauptschuldner jedenfalls nur dann auf seine Ansprüche gegen die Beklagte keinen Einfluß, wenn sich dies aus dem Sicherungszweck des Bürgschaftsvertrages herleiten ließe. Umstände, die geeignet sein könnten, einen solchen Ausnahmefall zu begründen, hat die Klägerin indes nicht vorgetragen.
5. Die Bürgschaft der Beklagten vom 9. Juli 1995 enthält die Klausel, daß der Bürge auf die Einreden nach § 768 BGB verzichtet, soweit sie nicht unbestritten oder nicht rechtskräftig festgestellt sind. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bestimmung auch den Einwand des Erlöschens der Forderung aufgrund des mit dem Hauptschuldner geschlossenen Vergleichs erfaßt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind vorformulierte Klauseln, die das in § 768 BGB verankerte Akzessorietätsprinzip aushebeln, mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar und schränken die Rechte des Bürgen unangemessen ein. Sie sind daher gemäß § 9 AGBG unwirksam (BGHZ 95, 350, 356; 147, 99, 104).
6. Ziffer V des Vergleichs sieht eine Abgeltung der gegenseitigen Ansprüche erst mit Erfüllung der im Vergleich übernommenen Verpflichtungen vor. Ob die Vertragsdurchführung inzwischen abgeschlossen ist, bedarf jedoch keiner Klärung. Die vereinbarte Regelung soll nach ihrem Sinn und Zweck alle anderen denkbaren Lösungen ausschließen. Daher darf der Bürge ebenso wie der Hauptschuldner den Gläubiger auf die Erfüllungsansprüche aus der getroffenen Vereinbarung verweisen. Eventuelle Ansprüche wegen Nichterfüllung des Vergleichs hat die Klägerin nicht behauptet.
III.
Der Senat kann daher in der Sache abschließend entscheiden. Die Klage ist infolge der von dem außergerichtlichen Vergleich auf den Bürgschaftsvertrag ausgehenden Rechtswirkungen unbegründet.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Raebel, Bergmann
Fundstellen
Haufe-Index 884939 |
BB 2002, 2465 |
DB 2003, 768 |
DStZ 2003, 52 |
NJW 2003, 59 |
BGHR 2003, 24 |
EWiR 2003, 111 |
JurBüro 2003, 162 |
KTS 2003, 273 |
Nachschlagewerk BGH |
StuB 2003, 96 |
WM 2002, 2278 |
ZAP 2002, 1405 |
ZIP 2002, 2125 |
InVo 2003, 142 |
JuS 2003, 295 |
MDR 2003, 165 |
NZI 2003, 52 |
ZInsO 2002, 1083 |
BKR 2002, 1044 |
ZBB 2002, 502 |
FB 2003, 336 |