Leitsatz (amtlich)
›Es bleiben bei der Auslegung nicht behebbare Zweifel, ob unter "Omnibusse" in § 13 Abs. 2 AKB auch sog. Kleinbusse fallen. Die Unklarheit führt dazu, daß sog. Kleinbusse nicht von der für Personenwagen geltenden Neupreisregelung ausgenommen sind.‹
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger war Eigentümer eines neunsitzigen VW-Transporters Typ 255 Bus, den er bei der Beklagten kaskoversichert hatte. Das Fahrzeug war am 12. Dezember 1980 erstmals auf den Kläger zugelassen. Anfang 1982 brannte es völlig aus. Der Deutsche Kraftfahrzeug-Überwachungsverein schätzte den Zeitwert des Fahrzeugs auf 13.200 DM, den Restwert auf 2.500 DM.
Der Kläger bestellte noch im Januar 1982 ein neues Fahrzeug des gleichen Typs und zahlte dafür 24.869,32 DM. Die Beklagte erstattete ihm nur den Zeitwert abzüglich des Restwertes, insgesamt 10.903,40 DM. Sie meint, das Fahrzeug des Klägers sei als "Omnibus" nach § 13 Abs. 2 AKB von der Neuwertentschädigung ausgenommen.
Die Klage auf zuletzt 11.465,92 DM nebst Zinsen (Kaufpreis für das Neufahrzeug abzüglich des Restwertes und des erstatteten Betrages) blieb vor Landgericht und Oberlandesgericht ohne Erfolg. Mit der - zugelassenen - Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe nur Anspruch auf Ersatz des Zeitwertes nach § 13 Abs. 1 AKB Den Neupreis nach Abs. 2 der Vorschrift könne er nicht verlangen, weil der ausgebrannte Wagen nicht zu den dort aufgeführten Fahrzeugen zähle. Das Fahrzeug sei seiner Art und Ausstattung nach zur Beförderung von nicht mehr als neun Personen einschließlich des Führers geeignet und bestimmt und deshalb nach § 4 Abs. 4 Nr. 1 PBefG als Personenkraftwagen einzustufen. Damit sei es zugleich Personenwagen im Sinne des § 13 Abs. 2 AKB, worunter nach dem allgemeinen Sprachgebrauch alle Personenkraftwagen im Gegensatz zu Lastkraftwagen und Kraftomnibussen im Sinne von § 4 Abs. 4 Nr. 2 und 3 PBefG zu verstehen seien. Von der Erhöhung der Leistungsgrenze seien aber diejenigen Personen- und Kombinationswagen ausgenommen, die Droschken, Mietwagen, Selbstfahrervermietwagen und Omnibusse seien. Darunter falle das Fahrzeug des Klägers. Sei unter "Personenwagen" nichts anderes als "Personenkraftwagen" zu verstehen, so könnten mit den hiervon ausgenommenen Omnibussen nicht die Kraftomnibusse im Sinne von § 4 Abs. 4 Nr. 2 PBefG (mit mehr als neun Sitzen), sondern nur die sogenannten Kleinbusse gemeint sein. Nach dem Sprachgebrauch würden Pkw mit acht Fahrgastsitzen auch als Kleinbusse bezeichnet. Für diese Auslegung spreche, daß von der Erhöhung nur solche Pkw ausgenommen seien, die der gewerbsmäßigen Personenbeförderung zu dienen bestimmt oder - wie Jedenfalls das Fahrzeug des Klägers - geeignet seien.