Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerinnen wird das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 2. März 2017 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Die Klägerinnen sind Verlage und Inhaberinnen der ausschließlichen Nutzungsrechte an den in der Anlage K 1 aufgelisteten Werken verschiedener Autoren. Die in der Schweiz ansässige Beklagte betreibt den Sharehosting-Dienst "uploaded", der über die Websites uploaded.net, uploaded.to und ul.to abgerufen werden kann. Dieser Dienst bietet jedermann kostenlos Speicherplatz für das Hochladen von Dateien beliebigen Inhalts. Für jede hochgeladene Datei erstellt die Beklagte automatisch einen elektronischen Verweis (Download-Link) auf den Dateispeicherplatz und teilt diesen dem Nutzer automatisch mit. Die Beklagte bietet für die bei ihr abgespeicherten Dateien weder ein Inhaltsverzeichnis noch eine entsprechende Suchfunktion. Allerdings können Nutzer die Download-Links in sogenannte Linksammlungen im Internet einstellen. Diese werden von Dritten angeboten und enthalten Informationen zum Inhalt der auf dem Dienst der Beklagten gespeicherten Dateien. Auf diese Weise können andere Nutzer auf die auf den Servern der Beklagten abgespeicherten Dateien zugreifen.
Rz. 2
Das Herunterladen von Dateien von der Plattform der Beklagten ist kostenlos möglich. Allerdings sind Menge und Geschwindigkeit für nicht registrierte Nutzer und solche mit einer kostenfreien Mitgliedschaft beschränkt. Zahlende Nutzer bekommen dagegen täglich ein Download-Kontingent von 30 GB, maximal sammelbar auf bis zu 500 GB ohne Beschränkungen der Downloadgeschwindigkeit. Sie können beliebig viele Downloads parallel tätigen und müssen zwischen einzelnen Downloads keine Wartezeit in Kauf nehmen. Der Preis für einen solchen Premium-Account liegt zwischen 4,99 € für zwei Tage und 99,99 € für zwei Jahre. Die Beklagte zahlt den Nutzern, die Dateien hochladen, Downloadvergütungen. Für 1.000 Downloads zahlt die Beklagte ihren Nutzern bis zu 40 €.
Rz. 3
Der Dienst der Beklagten wird sowohl für legale Anwendungen genutzt als auch für solche, die Urheberrechte Dritter verletzen. Die Beklagte erhielt bereits in der Vergangenheit im großen Umfang Mitteilungen über die Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte von im Auftrag der Rechtsinhaber handelnden Dienstleistungsunternehmen ("Abuse-Mitteilungen"). Ihr sind über 9.500 Werke gemeldet worden, zu denen urheberrechtsverletzende Links auf ca. 800 ihr bekannten Webseiten (Linksammlungen, Blogs, Foren) eingestellt worden waren, deren Zahl ständig wächst. Nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist es den Nutzern untersagt, Urheberrechtsverstöße über die Plattform der Beklagten zu begehen.
Rz. 4
Auf der Grundlage von Recherchen im Zeitraum vom 11. Dezember 2013 bis zum 19. Dezember 2013 zeigten die Klägerinnen der Beklagten mit zwei Schreiben vom 10. Januar 2014 über ihren Dienst begangene Urheberrechtsverletzungen bezüglich der in der Anlage K 1 genannten Werke mit Ausnahme des Titels "Lieber einmal mehr als mehrmals weniger" an.
Rz. 5
Die Klägerinnen sehen ihre Nutzungsrechte an den in der Anlage K 1 genannten Werken als verletzt an. Sie haben die Beklagte mit ihrer am 26. Juli 2014 zugestellten Klage in erster Linie als Täterin, hilfsweise als Teilnehmerin und weiter hilfsweise als Störerin einer Urheberrechtsverletzung auf Unterlassung sowie auf Auskunftserteilung in Anspruch genommen und die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht beantragt. Dabei haben sie geltend gemacht, hinsichtlich des Werks "Lieber einmal mehr als mehrmals weniger" habe die Beklagte durch die Klageerhebung Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhalten.
Rz. 6
Das Landgericht hat die Beklagte wegen Teilnahme an der Urheberrechtsverletzung zur Unterlassung verurteilt und den Annexanträgen stattgegeben; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen (LG München I, ZUM 2016, 677). Auf die beiderseitigen Berufungen hat das Berufungsgericht das Urteil des Landgerichts abgeändert, die Beklagte auf den zweiten Hilfsantrag als Störerin zur Unterlassung verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (OLG München, ZUM-RD 2017, 331). Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgen die Klägerinnen ihre Klageanträge weiter.
