Leitsatz (amtlich)
§ 18 Abs. 2 VermG findet auf von einem staatlichen Verwalter bestellte Aufbaugrundpfandrechte auch dann Anwendung, wenn die staatliche Verwaltung ohne Rechtsgrundlage angeordnet wurde. Die Vorschrift wird nicht dadurch unanwendbar, daß der staatliche Verwalter die Bestellung der Grundpfandrechte auf Bestimmungen gestützt hat, die auch gegenüber Bewohnern der DDR angewandt wurden.
Normenkette
VermG § 18 Abs. 2
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 3. März 1998 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der beklagten Sparkasse Rückzahlung zur Ablösung zweier Aufbaugrundpfandrechte unter Vorbehalt geleisteter Zahlungen.
Die Klägerin ist oder war Eigentümerin des Grundstücks B. Straße 15 in F. Dieses war zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung mit einer im Jahr 1971 veranlaßten Aufbaugrundschuld in Höhe von nominal 20.000 Mark/DDR und mit einer Aufbauhypothek von nominal 37.017 Mark/DDR aus dem Jahre 1978 zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Kreissparkasse G., belastet. Den Eintragungen der Grundpfandrechte liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die frühere Grundstückseigentümerin M. T. war im Jahre 1970 gestorben. Mit Beschluß vom 17. Mai 1971 übernahm der Rat der Stadt F. (nachfolgend: Rat) unter Bezugnahme auf die Verordnung zur Lenkung des Wohnraums vom 14. September 1967 (GBl. der DDR 1967 II S. 733; nachfolgend: WLVO) die vorläufige Verwaltung des Grundstücks. Ferner beschloß er unter Bezugnahme auf die Verordnung über die Finanzierung von Baumaßnahmen zur Schaffung und Erhaltung von privatem Wohnraum vom 28. April 1960 (GBl. der DDR 1960 I S. 351; nachfolgend: FinanzierungsVO), einen Aufbaukredit für das Grundstück zu beantragen. Unter dem 21. September 1971 schloß der Rat als Verwalter des Grundstücks mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen langfristigen Kreditvertrag über 20.000 Mark ab und bewilligte die Eintragung einer Aufbaugrundschuld in gleicher Höhe zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs.
Durch Beschluß vom 28. März 1973 übertrug der Rat die vorläufige Verwaltung auf den VEB Kommunale Wohnungsverwaltung F. (nachfolgend: KWV). Dieser schloß am 14. März 1978 als Verwalter des Grundstücks mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Kreditvertrag über 37.017 Mark ab und bewilligte als Sicherheit die Eintragung einer Aufbauhypothek in gleicher Höhe, die am 14. April 1978 vollzogen wurde.
Als die Klägerin das Grundstück lastenfrei verkaufen wollte, war die Beklagte zur Herausgabe der Grundpfandrechte nur gegen Zahlung des von ihr als gesichert errechneten Betrages in Höhe von 44.849,61 DM bereit. Die Klägerin zahlte diesen Betrag unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Rückforderung. Mit Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 16. März 1995 machte sie gegenüber der Beklagten wegen der beiden Grundschulden ihre Rechte aus dem Vermögensgesetz geltend.
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung des gezahlten Betrages abzüglich 6.663 DM, die sie nach § 18 Abs. 2 VermG zu übernehmen bereit ist. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht (Urteilsveröffentlichung in ZOV 1998, 207 f.) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der unter Vorbehalt geleisteten Beträge im begehrten Umfang für gegeben erachtet. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe der geltend gemachte Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB zu, weil ein Rechtsgrund für ihre Zahlungen nicht bestanden habe. Die Grundpfandrechte, zu deren Ablösung die Klägerin geleistet habe, seien zum Zeitpunkt der Zahlungen in dem von der Klägerin geltend gemachten Rahmen bereits nach § 18 Abs. 2 Satz 1 und 6 VermG erloschen gewesen. Deren Bestellung sei durch einen staatlichen Verwalter erfolgt. Die angeordnete vorläufige Verwaltung habe öffentlich-rechtlichen Charakter gehabt und Teilungsunrecht dargestellt. Sie habe einer Rechtsgrundlage entbehrt und auf der Absicht beruht, der in der Bundesrepublik Deutschland wohnhaften Alleinerbin der verstorbenen Frau T. dauerhaft jede Einflußmöglichkeit auf das Grundstück zu verschließen.
II.
Diese Beurteilung hält rechtlicher Überprüfung stand.
