Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 12. September 2003 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dadurch dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Tatbestand
Das Landgericht hat den Angeklagten Ha wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Die Staatsanwaltschaft rügt die Verletzung sachlichen Rechts und meint, daß das Landgericht zu Unrecht nicht auf Totschlag erkannt habe. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
I.
Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte Ha und die Mitangeklagten N und S. …, die beide in dieser Sache rechtskräftig verurteilt sind (N wegen gefährlicher Körperverletzung, S wegen hierzu geleisteter Beihilfe, jeweils in Tateinheit mit Beteiligung an einer Schlägerei), gehören zur Gruppierung der „Hell`s Angels”; N ist „Präsident” der Berliner Gruppe dieser Vereinigung. Am 28. November 2002 suchten die drei Männer etwa zwischen zwei und drei Uhr den „Sauna-Club Palace” auf, wo sie auch die restliche Nacht verbringen wollten. Gegen 6.00 Uhr morgens trafen weitere Gäste ein, darunter das spätere Tatopfer B. Die drei Angeklagten und B. mit seinen Begleitern saßen an verschiedenen Tischen; jede Gruppe blieb für sich. Gegen 9.30 Uhr wollte die Zeugin Be die Zeche kassieren und das Lokal schließen. B, der im Verlauf der Nacht eine erhebliche Menge Alkohol und auch Kokain konsumiert hatte, erklärte wütend, er wolle noch etwas trinken, da er gerade erst gekommen sei. Gleichwohl präsentierte die Zeugin ihm die Rechnung, die auch die Getränke von B.s Begleitern umfaßte, was diesen zusätzlich aufregte. Er schubste die Zeugin von sich weg, so daß sie über einen Hocker stürzte und auf einen Blumenkübel fiel. Um die Situation zu entschärfen, wollte der Zeuge Z. … die Rechnung übernehmen und zückte einen 50 Euro-Schein. Dies brachte B noch mehr auf und er wies den Zeugen an, das Geld wegzustecken. Nunmehr mischte sich N ein und forderte B in ruhigem Ton auf, auszutrinken, zu bezahlen und das Lokal zu verlassen. Zugleich beauftragte er eine der Bardamen, den Angeklagten Ha, der sich inzwischen in einem der hinteren Zimmer zum Schlafen gelegt hatte, zu wecken und zur Verstärkung herbeizuholen. Sie begab sich zu Ha, schilderte ihm die Situation und forderte ihn auf, seine restlichen Sachen mitzunehmen und nach vorne zu kommen.
Im Barraum war B inzwischen auf die Sofaecke zugetreten, in der N. und S. saßen, und drängte sich zwischen sie. Daraufhin erhob sich N und setzte sich auf einen Barhocker am Tresen. Als B. nicht aufhörte zu „pöbeln”, sagte N sinngemäß, B solle „nicht so eine Welle schieben und sich statt dessen verpissen”. B baute sich nunmehr vor N auf und sagte mehrmals „Komm her”, als wolle er sich prügeln. Plötzlich ging er auf N los und versetzte ihm einen Faustschlag, so daß N rückwärts gegen den Tresen fiel. Er fing sich jedoch schnell wieder und stieß B mit den Händen zurück. Nun griff Ha mit Billigung des N in die Auseinandersetzung ein und versetzte B mehrere Schläge. N, der über das Verhalten des B inzwischen in Wut geraten war, nahm einen Kristallaschenbecher vom Tresen und schlug diesen zweimal schnell hintereinander auf den Kopf B.s, so daß dieser kurzfristig zu Boden ging. Der Zeuge O stand währenddessen hinter N. und versuchte vergeblich, ihn wegzuziehen. Ein anderer Begleiter B.s wurde von S mit Gewalt daran gehindert, die Streitenden zu trennen. Im Verlauf der Schlägerei wurde B von zwei Messerstichen am Oberkörper getroffen, wobei nicht festgestellt werden konnte, wer – N. oder Ha. – das Messer geführt hat und ob der jeweils Unbewaffnete billigende Kenntnis von dem Messereinsatz des anderen hatte.
Unmittelbar nach den Messerstichen ließen N und Ha. – N. hatte immer noch den Aschenbecher in der Hand – von B. ab, der sich in Richtung Ausgang bewegte, jedoch im Flur zusammenbrach. Währenddessen verband N sich eine Schnittwunde, die er an der rechten Handinnenfläche erlitten hatte. Er veranlaßte dann die Bestellung eines Krankenwagens für B – dessen Stichverletzungen noch keiner entdeckt hatte – mit der Bemerkung, man wisse doch gar nicht, was dieser für innere Verletzungen habe. Danach verließen Ha, N und S. den Club. B verstarb kurze Zeit später infolge der Stichverletzungen. Die Schläge mit dem Kristallaschenbecher hatten Platzwunden an seiner linken Kopfhälfte verursacht.
Entscheidungsgründe
II.