Rz. 7
Der Senat hat mit Beschluss vom 20. September 2018 das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zu einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren I ZR 53/17 ausgesetzt. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat in diesem Verfahren durch Urteil vom 22. Juni 2021 (C-682/18 und C-683/18, GRUR 2021, 1054 = WRP 2021, 1019 - YouTube und Cyando) entschieden.
Entscheidungsgründe
Rz. 8
A. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Klägerinnen könnten die Beklagte weder als Täterin noch als Teilnehmerin wegen der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch nehmen. Der Beitrag der Beklagten beschränke sich darauf, die technischen Mittel für die öffentliche Zugänglichmachung bereit zu stellen. Auch eine mittelbare Täterschaft oder eine Täterschaft durch Unterlassen sei zu verneinen. Mangels Kenntnis der konkreten Rechtsverletzungen sei die Beklagte auch nicht Gehilfin der Urheberrechtsverletzungen ihrer Nutzer. Die Beklagte hafte aber als Störerin auf Unterlassung. Da die Beklagte nur Störerin, nicht aber Täterin oder Teilnehmerin der Urheberrechtsverletzungen sei, hafte sie nicht auf Schadensersatz.
Rz. 9
B. Die Revision der Klägerinnen hat Erfolg. Die Klage ist zulässig (dazu nachfolgend B I). Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wegen täterschaftlichen öffentlichen Zugänglichmachens nicht abgelehnt werden (dazu nachfolgend B II), so dass auch die Abweisung der auf Schadensersatz und Auskunftserteilung gerichteten Anträge keinen Bestand hat.
Rz. 10
I. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte, die auch unter Geltung des § 545 Abs. 2 ZPO in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 21. Januar 2021 - I ZR 20/17, GRUR 2021, 730 [juris Rn. 16] = WRP 2021, 471 - Davidoff Hot Water IV, mwN), ist im Streitfall gegeben. Sie richtet sich wegen des Vorwurfs der Urheberrechtsverletzung in Bezug auf die in der Schweiz ansässige Beklagte nach dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, geschlossen in Lugano am 30. Oktober 2007 (ABl. L 339, S. 3), das für die Europäische Union am 1. Januar 2010 in Kraft getreten ist (BGBl. I 2009 S. 2862; zuletzt geändert durch ÄndÜbk. vom 3. März 2017 [ABl. L 57, S. 63; nachfolgend LugÜ II]).
Rz. 11
Nach Art. 5 Nr. 3 LugÜ II kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat vor dem Gericht des Ortes verklagt werden, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist oder einzutreten droht, wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichsteht, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden. Diese Regelung entspricht inhaltlich Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO bzw. Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO (vgl. Zöllner in Cepl/Voß, ZPO, 2. Aufl., Vor § 12 Rn. 26). Der Erfolgsort einer unerlaubten Handlung ist bei einer behaupteten Verletzung des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte durch ein öffentliches Zugänglichmachen oder eine öffentliche Wiedergabe des Schutzgegenstands über eine Internetseite im Inland belegen, wenn die geltend gemachten Rechte im Inland geschützt sind und die Internetseite (auch) im Inland öffentlich zugänglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 2016 - I ZR 43/14, GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 17 f.] = WRP 2016, 1114 - An Evening with Marlene Dietrich). Die von der Beklagten betriebenen Internetseiten sind im Inland abrufbar.
Rz. 12
II. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die mit der Klage geltend gemachten Unterlassungsansprüche gemäß § 97 Abs. 1 UrhG wegen täterschaftlichen öffentlichen Zugänglichmachens nicht abgelehnt werden.
Rz. 13
1. Die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche sind nach deutschem Recht zu beurteilen. Nach Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom-II-VO) ist auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von Rechten des geistigen Eigentums das Recht des Staates anzuwenden, für den der Schutz beansprucht wird. Nach diesem Recht sind insbesondere das Bestehen des Rechts, die Rechtsinhaberschaft des Verletzten, Inhalt und Umfang des Schutzes sowie der Tatbestand und die Rechtsfolgen einer Rechtsverletzung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 24. September 2014 - I ZR 35/11, GRUR 2015, 264 [juris Rn. 24] = WRP 2015, 347 - Hi Hotel II; BGH, GRUR 2016, 1048 [juris Rn. 24] - An Evening with Marlene Dietrich, jeweils mwN). Da Gegenstand der Klage allein Ansprüche wegen einer Verletzung urheberrechtlich geschützter Rechte an Schriftwerken nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sind, für die die Klägerinnen im Inland urheberrechtlichen Schutz beanspruchen, ist im Streitfall deutsches Urheberrecht anzuwenden.
Rz. 14
2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, nach der die Klägerinnen Inhaberinnen der ausschließlichen Nutzungsrechte an den in Anlage K 1 genannten urheberrechtlich geschützten Werken sind und ihnen das Recht der öffentlichen Zugänglichmachung dieser Werke (§ 15 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2, § 19a UrhG) zusteht, nimmt die Revision als für sie günstig hin. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.
Rz. 15
3. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die Voraussetzungen einer täterschaftlich begangenen öffentlichen Wiedergabe im Sinne von § 15 Abs. 2 und 3 UrhG in Gestalt des öffentlichen Zugänglichmachens nicht abgelehnt werden.
Rz. 16
a) Bei dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich um ein besonderes Recht der öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 UrhG). Da es sich bei den hier in Rede stehenden Rechten des Urhebers zur öffentlichen Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft harmonisiertes Recht handelt, sind die entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtlinienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungsbereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vorschrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten dürfen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2018 - I ZR 53/17, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 15] = WRP 2018, 1480 - uploaded I, mwN).
Rz. 17
Die im Streitfall in Rede stehende öffentliche Wiedergabe in Form der öffentlichen Zugänglichmachung fällt in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG, weil bei dem Abruf einer im Internet bereitgestellten Datei die Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung gegenüber Mitgliedern der Öffentlichkeit erfolgt, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend sind (vgl. Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2001/29/EG; BGH, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 16] - uploaded I, mwN).
Rz. 18
Da es sich bei der öffentlichen Zugänglichmachung um einen besonderen Fall der öffentlichen Wiedergabe handelt, kann eine öffentliche Zugänglichmachung nur vorliegen, wenn das beanstandete Verhalten die Tatbestandsmerkmale einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt. Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe" im Sinne des Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wiedergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden. Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers und die Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben (vgl. BGH, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 17] - uploaded I, mwN).
Rz. 19
b) Der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe ist nur bei einer unbestimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt, die gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben. Diese Voraussetzung liegt vor, wenn - wie im Streitfall - urheberrechtlich geschützte Inhalte auf einer Internetplattform zum Abruf durch deren Nutzer bereitgestellt werden (vgl. BGH, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 27 f.] - uploaded I, mwN).
Rz. 20
c) Für eine Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3 Abs. 1 und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütztes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich vom bisher verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiedergegeben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. BGH, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 29] - uploaded I, mwN).
Rz. 21
Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Das Einstellen urheberrechtlich geschützter Inhalte ohne Zustimmung des Rechtsinhabers auf einer Webseite erfolgt selbst dann für ein neues Publikum, wenn diese Inhalte zuvor mit Zustimmung des Rechtsinhabers und ohne beschränkende Maßnahmen, die ein Herunterladen verhindern, auf einer anderen Webseite eingestellt worden sind. Soweit der angegriffenen Wiedergabe keine öffentliche Wiedergabe im Internet vorausgegangen ist, handelt es sich darüber hinaus um ein anderes technisches Verfahren (vgl. BGH, GRUR 2018, 1239 [juris Rn. 30] - uploaded I, mwN).
Rz. 22
d) Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die Voraussetzungen einer Handlung der Wiedergabe nicht verneint werden.
Rz. 23
aa) Zur Handlung der Wiedergabe hat der Gerichtshof der Europäischen Union auf Vorlage des Senats entschieden, dass zwar der Betreiber einer Sharehosting-Plattform hinsichtlich der von seinen Nutzern bewirkten Zugänglichmachung potenziell rechtsverletzender Inhalte eine zentrale Rolle spielt, dass jedoch sowohl im Hinblick auf die Bedeutung der Rolle, die ein solches Tätigwerden des Betreibers einer Plattform bei der Wiedergabe durch den Nutzer dieser Plattform spielt, als auch im Hinblick auf dessen Vorsätzlichkeit zu beurteilen ist, ob das betreffende Tätigwerden unter Berücksichtigung des spezifischen Kontexts als Handlung der Wiedergabe einzustufen ist. Insbesondere kann ein Tätigwerden in voller Kenntnis der Folgen des betreffenden Verhaltens und mit dem Ziel, der Öffentlichkeit Zugang zu geschützten Werken zu verschaffen, zur Einstufung dieses Tätigwerdens als "Handlung der Wiedergabe" führen. Um festzustellen, ob der Betreiber einer Sharehosting-Plattform in voller Kenntnis seines Verhaltens bei der unerlaubten Wiedergabe geschützter Inhalte durch Nutzer seiner Plattform tätig wird, um anderen Internetnutzern Zugang zu solchen Inhalten zu verschaffen, sind alle Gesichtspunkte zu berücksichtigen, die die betreffende Situation kennzeichnen und es ermöglichen, direkt oder indirekt Schlussfolgerungen hinsichtlich der Frage zu ziehen, ob der Betreiber bei der unerlaubten Wiedergabe dieser Inhalte vorsätzlich tätig wird oder nicht (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 77 bis 81 und 83] - YouTube und Cyando).
Rz. 24
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zählen zu den insoweit maßgeblichen Gesichtspunkten die Tatsache, dass ein solcher Betreiber, obwohl er weiß oder wissen müsste, dass über seine Plattform im Allgemeinen durch Nutzer derselben geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, nicht die geeigneten technischen Maßnahmen ergreift, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, sowie die Tatsache, dass dieser Betreiber an der Auswahl geschützter Inhalte, die rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht werden, beteiligt ist, auf seiner Plattform Hilfsmittel anbietet, die speziell zum unerlaubten Teilen solcher Inhalte bestimmt sind, oder ein solches Teilen wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 84] - YouTube und Cyando).
Rz. 25
Der bloße Umstand, dass der Betreiber allgemein Kenntnis von der rechtsverletzenden Verfügbarkeit geschützter Inhalte auf seiner Plattform hat, genügt hingegen nicht, um anzunehmen, dass er mit dem Ziel handelt, den Internetnutzern Zugang zu diesen Inhalten zu verschaffen. Anders verhält es sich jedoch, wenn der Betreiber, obwohl er vom Rechtsinhaber darauf hingewiesen wurde, dass ein geschützter Inhalt über seine Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich gemacht wurde, nicht unverzüglich die erforderlichen Maßnahmen ergreift, um den Zugang zu diesem Inhalt zu verhindern (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 85] - YouTube und Cyando).
Rz. 26
Ob das fragliche Tätigwerden Erwerbszwecken dient, ist zwar nicht gänzlich unerheblich, doch allein die Tatsache, dass der Betreiber einer Sharehosting-Plattform Erwerbszwecke verfolgt, erlaubt weder die Feststellung, dass er hinsichtlich der rechtswidrigen Wiedergabe geschützter Inhalte durch einige seiner Nutzer vorsätzlich handelt, noch eine dahingehende Vermutung (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 86] - YouTube und Cyando).
Rz. 27
Es ist Sache der Gerichte der Mitgliedstaaten, anhand dieser Kriterien zu bestimmen, ob diese Betreiber hinsichtlich der geschützten Inhalte, die von den Nutzern ihrer Plattform auf diese hochgeladen werden, selbst Handlungen der öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG vornehmen (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 90] - YouTube und Cyando).
Rz. 28
bb) Danach rechtfertigen die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht die Annahme, es fehle an Handlungen der Wiedergabe der Beklagten.
Rz. 29
(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass der Dienst der Beklagten Speicherplatz für Dateien beliebigen Inhalts bereitstellt, die Nutzer dort hochladen können. Nach Abschluss des Hochladevorgangs teilt die Beklagte dem hochladenden Nutzer automatisch einen Download-Link mit, über den direkt auf die Datei zugegriffen werden kann. Die Beklagte bietet kein Inhaltsverzeichnis und keine Suchfunktion an. Die Download-Links werden allerdings von Dritten in Linksammlungen im Internet eingestellt, die Informationen zum Inhalt der Dateien enthalten und die Suche nach bestimmten Inhalten ermöglichen. Nach den weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts wird der Dienst der Beklagten sowohl für legale als auch, wie die Beklagte weiß, in erheblichem Umfang für urheberrechtsverletzende Anwendungen genutzt. Feststellungen dazu, in welchem Verhältnis rechtmäßige und urheberrechtsverletzende Nutzung des Dienstes der Beklagten stehen, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Der Beklagten ist aber eine ständig wachsende Zahl von mehr als 9.500 Werken gemeldet worden, zu denen urheberrechtsverletzende Links auf ca. 800 der Beklagten bekannten Webseiten (Linksammlungen, Blogs, Foren) eingestellt worden waren.
Rz. 30
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, dass die Beklagte durch die Gestaltung ihres Vergütungssystems, die Ausgabe unbeschränkter Download-Links und die Möglichkeit der anonymen Nutzung ihres Dienstes die Gefahr der rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes erheblich fördert. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts neigen am Herunterladen von Dateien interessierte Nutzer eher zur Buchung eines kostenpflichtigen Premium-Accounts, wenn sie über den Dienst der Beklagten ohne weitere Kosten attraktive, urheberrechtlich geschützte Werke herunterladen können. Indem die Beklagte eine Direktvergütung an die hochladenden Nutzer für häufige Downloads der von ihnen hochgeladenen Dateien zahlt und sie an den Einnahmen für neugewonnene Account-Inhaber beteiligt, motiviert sie die hochladenden Nutzer, solche Dateien zur Verfügung zu stellen, die voraussichtlich oft heruntergeladen werden. Die Vergütung für das Hochladen von Dateien ist umso höher, je attraktiver die hochgeladenen Dateien für die am Herunterladen interessierten Nutzer sind. So besteht, wie das Berufungsgericht weiter festgestellt hat, ein Anreiz, urheberrechtlich geschützte Inhalte hochzuladen, die anderweitig für Nutzer nur kostenpflichtig zu erlangen sind. Durch die Ausgabe unbeschränkter Download-Links ist es den hochladenden Nutzern unproblematisch möglich, die Dateien über Linksammlungen für am Herunterladen interessierte Nutzer auffindbar zu machen. Die Anonymität der Nutzung des Sharehosting-Dienstes erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Nutzer für Urheberrechtsverletzungen nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Rz. 31
(2) Es bestehen danach gewichtige Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Beklagte selbst eine öffentliche Wiedergabe vornimmt, wenn sie auf ihrer Plattform von Nutzern eingestellte rechtsverletzende Inhalte zugänglich macht.
Rz. 32
(a) Unterlässt ein Plattformbetreiber, der weiß oder jedenfalls wissen müsste, dass Nutzer über seine Plattform im Allgemeinen geschützte Inhalte rechtswidrig öffentlich zugänglich machen, die technischen Maßnahmen, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf dieser Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen, liegt darin ein für die Annahme, der Plattformbetreiber handele in voller Kenntnis seines Verhaltens, maßgeblicher Gesichtspunkt (vgl. EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 84] - YouTube und Cyando). Nach der vom Gerichtshof der Europäischen Union in den Randnummern 84 und 85 dieser Entscheidung vorgenommenen Differenzierung zwischen dem allgemeinem Wissen und Wissenmüssen des Plattformbetreibers von rechtsverletzenden Handlungen der Nutzer einerseits und konkreter Kenntnis des Plattformbetreibers aufgrund Hinweises des Rechtsinhabers andererseits handelt es sich bei den hier angesprochenen Maßnahmen um proaktive technische Vorkehrungen, also solche, die rechtsverletzende Inhalte unabhängig von einem Hinweis des Rechtsinhabers unterbinden können. Lediglich reaktive Maßnahmen, die Rechtsinhabern das Auffinden von bereits hochgeladenen rechtsverletzenden Inhalten oder die Erteilung von darauf bezogenen Hinweisen an den Plattformbetreiber erleichtern - wie etwa die Bereitstellung eines Meldesystems - genügen für die Einstufung als Maßnahme zur glaubwürdigen und wirksamen Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen nicht.
Rz. 33
Auf der Grundlage des vom Landgericht als wahr unterstellten Vortrags der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte, die schon aufgrund der hohen Anzahl von "Abuse-Mitteilungen" über die allgemeine Kenntnis von Urheberrechtsverletzungen auf ihrer Plattform verfügt, hinreichende technische Maßnahmen ergriffen hat. Danach setzt die Beklagte einen Stichwortfilter beim Download und einen Hashfilter ein und führt einige manuelle Kontrollen und Recherchen in Linkressourcen durch. Der Einsatz eines von Sharehosting-Anbietern eingesetzten Filters, der - wie ein Hash-Filter - nur identische Dateien erkennen kann, ist schon bisher als unzureichende Schutzmaßnahme angesehen worden (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 [juris Rn. 53] = WRP 2013, 1348 - File-Hosting-Dienst). Die weiteren von der Revision der Beklagten geltend gemachten Maßnahmen - Bereitstellung eines "Abuse-Formulars" und eines "Advanced-Take-Down-Tools" - sind lediglich reaktiv und daher nicht hinreichend.