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Schon dem Ausgangspunkt des Berufungsrichters, daß es darauf ankomme, was mit der Klausel allenfalls gemeint sein könnte, kann nicht zugestimmt werden. Maßgeblich für die Auslegung Allgemeiner Versicherungsbedingungen ist nicht, was sich der Verfasser der Bedingungen bei der Abfassung vorstellte, vielmehr wie sie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer bei Abschluß des Versicherungsvertrages bei verständiger Würdigung verstehen muß. Nach diesem Maßstab bleiben bei der Auslegung nicht behebbare Zweifel, was unter "Omibusse" im Sinne des § 13 Abs. 2 AKB zu verstehen ist. Im Sprachgebrauch des Gesetzgebers wird meist der Begriff "Kraftomnibus gebraucht. Darunter werden seit der Neufassung des § 4 Abs. 4 Nr. 2 PBefG durchweg Kraftfahrzeuge verstanden, die nach ihrer Bauart und Ausstattung zur Beförderung von mehr als neun Personen (einschließlich Führer) geeignet und bestimmt sind. Die gleiche Ausdrucksweise findet sich z.B. in § 15 d Abs. 1 Nr. 1 und in § 34 a StVZO. Gelegentlich spricht der Gesetzgeber auch schlicht von "Omnibussen" (vgl. § 20 Abs. 2 StVO), ohne daß darunter etwas anderes verstanden würde (Jagusch, Straßenverkehrsrecht 25. Aufl. § 20 StVO Rdn. 4). Im Gegensatz dazu ist ein Personenkraftwagen nach der gesetzlichen Definition in § 23 Abs. 1 Satz 5 StVZO auch ein Kraftfahrzeug mit einem zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 2,8 Tonnen, das nach seiner Bauart und Einrichtung geeignet und bestimmt ist, wahlweise vorwiegend der Beförderung von Personen oder vorwiegend der Beförderung von Gütern zu dienen, und das außer dem Fahrersitz Plätze für nicht mehr als acht Personen hat.
Im allgemeinen Sprachgebrauch werden die Begriffe "Kraftomnibus" und "Omnibus" weitgehend synonym verwendet. Laut Brockhaus-Enzyklopädie (17. Aufl. Stichwort: Kraftomnibus, Omnibus) wird darunter ein Kraftfahrzeug verstanden, das für die Beförderung einer größeren Anzahl von Fahrgästen (mehr als acht) bestimmt ist. Gelegentlich wird daneben von "Kleinbussen" gesprochen.
In den amtlichen Richtlinien zum Fahrzeugbrief (Verkehrsblatt 1972, 373, Anl. 2) mit einem systematischen Verzeichnis der Fahrzeug- und Aufbauarten findet sich die Bezeichnung "Omnibus" nicht. Dort wird zwischen "Kraftomnibussen" in der bekannten Bedeutung und "Personenkraftwagen" unterschieden. Als Unterart der Personenkraftwagen werden "Kleinbusse" aufgeführt. Darunter werden Kraftfahrzeuge verstanden, die nach ihrer Bauart (Aufbau) und Einrichtung Kraftomnibussen entsprechen, aber nach der Anzahl der Sitzplätze Personenkraftwagen sind (vgl. zu den Begriffen auch Wirsing, Der Verkehrsdienst für den Straßenverkehr, 1975, 133, 134).
Die Beklagte selbst verwendet in der sogenannten grünen Versicherungskarte die Bezeichnungen A = Personenkraftwagen und E = Omnibus und hat das Fahrzeug des Klägers unter A als Personenwagen, nicht als Omnibus eingetragen. Kann danach von einem einheitlichen Sprachverständnis des Begriffes "Omnibus" schon nicht gesprochen werden, so wird die Auslegung noch dadurch weiter erschwert, daß die AKB selbst den Begriff "Omnibus" in § 13 Abs. 5 Satz 4 ersichtlich in einem wiederum anderen Sinne verstehen. Dort ist nämlich von "Personen- und Kombinationswagen sowie Omnibussen ..." die Rede. An dieser Stelle werden also Omnibusse als etwas anderes als Personen- und Kombinationswagen angesehen. Diese uneinheitliche Ausdrucksweise führt zu nicht ohne weiteres überwindbaren Zweifeln, was in § 13 Abs. 2 Satz 1 AKB unter "Omnibussen" zu verstehen ist, insbesondere ob darunter im Gegensatz zum Absatz 5 auch Kleinbusse fallen.
