Verfahrensgang
LG Cottbus (Urteil vom 03.12.2003) |
Tenor
Auf die Revision der Nebenklägerin wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 3. Dezember 2003 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf der Vergewaltigung aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Revision der Nebenklägerin hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Anklage wirft dem Angeklagten vor, im August 2001 in einer Laube in Senftenberg die Nebenklägerin rücklings auf ein Sofa geworfen und ihre Hose und ihren Slip nach unten gezogen zu haben. Entgegen ihrer Aufforderung, damit aufzuhören, habe er ihre Arme festgehalten, sei mit seinem Penis in ihre Scheide eingedrungen und habe mit der sich wehrenden Nebenklägerin den Beischlaf vollzogen. Damit habe er ein Verbrechen nach § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB begangen.
Das Landgericht hat im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte unterhielt von der ersten Jahreshälfte bis zum Herbst des Jahres 2001 ein intimes Verhältnis zu der in dieser Zeit 14-/15jährigen Nebenklägerin, das die Nebenklägerin als ein Liebesverhältnis betrachtete und in dessen Rahmen es mehrfach zu einverständlichem Geschlechtsverkehr kam. Die Mutter der Nebenklägerin verbot dieser nach Kenntniserlangung von der Beziehung den weiteren Umgang mit dem Angeklagten, wor-über die Nebenklägerin sich jedoch hinwegsetzte. Im August 2001 wollte die Nebenklägerin das Verhältnis beenden, weil sie die Familie des damals 30jährigen verheirateten Angeklagten und seiner zwei kleinen Kinder „nicht kaputtmachen” wollte. Der Angeklagte sah das jedoch nicht ein und wollte dies mit der Nebenklägerin in der Laube „klären”. Er begab sich mit der Nebenklägerin in die Gartenlaube und schloß die Tür von innen ab. „Im Schlafraum der Laube wollte er mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr durchführen, was diese jedoch nicht wollte.” Der Angeklagte warf sie auf eine Couch, hielt sie dort fest und zog ihr Hose und Schlüpfer herunter und führte den Geschlechtsverkehr durch. „Da die Nebenklägerin an diesem Tag keinen Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten wollte, sagte sie ihm dies und versuchte, ihn mit Armen und Füßen wegzuschieben, was ihr jedoch nicht gelang.” Im Anschluß an den Geschlechtsverkehr zog sich die Nebenklägerin wieder an und ließ sich von dem Angeklagten nach Hause fahren. Als sie ihm Vorwürfe machte, daß er sie „mißbraucht” habe, sagte er, ihr würde niemand glauben.
Es kam auch danach zunächst zu einem weiteren Geschlechtsverkehr. Am 2. Oktober 2001 sandte der Angeklagte der Nebenklägerin folgende SMS: „Du kannst übrigens rumerzählen was du willst. 1. kennst du keinen, 2. glaubt dir keiner, kicher, kicher!!” Die Nebenklägerin berichtete ihrer Mutter von dem Vorfall in der Laube und zeigte dabei die SMS. Am 4. Oktober 2001 erstattete die Nebenklägerin schließlich Strafanzeige gegen den Angeklagten wegen des Vorfalls in der Laube. Danach kam es zwischen der Nebenklägerin und dem Angeklagten noch zwei- bis dreimal zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr.
Während der Angeklagte bestritten hat, jemals ein intimes Verhältnis zur Nebenklägerin gehabt zu haben, hat sich das Landgericht von den festgestellten Tatsachen – rechtsfehlerfrei – im wesentlichen aufgrund der Angaben überzeugt, die die Nebenklägerin in der Hauptverhandlung gemacht hat.
Danach hat das Landgericht zutreffend angenommen, daß der Angeklagte den objektiven Tatbestand der sexuellen Nötigung (§ 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB) einschließlich des Regelbeispiels der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 1 StGB) erfüllt hat. Es hat sich jedoch außerstande gesehen festzustellen, daß der Angeklagte bei alledem erkannt hätte, daß er gegen den Willen der Nebenklägerin handelte. Es hat hierzu im wesentlichen auf folgendes abgestellt: Der Angeklagte habe davon ausgehen können, daß die Nebenklägerin im Regelfall zum Geschlechtsverkehr mit ihm bereit gewesen sei, diesen sogar erwünscht habe. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, daß die Nebenklägerin dem Angeklagten zum Zeitpunkt der angeklagten Tat so sehr und nachdrücklich deutlich gemacht habe, daß sie an diesem Tag keinen Geschlechtsverkehr mit ihm wollte, daß er die Ernsthaftigkeit der Ablehnung des Geschlechtsverkehrs ihrerseits an diesem Tag erkennen konnte. Insbesondere habe die Nebenklägerin „keine Angaben dazu gemacht, wie intensiv und auf welche Art und Weise er sie festgehalten hat, wo er sie gegriffen und welche konkreten Bemühungen sie angestellt hat, um sich von seinen Griffen zu befreien.” Diese Beweiswürdigung hält sachlichrechtlicher Prüfung nicht stand:
Es liegt nahe, daß sich aus der Geschichte der Offenbarung des Geschehens durch die Nebenklägerin etwa weitere Anhaltspunkte für einen Tatvorsatz des Angeklagten ergeben. Deshalb war hier die – zusammenfassende – Mitteilung dessen geboten, was die Nebenklägerin zunächst ihrer Mutter, alsdann bei Erstattung der Strafanzeige und schließlich weiterhin im Ermittlungsverfahren angegeben hat. Dies ist zu vermissen.
Das Argument, die Nebenklägerin habe „keine Angaben dazu gemacht”, in welcher Weise der Angeklagte auf sie körperlich eingewirkt habe und welche konkreten Bemühungen sie zu ihrer Befreiung aus den Griffen des Angeklagten angestellt habe, trägt deshalb nicht, weil nicht mitgeteilt wird, wie die Nebenklägerin auf die – gebotenen – Nachfragen geantwortet hat.
Schließlich läßt das Landgericht das festgestellte Nachtatverhalten des Angeklagten, in dem Indizien für seinen Tatvorsatz liegen können, unerörtert: So äußerte der Angeklagte gegenüber der Nebenklägerin zunächst unmittelbar nach dem Geschehen auf ihren Vorwurf des „Mißbrauchs” und per SMS nach Erstattung der Anzeige, ihr würde niemand glauben.
Unterschriften
Harms, Häger, Gerhardt, Brause, Schaal
Fundstellen