Rz. 34
(b) Zu den Gesichtspunkten, die für die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe sprechen, zählt ferner, dass ein Plattformbetreiber, der allgemeine Kenntnis von der Verfügbarkeit von Nutzern hochgeladener rechtsverletzender Inhalte hat oder haben müsste, ein solches Verhalten seiner Nutzer wissentlich fördert, wofür der Umstand sprechen kann, dass der Betreiber ein Geschäftsmodell gewählt hat, das die Nutzer seiner Plattform dazu anregt, geschützte Inhalte auf dieser Plattform rechtswidrig öffentlich zugänglich zu machen (EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 84] - YouTube und Cyando).
Rz. 35
Im Streitfall bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass das von der Beklagten gewählte Geschäftsmodell auf der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte beruht und seine Nutzer dazu verleiten soll, solche Inhalte über diese Plattform zu teilen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wird die Plattform mit dem Wissen der Beklagten in erheblichem Umfang für urheberrechtsverletzende Anwendungen genutzt und fördert das von der Beklagten eingerichtete Preis- und Vergütungssystem erheblich die Gefahr der rechtsverletzenden Nutzung ihres Dienstes. Darüber hinaus ist im Revisionsverfahren mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellen, dass - wie die Revision der Klägerinnen geltend macht - 90 bis 96% des auf der Plattform der Beklagten verfügbaren Gesamtumfangs abrufbarer Dateien auf rechtsverletzende Inhalte entfallen. Dieser Umstand spricht gegebenenfalls zugleich dafür, dass die Beklagte vorsätzlich tätig wurde (vgl. EuGH, GRUR 2021, 1054 [juris Rn. 100] - YouTube und Cyando).
Rz. 36
C. Danach ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Rz. 37
Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat mangels Entscheidungsreife verwehrt. Insbesondere kann keine antragsgemäße Verurteilung auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ergehen, dass die Beklagte nach klaren Hinweisen der Klägerinnen die rechtsverletzend verfügbaren Inhalte nicht gelöscht oder den Zugang zu ihnen nicht gesperrt hat, auch wenn dies die Annahme einer öffentlichen Wiedergabe rechtfertigen könnte (dazu BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 135/18, Urteilsumdruck Rn. 42 - uploaded III, zur Veröffentlichung bestimmt). Die Klägerinnen haben in der Berufungsinstanz ausdrücklich klargestellt, dass die Ansprüche wegen täterschaftlicher öffentlicher Wiedergabe nicht auf eine Nichtlöschung der Dateien nach Hinweis auf die Verletzung gestützt werden.
Rz. 38
Das Berufungsgericht wird in der wiedereröffneten Berufungsinstanz Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Beklagte die technischen Maßnahmen getroffen hat, die von einem die übliche Sorgfalt beachtenden Wirtschaftsteilnehmer in seiner Situation erwartet werden können, um Urheberrechtsverletzungen auf seiner Plattform glaubwürdig und wirksam zu bekämpfen. Feststellungen sind gegebenenfalls weiter dazu zu treffen, in welchem Verhältnis urheberrechtsverletzende Inhalte und rechtmäßige Inhalte auf der Plattform der Beklagten verfügbar sind. Für das Vorliegen eines auf die Förderung von Rechtsverletzungen angelegten Geschäftsmodells spricht es, wenn in erheblichem Umfang Rechtsverletzungen auftreten.
Rz. 39
Sofern im Zeitpunkt der jeweiligen Handlung die Voraussetzungen einer täterschaftlichen Handlung vorliegen, setzt die Annahme einer Wiederholungsgefahr voraus, dass auch im Entscheidungszeitpunkt die beanstandete Handlung noch rechtswidrig ist (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 16. Dezember 2021 - I ZR 201/20, GRUR 2022, 229 [juris Rn. 26] = WRP 2022, 318 - ÖKO-TEST III, mwN). Das Berufungsgericht wird daher weiter zu prüfen haben, ob die Beklagte den Regelungen des seit dem 1. August 2021 geltenden Gesetzes über die urheberrechtliche Verantwortlichkeit von Diensteanbietern für das Teilen von Online-Inhalten (BGBl. I 2021 S. 1215) unterliegt und sich aus § 97 Abs. 1 UrhG in Verbindung mit diesem Gesetz ihre Haftung ergibt.
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