Diese Zweifel können auch nicht durch einen Rückgriff auf den Sinn der Regelung behoben werden. Der Versuch des Berufungsgerichts, der von ihm gefundenen Auslegung einen Sinn zu unterlegen, überzeugt nicht. Daß ein Fahrzeug zur gewerbsmäßigen Personenbeförderung jedenfalls geeignet ist, macht seine Ausnahme von der Neuwertversicherung nicht plausibel. Die meisten Personenkraftwagen sind zur gewerbsmäßigen Nutzung als Droschken, Mietwagen oder Selbstfahrervermietwagen genauso geeignet. Eine Eingrenzung der Ausnahme auf gewerbsmäßig genutzte Kleinbusse könnte vielleicht sinnvoll sein, findet aber im Wortlaut der Klausel keine hinreichende Stütze.
Der Zweifel bei der Auslegung geht nach § 5 AGBG zu Lasten der Beklagten als Verwenderin der Klausel. Es geht nicht an, wie es das Berufungsgericht tut, eine Klausel in Allgemeinen Versicherungsbedingungen in einer Art auszulegen, die sich einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer auch bei verständiger Würdigung nicht erschließt, nur weil sonst dieser Teil der Klausel bedeutungslos wird. Damit verkennt der Berufungsrichter die Tragweite von § 5 AGBG. Die Unklarheit der Klausel führt dazu, daß die Beklagte sich nicht darauf berufen kann, der Wagen des Klägers sei ausnahmsweise von der für seinen Personenwagen geltenden Neupreisregelung aus genommen.
Da unstreitig alle anderen Voraussetzungen gegeben sind, hat die Beklagte dem Kläger für sein ausgebranntes Fahrzeug den Neupreis nach § 13 Abs. 2 AKB zu erstatten. In Höhe von 7.504,45 DM nebst Zinsen ist der Rechtsstreit zur Entscheidung reif. Diesen Betrag schuldet die Beklagte, auch wenn alle ihre Einwendungen zur Hohe durchgreifen. Das ergibt folgende Berechnung:
Vom Kläger unstreitig aufgewendeter Kaufpreis für das Neufahrzeug 24.869,32 DM
davon 5 % Rabatt, die der Kläger nach der Behauptung der Beklagten hätte erzielen können 1.243,46 DM
23.625,85 DM
darin enthalten 13 % Mehrwertsteuer 2.718,00 DM
20.907,85 DM
abzüglich Restwert 2.500,00 DM
abzüglich bereits gezahlter 10.903,40 DM
7.504,45 DM
Dabei wird der in § 13 Abs. 2 Satz 2 AKB als Höchstgrenze der Ersatzleistung vorgesehene, vom Hersteller unverbindlich empfohlene Preis am Tage des Schadens, den die Beklagte mit 23.744,35 DM angibt, nicht überschritten.
Im übrigen ist dem Senat eine Entscheidung in der Sache nicht möglich. Da § 13 Abs. 2 Satz 2 AKB nicht auf den entrichteten, sondern auf den zu entrichtenden Kaufpreis eines neuen Fahrzeugs abstellt, ist ein marktgängiger Rabatt zu berücksichtigen (Prölss/Martin, VVG, 23. Aufl., § 13 AKB Anm. 1 b; Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, 12. Aufl., § 13 AKB Rdn. 34). Der Tatrichter wird deshalb der Behauptung der Beklagten nachzugehen haben, ein fünfprozentiger Rabatt sei damals marktüblich gewesen. Ferner kann der Einwand der Beklagten von Bedeutung sein, der vom Hersteller empfohlene Richtpreis sei am Schadenstag geringer gewesen als der vom Kläger aufgewendete Kaufpreis. Schließlich kommt es auf den zwischen den Parteien streitigen Umstand an, ob der Kläger zum Vorsteuerabzug berechtigt ist oder nicht. Ist er vorsteuerabzugsberechtigt, so mindert sich die von der Beklagten zu zahlende Ersatzleistung entsprechend (BGH, Urt. v. 6. Juni 1972 - VI ZR 49/71 = LM BGB § 249 Cb, Nr. 17 = NJW 1972, 1460; Urt. v. 30. Januar 1985 - IV ZR 109/83 = VersR 1985, 354).
Fundstellen
Haufe-Index 2992813 |
NJW 1986, 431 |
DRsp II(229)235c |
DAR 1986, 19 |
MDR 1986, 212 |
VRS 70, 122 |
VersR 1986, 177 |