Das Berufungsgericht hat zu Recht einen Rückzahlungsanspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1, 1. Alt. BGB) bejaht. Die Zahlungen der Klägerin erfolgten überwiegend ohne Rechtsgrund, weil die beiden Aufbaugrundpfandrechte in erheblichem Umfang bereits erloschen waren.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, daß es sich bei den beiden Aufbaugrundpfandrechten um solche im Sinne des § 18 Abs. 2 Satz 1 VermG handelt, die von einem staatlichen Verwalter bestellt worden sind.
a) Die Übernahme des belasteten Grundstücks in vorläufige Verwaltung durch den Beschluß des Rates vom 27. Mai 1971 stellt eine öffentlich-rechtliche Zwangsverwaltung dar. Der Beschluß nahm ausdrücklich Bezug auf § 16 Abs. 2 der WLVO und begründete die Maßnahme damit, daß die in der Bundesrepublik Deutschland lebende Erbin nicht im Grundbuch eingetragen und der von der Erblasserin bestellte Verwalter nicht notariell mit der Verwaltung beauftragt worden war. Staatlicher Verwalter war nach diesem Beschluß der Rat. Durch Beschluß vom 28. Mai 1973 wurde dann die vorläufige Verwaltung vom Rat der Stadt F. auf die KWV übertragen. Auch hierbei handelt es sich um eine staatliche und nicht privatrechtliche Verwaltung. Der KWV war ebenso wie der Rat eine staatliche Stelle im Sinne von § 1 Abs. 4, 2. Fallgruppe VermG, der eine staatliche Verwaltung übertragen werden konnte (vgl. BGHZ 128, 173, 176; Anweisung Nr. 40/59 des Ministeriums der Finanzen vom 10. Dezember 1959 über den Schutz und die vorläufige Verwaltung von Grundstücken und die Aufnahme von Wiederaufbaukrediten - abgedruckt bei Fieberg/Reichenberg, Enteignung und offene Vermögensfragen in der ehemaligen DDR, Ergänzungsband, Nr. 3.17 a).
b) Der Anwendung des Vermögensgesetzes steht nicht entgegen, daß die Anordnung der staatlichen Verwaltung ohne Rechtsgrundlage erfolgte. Der in Bezug genommene § 16 Abs. 2 WLVO und die FinanzierungsVO erlaubten zwar einzelne Maßnahmen zu Lasten eines Grundstückseigentümers, aber nicht den völligen Entzug der Verfügungsbefugnis. Gleichwohl unterfallen rechtsgrundlos angeordnete staatliche Verwaltungen dem Vermögensgesetz, weil sie typisches Teilungsunrecht darstellen (BGHZ 128, 173, 179).
c) Sowohl der Rat als auch der KWV haben die Grundpfandrechte in ihrer Eigenschaft als staatlicher Verwalter bewilligt. In der Schuldurkunde vom 21. September 1971 und im Kreditvertrag vom 14. März 1978 sind es der Rat bzw. der KWV, die ausdrücklich als Verwalter des Grundstücks die Eintragung der Aufbaugrundpfandrechte bewilligen und beantragen.
2. Entgegen der Ansicht der Revision handelt es sich nicht um Maßnahmen staatlicher Stellen, wie sie auch gegenüber in der DDR lebenden Menschen angeordnet werden konnten. Zwar konnten nach der WLVO und der FinanzierungsVO auch zu Lasten von Grundeigentümern mit Wohnsitz in der DDR Aufbaugrundpfandrechte eingetragen werden. Darauf kommt es aber nicht entscheidend an. Wenn, wie hier, der staatliche Verwalter die Grundpfandrechte bestellt hat, fallen diese selbst dann unter das Vermögensgesetz, wenn sie auf die WLVO oder die FinanzierungsVO gestützt wurden und ein entsprechender Beschluß des Rates der Stadt vorausgegangen war (vgl. VG Meiningen VIZ 1996, 589, 590). Das Vermögensgesetz knüpft allein an die Bestellung durch den staatlichen Verwalter an, weil die staatliche Verwaltung bereits ein Schädigungstatbestand war (vgl. BVerwG VIZ 1996, 338). Auf den Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Mai 1997 (7 B 70.97, ZOV 1997, 281) beruft die Revision sich demgegenüber zu Unrecht. In diesem Beschluß wurde die Anwendbarkeit der § 16 Abs. 5, § 18 Abs. 2 VermG auf Aufbauhypotheken verneint, die - anders als im vorliegenden Fall - nicht durch einen staatlichen Verwalter bestellt, sondern unmittelbar aufgrund eines Beschlusses des zuständigen Rates der Stadt oder des Kreises in das Grundbuch eingetragen worden waren.
3. Die Klägerin ist auch berechtigt, sich auf das Erlöschen bzw. die Reduzierung der Aufbaugrundpfandrechte zu berufen, weil sie dies mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 16. März 1995 fristgemäß der Beklagten mitgeteilt hat (§ 16 Abs. 6 Satz 5 VermG).
Unterschriften
Schimansky Dr. Schramm Dr. Siol Dr. Bungeroth Dr. Müller
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 01.12.1998 durch Weber, Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 538442 |
EWiR 1999, 279 |
VIZ 1999, 154 |
WM 1999, 16 |
WuB 1999, 1173 |
ZAP-Ost 1999, 457 |
NJ 1999, 476 |
ZBB 1999, 44 |
OVS 1999, 64 |