Die Angriffe der Revision gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts haben keinen Erfolg. Die Ausführungen, mit denen das Landgericht dargelegt hat, warum die Beweislage (alle drei Angeklagte haben in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht) eine hinreichend zweifelsfreie Zuordnung der Messerstiche nicht zulasse, sind weder lückenhaft noch lassen sie eine Gesamtbewertung aller für und gegen einen Messereinsatz durch den Angeklagten Ha sprechenden Indizien vermissen (vgl. BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 2).
Das Landgericht hat zunächst darauf abgestellt, daß keiner der Zeugen den Messereinsatz gesehen hat. Auch hat keiner der Zeugen vor oder nach der Auseinandersetzung bei einem der Angeklagten ein Messer bemerkt. Die Strafkammer setzt sich außerdem mit der Frage auseinander, ob einer der Angeklagten ein stärkeres Motiv für einen derart massiven Angriff hatte als der andere. Dabei zieht sie in Erwägung, daß Ha sich womöglich als Mitglied auf Probe bei den „Hell`s Angels” vor seinem „Präsidenten” N habe hervortun wollen. Diese allein aus der Hierarchie hergeleitete Vermutung eines stärkeren Beweggrundes hat das Landgericht nachvollziehbar als nicht ausreichend erachtet, um Ha als Messerstecher zu überführen; sie wird im übrigen auch durch die vom Landgericht angestellte Überlegung relativiert, daß der Angeklagte Ha im Unterschied zu N von dem Opfer zuvor weder verbal noch körperlich angegriffen worden war. Daß Ha mit dem möglicherweise von N stammenden Hinweis aufgeweckt wurde, er möge, wenn er nach vorne komme, seine Sachen mitnehmen, durfte das Landgericht für ein nicht aussagekräftiges, etwa auf die Täterschaft des Ha hinweisendes Indiz halten. Diese Bemerkung müsse nicht als eine Aufforderung zur Mitnahme eines Messers verstanden werden, sondern könne naheliegend auch als harmlose Äußerung in dem Sinne gemeint gewesen sein, daß man das Lokal angesichts der angespannten Situation nun doch lieber verlassen wolle, statt – wie ursprünglich geplant – dort zu übernachten.
Ausgehend von der rechtsfehlerfrei gewonnenen Prämisse, daß der tödliche Messerstich dem Angeklagten Ha nur dann angelastet werden kann, wenn der Angeklagte N als Ausführender der Messerstiche ausscheidet, hat das Landgericht auch geprüft, ob die Täterschaft des N. zweifelsfrei auszuschließen ist. In diesem Zusammenhang hat es insbesondere die Bemerkung über „innere Verletzungen”, die ärztliche Hilfe nötig machten, erörtert, die als Täterwissen gedeutet werden könnte. Dieses Indiz wird jedoch nach Auffassung der Strafkammer dadurch entkräftet, daß N. dieses Wissen auch aus dem Vorgehen des Ha. – falls dieser als Exzeßtäter gestochen haben sollte – erlangt haben könnte. Andererseits hat das Landgericht nicht übersehen, daß N derjenige war, den B. attackiert hatte und der zunächst mit dem Kristallaschenbecher massiv gegen das spätere Opfer vorgegangen ist, was wiederum für dessen Täterschaft sprechen würde.
Daß die Strafkammer bei dieser Beweislage nicht ausdrücklich erörtert hat, daß N von Beginn bis zum Ende der Auseinandersetzung den Aschenbecher als Schlagwerkzeug in der Hand hielt, stellt keinen durchgreifenden Erörterungsmangel dar, weil entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht – und zwar nicht nur denktheoretisch – auszuschließen ist, daß er die Messerstiche mit der anderen Hand geführt haben kann. In diesem Zusammenhang weist das Landgericht auch auf die Möglichkeit hin, daß Ha. dem N erst kurz vor Ausführung der Stiche das Tatmesser zugesteckt haben könnte.
Was die von der Staatsanwaltschaft vermißte Auseinandersetzung mit der Aussage des Zeugen O betrifft, gilt Ähnliches. Dieser Zeuge will kein Messer bei N wahrgenommen haben, als er vergeblich versuchte, N. von B. wegzuziehen. O stand nach den Urteilsfeststellungen während des Tatgeschehens hinter N, so daß er einen eventuellen Messereinsatz nicht notwendig hätte bemerken müssen. Dies gilt umso mehr, als in das Kampfgeschehen nicht nur Ha und N, sondern auch andere Personen involviert waren. Der Zeuge hat in diesem Zusammenhang von einem Knäuel und einem unübersichtlichen Gewühl gesprochen. Im übrigen steht die Tatsache, daß keiner der vielen Zeugen weder bei Ha noch bei N ein Messer gesehen haben will, möglicherweise im Zusammenhang mit der allseits bekannten Gewaltbereitschaft der „Hell`s Angels”. Auch aus diesem Grund kommt der Aussage des Zeugen jedenfalls in diesem Punkt nur ein geringer Beweiswert zu. Angesichts der eingehenden Beweiswürdigung gerade zu der Frage der Zuordnung der Messerstiche ist auszuschließen, daß die Strafkammer diese von der Staatsanwaltschaft aufgezeigten Umstände etwa nicht bedacht haben könnte.
Unterschriften
Harms, Häger, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen