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BGH Urteil vom 01.10.2014 - XII ZR 133/13

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Leitsatz (amtlich)

a) Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter für die Berechnung der Höhe des - auch für den Elternunterhalt einzusetzenden - Taschengeldanspruchs im Regelfall eine Quote von 5 % des bereinigten Familieneinkommens zugrunde legt.

b) Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn der Tatrichter beim Elternunterhalt als Taschengeldselbstbehalt im Regelfall einen Anteil i.H.v. ebenfalls 5 % vom Familienselbstbehalt ansetzt und dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich die Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengeldes belässt (im Anschluss an BGH BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 und BGH v. 5.2.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538).

Normenkette

BGB § 1603

Verfahrensgang

OLG Braunschweig (Urteil vom 16.07.2013; Aktenzeichen 2 UF 161/09)

AG Wolfsburg (Entscheidung vom 10.09.2009; Aktenzeichen 17 F 3114/09)

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des OLG Braunschweig vom 16.7.2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Rz. 1

Der Kläger macht als Träger der Sozialhilfe aus übergegangenem Recht Ansprüche auf Elternunterhalt für die Zeit von November 2007 bis Februar 2009 geltend.

Rz. 2

Die zwischenzeitlich verstorbene Mutter der Beklagten lebte in einer Alten- und Pflegeeinrichtung. Da sie die Kosten des Heimaufenthalts nur teilweise aufbringen konnte, gewährte ihr der Kläger Leistungen der Sozialhilfe, die zwischen 848 EUR und 1.090 EUR monatlich lagen. Mit Rechtswahrungsanzeige vom 7.11.2007 wurde die Beklagte von der Hilfegewährung unterrichtet.

Rz. 3

Die Beklagte ist nicht erwerbstätig. Sie bewohnt mit ihrem berufstätigen Ehemann und dem gemeinsamen volljährigen Sohn eine lastenfreie Eigentumswohnung. Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von insgesamt 1.267,36 EUR in Anspruch genommen.

Rz. 4

Das AG hat der Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs stattgegeben. Das auf die Berufung der Beklagten ergangene Urteil des OLG, mit dem dieses der Klage lediglich in Höhe eines Betrages von 894 EUR nebst Zinsen stattgegeben hatte, hat der Senat auf die Revision der Beklagten und die Anschlussrevision des Klägers mit Urteil vom 12.12.2012 (BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363) aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Nunmehr hat das OLG die Beklagte verurteilt, an den Kläger insgesamt 334 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der zugelassenen Revision, mit der er die Zahlung weiterer 496 EUR nebst Zinsen erreichen will.

Entscheidungsgründe

Rz. 5

Die Revision ist unbegründet.

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat sein in FamRZ 2014, 481 veröffentlichtes Urteil wie folgt begründet:

Rz. 7

Die Beklagte sei in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Erbringung von Unterhaltszahlungen für ihre Mutter leistungsfähig. Bei der Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der Beklagten sei auf ihren Taschengeldanspruch gegen ihren Ehemann abzustellen. Dieser errechne sich aus 5 % des bereinigten Gesamtfamilieneinkommens. Dieses wiederum belaufe sich jeweils monatlich für das Jahr 2007 auf 3.091,72 EUR, für das Jahr 2008 auf 3.339,62 EUR und für das Jahr 2009 auf 3.553,49 EUR. Der Taschengeldanspruch betrage demgemäß jeweils monatlich im Jahr 2007 154,59 EUR, im Jahr 2008 166,98 EUR und im Jahr 2009 177,67 EUR.

Rz. 8

Die Beklagte sei allerdings nicht verpflichtet, den gesamten Taschengeldanspruch für den Unterhaltsanspruch ihrer Mutter einzusetzen. Insoweit habe der BGH festgestellt, dass dem Unterhaltspflichtigen vom Taschengeld ein Betrag i.H.v. 5 bis 7 % des Mindestselbstbehaltes des Unterhaltspflichtigen und vom überschießenden Betrag die Hälfte zu verbleiben habe. Diese Entscheidung werde überwiegend dahin ausgelegt, dass dieser Prozentsatz nach dem Familienselbstbehalt zu berechnen sei, da stets vom Familieneinkommen ein Betrag in Höhe des Familienselbstbehalts frei bleiben müsse. Der in der Entscheidung des BGH genannte Selbstbehalt i.H.v. 1.400 EUR stelle ein offensichtliches Versehen dar. Es sei ein Familienselbstbehalt von seinerzeit 2.520 EUR (2.800 EUR abzgl. 10 % Synergieeffekt) zu berücksichtigen. Hiervon blieben 5 % frei, also 126 EUR. Verfügbar über diesen "Taschengeldselbstbehalt" seien im Jahr 2007 monatlich 28,59 EUR, im Jahr 2008 monatlich 40,98 EUR und im Jahr 2009 monatlich 51,67 EUR. Hiervon sei nach der Entscheidung des BGH nur ein Betrag von etwa der Hälfte für den Unterhalt einzusetzen, gerundet also für das Jahr 2007 monatlich 15 EUR, für das Jahr 2008 monatlich 21 EUR und für das Jahr 2009 monatlich 26 EUR. Dies führe zu einem Gesamtanspruch im Zeitraum von November 2007 bis Februar 2009i.H.v. 334 EUR.

II.

Rz. 9

Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.

Rz. 10

Die Revision erinnert weder etwas dagegen, dass das Berufungsgericht allein den Taschengeldanspruch der Beklagten für den Elternunterhalt herangezogen hat, noch etwas gegen die Ermittlung des jeweiligen Taschengelds der Höhe nach. Einziger Angriff der Revision ist die Bemessung des dem Unterhaltspflichtigen hinsichtlich seines Taschengelds zu belassenden Selbstbehalts, den die Revision mit 5 % des seinerzeit für den Unterhaltspflichtigen bestehenden und um Synergieeffekte bereinigten Selbstbehaltes von 1.260 EUR veranschlagt (1.400 EUR abzgl. 10 %), also mit 63 EUR errechnet hat.

Rz. 11

1. Der Senat hat in seinem Urteil vom 12.12.2012 (BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363), mit dem er die dem jetzt angegriffenen Urteil vorausgegangene Entscheidung des OLG aufgehoben hat, ausgeführt, dass in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige nicht über eigene bare Mittel verfügt, allein der Taschengeldanspruch für die Unterhaltsleistung zu verwenden ist. Das Taschengeld eines Ehegatten ist grundsätzlich unterhaltspflichtiges Einkommen und deshalb für Unterhaltszwecke einzusetzen, soweit der jeweils zu beachtende Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gewahrt bleibt. Das gilt auch bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt (BGH BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 Rz. 27 m.w.N.). Das Taschengeld richtet sich als Teil des Familienunterhalts hinsichtlich seiner Höhe nach dem bereinigten Gesamtnettoeinkommen beider Ehegatten (vgl. BGH BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 Rz. 26). Das dem Unterhaltspflichtigen zustehende Taschengeld braucht jedoch nicht vollständig für den Elternunterhalt eingesetzt zu werden (BGH BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 Rz. 49).

Rz. 12

Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die weiteren Ausführungen in dem vorgenannten Senatsurteil, wonach sich der geschützte Anteil des Taschengeldes auf einen Betrag von 5 bis 7 % des (seinerzeit geltenden) Selbstbehaltes von 1.400 EUR beläuft, auf einem offensichtlichen Versehen beruhen (vgl. Dose FamRZ 2013, 993, 1000). Wie der Senat im Nachgang zu dem Senatsurteil klarstellend entschieden hat, muss dem unterhaltspflichtigen Ehegatten ein Betrag i.H.v. 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts verbleiben; zudem ist ihm ein weiterer Teil in Höhe der Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengelds zu belassen (BGH vom 5.2.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 Rz. 20).

Rz. 13

2. Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des OLG gerecht.

Rz. 14

Das OLG hat die Höhe des Taschengelds ermittelt, indem es eine Quote von 5 % des der Familie zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens zugrunde gelegt hat. Ungeachtet der Tatsache, dass das Berufungsgericht im Einzelnen begründet hat, warum es bei der Berechnung des Taschengeldes eine Quote von genau 5 % zugrunde gelegt hat, bestehen auch sonst keine Bedenken dagegen, wenn der Tatrichter im Regelfall von einer Quote von 5 % ausgeht. Dies entspricht vor allem den Belangen der Praxis nach einer einheitlichen Berechnungsweise und damit auch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Die Feststellungen zum bereinigten Familieneinkommen sind von der Revision nicht angegriffen worden; sie enthalten auch sonst keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers.

Rz. 15

Dabei ist es konsequent, wenn das OLG denselben Prozentsatz, nämlich 5 %, bei der Bildung des Selbstbehaltes angesetzt hat. Auch insofern erscheint es aus Rechtsgründen unbedenklich, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem Prozentsatz von 5 % des Familienselbstbehalts ausgeht.

Rz. 16

Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Familienselbstbehalt durch die Addition der individuellen Selbstbehalte ermittelt und von der Summe im Hinblick auf den Synergieeffekt 10 % abgezogen hat (vgl. dazu auch BGH v. 5.2.2014 - XII ZB 25/13, FamRZ 2014, 538 Rz. 38).

Rz. 17

Schließlich hat das OLG - dem Rechenweg des Senats folgend - von dem oberhalb des Selbstbehalts liegenden Taschengeld die Hälfte für den geltend gemachten Unterhaltsanspruch herangezogen.

Fundstellen

  • Haufe-Index 7435266
  • NJW 2014, 3514
  • NJW 2014, 6
  • EBE/BGH 2014
  • FuR 2015, 4
  • FuR 2015, 231
  • JZ 2014, 722
  • MDR 2014, 1395
  • NZFam 2015, 28
  • FF 2015, 28
  • FF 2014, 510
  • NJW-Spezial 2015, 69

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